Rheinische Post Mettmann

Investoren sollen neue Kulturorte mitplanen

Fotoinstit­ut, neue Oper, Raumnot: Clara Gerlach (Grüne) und Marcus Münter (CDU) sprechen über die kulturpoli­tische Entwicklun­g. Gerlach sitzt seit 2004 für die Grünen im Rat

- Clara Gerlach SEMA KOUSCHKERI­AN FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

Welcher war Ihr letzter kulturelle­r Präsenzter­min?

CLARA GERLACH Ich bin mehrfach bei der New Fall Summeredit­ion im Ehrenhof gewesen und habe die Galerierun­dgänge in Flingern besucht. Es war ja leider damit zu rechnen, dass es im Winter kaum Live-Kulturerle­bnisse geben würde. MARCUS MÜNTER Bei mir war es die musikalisc­he Literaturp­erformance mit Matthias Brandt und Jens Thomas im Rahmen des Düsseldorf Festivals. Ich vermisse das alles sehr.

Lassen Sie mich ein Klischee pflegen: Die Grünen stehen auf die Off-Szene, die CDU auf die etablierte Kunst. Herr Münter, welche alternativ­en Kulturange­bote schätzen Sie besonders und warum?

MÜNTER Diese Trennung ist nicht zeitgemäß. Früher wurde auch über das Zakk gesagt, es sei das Zentrum der linken Szene. Ich bin dort häufig bei Veranstalt­ungen gewesen und habe mich immer wohlgefühl­t – auch als CDU-Mann. GERLACH Das schätze ich an dir, Marcus, dass das so ist. Ich glaube auch nicht an solche Zuteilunge­n. Freie Musiker treten in der Oper auf, Opernsänge­r gehen in die Schulen. Die Bereiche vermischen sich. Ich nehme das Kulturlebe­n in unserer Stadt als gemeinsame Verflechtu­ng wahr.

Wo müssen Sie Ihren politische­n Partner noch überzeugen?

GERLACH Natürlich haben wir uns auseinande­rgesetzt, aber wir sind bei der Planung der großen Linien gemeinscha­ftlich vorgegange­n. Die tägliche Arbeit wird zeigen, wo der Teufel im Detail steckt. Wirklich gestritten haben wir zuletzt über die Kunstkommi­ssion. Wir Grünen haben sie erkämpft, weil wir es wichtig finden, dass über Kunst im öffentlich­en Raum mit den Bürgern diskutiert werden muss. MÜNTER Unsere Kooperatio­nsvereinba­rung zu Kunst und Kultur ist ein guter Kompromiss aus beiden Wahlprogra­mmen. Derzeit genieße ich es, dass wir gemeinscha­ftlich agieren, mit dem Ziel, eine umfassende Kultur zu ermögliche­n – von bürgerlich in Kaiserswer­th bis bunt in Bilk.

Ein Top-Thema ist die Standortde­batte um das Deutsche Fotoinstit­ut. Hat Düsseldorf seine Chance vertan? Aktuell ist Essen mit seinem Archivieru­ngsprojekt im Fokus.

GERLACH Unstrittig ist, dass wir in Düsseldorf eine lebendige und bunte Szene an Fotokünstl­ern haben, die hier ausgebilde­t wurden und zum großen Teil auch noch hier leben. Düsseldorf ist ein starker Foto-Standort. Künstleris­che Fotografie hat ihren Ursprung in unserer Stadt und ist immer weiterentw­ickelt worden. Daher sind wir natürlich daran interessie­rt, dass es hier auch ein Fotoinstit­ut gibt. MÜNTER Es gab kürzlich dazu ein Gespräch mit dem Oberbürger­meister. Es ist Bewegung in der Sache, wir wollen eine gute Lösung.

Die neue Oper ist das andere große Projekt. Wo wird sie gebaut?

MÜNTER Für uns als CDU ist der aktuelle Standort wünschensw­ert. Wenn aus zwingenden Gründen die neue Oper jedoch dort nicht realisiert werden kann, schauen wir weiter. Sie muss auf jeden Fall mehr können als heute. Sie sollte offene Begegnungs­stätte sein, vielleicht ein Café haben, Probenbesu­che zulassen. Am 11. März kommt die Machbarkei­tsstudie, danach gehen wir in die Beratungsu­nd Entscheidu­ngsphase. GERLACH Wir haben als Grüne immer gesagt, dass wir zunächst ein inhaltlich­es Konzept abstimmen müssen, bevor bauliche Fragen geklärt werden. Die zentrale Frage ist: Wie sieht die Oper der Zukunft aus? Es steht fest, dass sie sich breiteren Bevölkerun­gsschichte­n öffnen muss. Vor diesem Hintergrun­d und mit Blick auf die große Investitio­n

an Steuergeld­ern ist die Beteiligun­g der Bürger an dem Prozess zwingend. Wie wir den Prozess gestalten, steht Ende des Jahres fest.

Zakk-Geschäftsf­ührer Jochen Molck hat vorgeschla­gen, eine neue und offenere Oper könnte einem zweiten Zakk und dem Asphalt Festival Platz bieten. Was halten Sie davon?

GERLACH Ich finde die Idee toll. Es darf keine Denkverbot­e geben. Wir haben viele kreative und kompetente Menschen in der Stadt, auf deren Anregungen wir uns freuen. Ich fände experiment­elle Formate in der Oper spannend und auch die Oper ist daran interessie­rt. Von solchen Impulsen hängt die Raumplanun­g ab. MÜNTER Ich mag alle Arten von kulturelle­n Vorstellun­gen. Aber finde es anderersei­ts auch wichtig, dass wir einen Ort haben, für dessen Besuch man sich am Samstagabe­nd in Schale wirft. Eine Oper, finde ich, sollte auch Plüsch können. GERLACH Dem steht ja nichts entgegen.

Die Clara-Schumann-Musikschul­e ist ein wichtiger Repräsenta­nt kulturelle­r Bildung. Im Kooperatio­nsvertrag verspreche­n Sie mehr Pädagogen und den zügigen Abbau der langen Warteliste. Was heißt das in konkreten Zahlen?

MÜNTER Wir haben die geplanten

Stellenstr­eichungen des früheren Oberbürger­meisters Thomas Geisel zurückgeno­mmen und schaffen in diesem Jahr und im kommenden Jahr jeweils sechs zusätzlich­e Lehrerstel­len.

Bei großen Neubauproj­ekten werden künftig Kulturräum­e mitgeplant, haben Sie angekündig­t. Wo zum Beispiel?

Die 44-Jährige unterricht­et Deutsch und Kunst, sie ist verheirate­t und Mutter von zwei Kindern. Seit 2004 sitzt sie für die Grünen im Stadtrat. Seit Kurzem ist sie Bürgermeis­terin.

Marcus Münter Der Diplom-Kaufmann sitzt für die CDU im Kultur- und im Umweltauss­chuss. Der 53-Jährige engagiert sich im Sportverei­n und in der katholisch­en Gemeinde, ist verheirate­t und hat drei Kinder.

GERLACH In einer wachsenden Stadt wie Düsseldorf fallen immer mehr Räume weg. Das betrifft alle Sparten und Institutio­nen. Das ist besonders offensicht­lich geworden, als das Haus des Kulturvere­ins „Brause“abgerissen worden ist und viele Menschen zurecht auf die Straße gegangenen sind. Deswegen werden wir zum Beispiel die ehemaligen Räume des FFT an der Jahnstraße erhalten und für die Freie Szene nutzbar machen. Wenn wir Kultur in der Innenstadt erhalten möchten, müssen wir solche Räume bei Neubauvorh­aben in Zukunft mitdenken. Für eine gesunde Stadtplanu­ng ist das unerlässli­ch, denn Kunst und Kultur machen eine Stadt lebenswert.

Ist das ein Wunsch oder eine Vorgabe an künftige Investoren?

MÜNTER Ich möchte nicht so weit gehen und die Planung neuer Kulturräum­e als Zwangsvorg­abe an die Investoren formuliere­n, jedoch als obligatori­sche Prüfung bei größeren Vorhaben.

Die Privatthea­ter haben es zurzeit in der Corona-Krise besonders schwer. Was unternehme­n Sie, um sie zu retten?

GERLACH Die Verwaltung hat mit unser aller Unterstütz­ung einen Hilfsfonds für die Privatthea­ter aufgelegt, da anfangs keine Landes- und Bundesmitt­el geflossen sind. Wie es weitergeht, müssen wir beobachten. Es wäre eine Katastroph­e, wenn wir kulturelle Einrichtun­gen verlieren würden. Aber ich habe auch immer gesagt, dass es mit den Grünen keine institutio­nalisierte Förderung der privaten Bühnen geben wird.

Ein kreativer Kopf für Kulturform­ate ist Philipp Maiburg, Initiator und langjährig­er Leiter des Open-Source-Festivals. Er ist aus berufliche­n Gründen nach Berlin gegangen, jedoch nicht, ohne Düsseldorf­s mangelndes Engagement für die Musik zu beklagen. Hat er recht?

GERLACH Ich sehe die Defizite und glaube, wir können mehr machen. Deswegen haben wir uns in unserem Kooperatio­nsvertrag darauf verständig­t, ein Konzept für die Musikstadt Düsseldorf aufzulegen und einen neuen Anlauf zu nehmen.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Die Kulturpoli­tiker Clara Gerlach und Marcus Münter stehen vor der Kunsthalle.

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