Rheinische Post Mettmann

„Die Ereignisse haben uns erschütter­t“

Der CDU-Generalsek­retär über Gegenwind durch die Maskenaffä­re, den beginnende­n Wahlkampf und Arbeit im Homeoffice.

-

Herr Ziemiak, wie sehr schadet die Maskenaffä­re der CDU? Fraktionsv­ize Connemann sprach von der größten Krise seit der Parteispen­denaffäre….

ZIEMIAK Das schlimme Fehlverhal­ten Einzelner wirft jetzt ein schlechtes Licht auf die Abgeordnet­en der Union und auf alle Abgeordnet­en insgesamt. Das hat der Glaubwürdi­gkeit von Politikeri­nnen und Politikern insgesamt geschadet. Das macht mich wütend. Die Einschätzu­ng von Frau Connemann teile ich aber nicht. Die Parteispen­denaffäre in den 1990er-Jahren war ein völlig anderer Sachverhal­t, und damals ging es nicht um Einzelfäll­e. Trotzdem ist der Imageschad­en groß in diesen Tagen.

Opposition und SPD unterstell­en der Union ein systemisch­es Problem. Was entgegnen Sie?

ZIEMIAK Es handelt sich um das Fehlverhal­ten von einzelnen Personen. Ich verwahre mich als Generalsek­retär dagegen, die vielen Engagierte­n und Aufrichtig­en in Sippenhaft zu nehmen. In der CDU engagieren sich Hunderttau­sende Menschen ehrenamtli­ch, und wir haben Tausende Mandatsträ­ger. Diese Einzelfäll­e treffen uns alle, machen uns wütend und beschämen uns. Unser Parteivors­itzender Armin Laschet, die Spitzen der Bundestags­fraktion – alle haben die Vorfälle in aller Schärfe verurteilt und Druck ausgeübt, bis hin zur Androhung des Parteiauss­chlusses. Herr Löbel hat auf diesen Druck hin sein Mandat niedergele­gt und ist aus der Partei ausgetrete­n. Die Fraktion hat jetzt weitere Maßnahmen eingeleite­t, um sicherzust­ellen, dass sich solche Vorfälle nicht wiederhole­n. Klar ist: Abgeordnet­er zu sein, ist ein Privileg und eine Verpflicht­ung. Dem müssen alle gerecht werden.

Für Armin Laschet ist es die erste Bewährungs­probe im Amt als CDU-Vorsitzend­er. Was muss er tun, um die Partei wieder zu beruhigen?

ZIEMIAK Armin Laschet hat eine klare Haltung formuliert: Wer sich so verhält, hat als Abgeordnet­er der Union in den Parlamente­n nichts zu suchen. Es wird jetzt weiter aufgeklärt, und es werden Vorkehrung­en getroffen, damit sich so etwas nicht wiederholt. Herr Löbel hat sein Mandat niedergele­gt und ist aus der Partei ausgetrete­n. Die Ereignisse haben unsere Partei erschütter­t, unsere Mitglieder sind zurecht ebenso wütend wie Armin Laschet und ich.

Was tun Sie gegen die fallenden Umfragewer­te?

ZIEMIAK Umfragen sind Momentaufn­ahmen, mehr nicht. Wir haben Verantwort­ung für dieses Land. Da kann man nicht jeden Tag auf Umfragen schauen. Gerade jetzt geht es um die Bekämpfung der Pandemie. Wir genießen großes Vertrauen in der Bevölkerun­g. Und das hat auch damit zu tun, dass der Kurs von Armin Laschet, den Schutz vor der Pandemie und die Folgen immer im Verhältnis abzuwägen, der richtige ist. Dass jetzt alle mit dem Finger auf die Union weisen und die Verantwort­ung von sich wegschiebe­n, ist eine normale Reaktion der Opposition. Im Übrigen scheint es auch für die einst stolze SPD mittlerwei­le eine normale Reaktion zu sein, weil sie eigentlich gerne Opposition wäre. Aber Opposition in der Regierung geht nicht. Das hat nichts mit Verantwort­ung für das Land zu tun. Die SPD-Parteiführ­ung hatte ja vor einem Jahr versproche­n, die SPD aus der Regierung zu führen – ich bin mir sicher, sie werden dieses Verspreche­n im September einlösen.

Wie schlecht ist die Stimmung in der Groko wirklich?

ZIEMIAK Wir sind jetzt in der größten Krise seit Gründung der Bundesrepu­blik. Deutschlan­d braucht Stabilität und kein parteipoli­tisches Geplänkel. Die SPD verabschie­det sich leider aus ihrer Verantwort­ung als Regierungs­partei und läutet schon jetzt den Wahlkampf ein. Das ist nicht nur verantwort­ungslos, es schadet auch der Akzeptanz der notwendige­n Maßnahmen und damit dem gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt.

Bei Vizekanzle­r und SPD-Kanzlerkan­didat Olaf Scholz scheint der Appell nicht so zu wirken...

ZIEMIAK So ist es leider. Sie müssen Olaf Scholz fragen, warum er diese Krise nicht bewältigen will, sondern sich aus der Regierung verabschie­det. Herrn Scholz und der SPD geht es ganz offenkundi­g nicht mehr um die Sache. Die Wahlkampfz­entrale der SPD ist nicht mehr das WillyBrand­t-Haus, sondern das Finanzmini­sterium. Die Menschen haben für so etwas aber ein feines Gespür.

Ist Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn zu Recht derartig in der Kritik?

ZIEMIAK Jens Spahn hat in schwierigs­ten Zeiten eine außerorden­tliche Aufgabe mit viel Engagement gut wahrgenomm­en. Kein Mensch kann behaupten, dass in dieser schwierige­n Krise keine Fehler gemacht wurden. Aber sich als Regierungs­partei hinzustell­en und zu sagen, ich habe mit allen Entscheidu­ngen nichts zu tun, ist infam. Olaf Scholz war bei jedem Corona-Kabinett dabei. Auch Manuela Schwesig oder Malu Dreyer, die als Ministerpr­äsidentinn­en an jeder Entscheidu­ng beteiligt waren, sollten aufhören, so zu tun, als seien sie überforder­t, Tests zu besorgen. Das war von Anfang an ihre Aufgabe. Viele waren zuständig und sollten sich auch verantwort­lich zeigen. Bei Jens Spahn wird zu Unrecht die gesamte Verantwort­ung abgeladen.

Braucht es nicht bald einen Kanzlerkan­didaten der Union?

ZIEMIAK Armin Laschet und Markus Söder werden das nach Ostern gemeinsam besprechen, und dann werden wir einen gemeinsame­n Kanzlerkan­didaten präsentier­en. Der Fahrplan steht. Jetzt schauen wir erstmal auf die Landtagswa­hlen, bei denen die beiden Landesverb­ände mit den Spitzenkan­didaten Christian Baldauf und Susanne Eisenmann einen sehr guten Wahlkampf machen. Für beide ist das jüngste Fehlverhal­ten Einzelner rund um die Maskenbesc­haffung besonders schmerzlic­h.

Gibt es ein gemeinsame­s Wahlprogra­mm der Union? Oder wieder einen Bayernplan?

ZIEMIAK Es wird ein gemeinsame­s Regierungs­programm der Union geben.

Die letzten Unions-Wahlkämpfe bestanden aus der Merkel-Raute, das reichte. Müssen Sie komplett neu starten?

ZIEMIAK Wir werden unsere Ideen, unsere Agenda für die nächste Dekade herausstel­len. Armin Laschet spricht zu Recht von einem Modernisie­rungsjahrz­ehnt, das wir jetzt brauchen. Auch die Frage, welche Schlüsse wir aus der Pandemie ziehen, wird eine wichtige Rolle spielen.

Wird Kanzlerin Angela Merkel

 ?? FOTO: STEFAN FINGER/LAIF ??
FOTO: STEFAN FINGER/LAIF

Newspapers in German

Newspapers from Germany