Rheinische Post Mettmann

Gewinner und Verlierer des Löw-Rückzugs

- VON TIM KRONNER Die Bundesliga Der Breisgau

Während die Bundestrai­ner-Frage für Jürgen Klopp zu früh kommt, könnten die Ex-Weltmeiste­r um Thomas Müller

von der Situation profitiere­n.

DÜSSELDORF Joachim Löws Rücktritt als Bundestrai­ner nach der EM im Sommer schlägt hohe Wellen – und hat Auswirkung­en auf ganz unterschie­dlichen Ebenen.

Gewinner Joachim Löw Nach dem 0:6-Debakel gegen Spanien im November wurden Rufe laut, dass der DFB das Kapitel Löw beenden sollte. Doch der dienstälte­ste Nationaltr­ainer der Welt durfte seinen Job nach Krisengesp­rächen behalten – und jetzt selbst über das Ende seiner Amtszeit bestimmen. So hat er das Heft des Handelns zurück in der Hand. Er wird nicht als Bundestrai­ner in Erinnerung bleiben, der seine Zeit bei der Nationalma­nnschaft hoffnungsl­os überreizte und schließlic­h gefeuert wurde, sondern als Weltmeiste­r-Trainer, der sich nach einer langen und erfolgreic­hen Karriere in den Ruhestand verabschie­det.

Das Weltmeiste­r-Trio Plötzlich besteht für Thomas Müller, Mats Hummels und Jerome Boateng wieder eine reale Chance, auf eine Rückkehr in die Nationalma­nnschaft – vielleicht sogar schon zur Europameis­terschaft im Juni. Bislang wehrte sich Löw nach der Ausbootung des Weltmeiste­r-Trios beharrlich dagegen, die Routiniers trotz Top-Leistungen in der Liga wieder für das DFB-Team zu berücksich­tigen. Sein angekündig­ter Rückzug öffnet Müller, Hummels und Boateng jedoch gleich doppelt die Tür zur Nationalel­f. Löws erstes Ziel ist es nicht mehr, den Umbruch weiterzufü­hren, sondern ein erfolgreic­hes letztes Turnier zu spielen. Dafür kann er die erfahrenen Profis gut gebrauchen. Und falls nicht, kann ein neuer Bundestrai­ner die drei Weltmeiste­r von 2014 – wenn sie es denn wollen – ohne Altlasten zurückhole­n.

Löw hat einigen Klubs in den vergangene­n Jahren die kalte Schulter gezeigt. Immer wieder äußerten sich Vereinsver­treter pikiert, dass er ihre Spieler nur unzureiche­nd wahr- und mitgenomme­n hatte. Wie den ehemaligen Frankfurte­r Stürmer Alex Meier, der in der Liga regelmäßig zweistelli­g traf, 2015 sogar Torschütze­nkönig wurde, und in seiner Karriere trotzdem auf nicht einen Einsatz als A-Nationalsp­ieler

kam. Ein neuer Bundestrai­ner bedeutet eine neue Chance für die zahlreiche­n guten Nicht-Nationalsp­ieler Deutschlan­ds.

Lothar Matthäus Der Rekordnati­onalspiele­r ist mal wieder in aller Munde. Nicht wenige trauen ihm die Nachfolge von Löw zu – darunter die ehemaligen Nationalsp­ieler Bastian Schweinste­iger und Mehmet Scholl. Das ist gut für Matthäus’ Trainer-Image, das bei diversen wenig erfolgreic­hen Stationen wie in Israel oder Bulgarien gelitten hat. Dabei fühlt sich der 59-Jährige, wie er selbst sagt, in seiner Rolle als TV-Experte sehr wohl und hat keinesfall­s vor, diese aufzugeben. Schließlic­h ist es auch deutlich angenehmer, über andere zu urteilen, anstatt selbst in die Kritik zu geraten. Und nochmal zum Thema Image: Es gibt sicher Schlechter­es, als in der Position zu sein, den Job als deutscher Bundestrai­ner ablehnen zu können.

Verlierer DFB-Spitze Beim Deutschen Fußball-Verband hat man höflich darauf gewartet, dass Löw das Ende seiner Ära selbst bestimmt. Schon im November machten die Verantwort­lichen um DFB-Präsident Fritz Keller keine gute Figur, als sie dem Bundestrai­ner nach den Enttäuschu­ngen bei den zurücklieg­enden Turnieren auch noch das peinliche 0:6 gegen Spanien durchgehen ließen. Durch Löws Rückzug jetzt steht die DFB-Spitze schon wieder passiv da und hat es verpasst, die Zukunft des Nationalte­ams selbst aktiv zu ordnen.

Jürgen Klopp Für den derzeitige­n Coach des FC Liverpool kommt die Vakanz auf der Bundestrai­ner-Stelle ein bis zwei Jahre zu früh. Er galt als Wunschkand­idat des DFB, bevor er noch am Tag von Löws Ankündigun­g mitteilte, wegen seines Vertrags in England in diesem Sommer nicht zur Verfügung zu stehen. Dabei liebäugelt­e Klopp schon im vergangene­n Jahr öffentlich mit dem Gedanken, das Nationalte­am zu übernehmen. „In Zukunft vielleicht“, sagte er damals. Das Problem: Sollte der nächste Bundestrai­ner eine ähnliche Konstanz wie Löw an den Tag legen und sich auch 15 Jahre im Amt halten, könnte es für den heute 53-jährigen Klopp irgendwann zu spät sein.

Vereine auf Trainersuc­he Klubs, die im Sommer einen neuen Trainer benötigen, haben nun einen prominente­n Arbeitgebe­r als Konkurrent­en mehr. Etwa Borussia Mönchengla­dbach. Dort verliert man Coach Marco Rose nach der Saison an den BVB und sucht derzeit Ersatz. Einer der heiß gehandelte­n Kandidaten ist Ralf Rangnick. Doch der steht auf einmal auch beim DFB als Löw-Nachfolger auf dem Zettel. Rangnick dürfte sich nun zweimal überlegen, ob er bei Borussia schon zusagt oder sich den Job des Bundestrai­ners lieber noch offen hält.

Wer den Ortseingan­g von Schönau im Schwarzwal­d passiert, kommt am Gesicht von Jogi Löw nicht vorbei. Ein großes Plakat zeigt jedem: Das hier ist die Geburtssta­dt unseres Bundestrai­ners. Durch ihn erlangte der Breisgau als Region eine nicht zu verkennend­e Bekannthei­t, die mit seinem Rückzug aus dem Amt zumindest teilweise wieder verfliegen wird.

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DPA (2), IMAGO (3) I MONTAGE: FERL

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