Rheinische Post Mettmann

Schulwahl: Eltern frustriert über Losverfahr­en

Das Anmeldever­fahren macht viele Familien mürbe. Einige brauchten drei Anläufe, um endlich eine Zusage zu erhalten.

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Wer in Düsseldorf sein Kind auf ein Gymnasium schicken will, braucht starke Nerven. „Die Anspannung ist enorm, weil man nicht weiß, ob es wenigstens im zweiten Anlauf mit der dann bevorzugte­n Schule klappt“, sagt Stephan Fehr. Sein Sohn Maximilian hatte Anfang Februar darauf gehofft, auf das Pempelfort­er Leibniz-Gymnasium gehen zu können. „Das Profil stimmte, vor allem die Montessori-Ausrichtun­g war ihm wichtig.“Doch das Los entschied gegen den Neunjährig­en.

Wie Maximilian erging es zahlreiche­n jungen Düsseldorf­ern. Allein das Goethe-Gymnasium, bei den Anmeldunge­n der neue Spitzenrei­ter unter den 18 städtische­n Gymnasien, erteilte 78 Viertkläss­lern eine Absage. Fast 50 wären es am Gerresheim­er Marie-Curie-Gymnasium gewesen. Doch hier zog die Stadt die Notbremse, richtete – zunächst für das kommende Schuljahr – eine zusätzlich­e fünfte Klasse mit rund 30 Schülern ein, um so Druck aus dem Kessel zu nehmen.

Wie berechtigt die Sorgen der Familien sind, belegt das Ergebnis der zweiten Anmelderun­de in der ersten Märzwoche. Immerhin 50 Viertkläss­ler schauten hier erneut in die Röhre – das zweite Mal in Folge. Allein das Luisen-Gymnasium an der Bastionstr­aße musste 35 Jungen und Mädchen absagen. 93 Viertkläss­ler kann die Schule im August aufnehmen, nur 77 hatten sich im Februar angemeldet. Doch im zweiten Anlauf waren es plötzlich 128. Zu viel für die geplanten drei fünften Klassen.

Für die Betroffene­n ist das ein Schock. „Wir waren sprach- und hilflos“, sagt Daniela Hilfrich, die mit ihrer Familie in Flingern-Nord wohnt. Auch ihre Tochter (9) gehört zu den Grundschül­ern, die im Sommer eigentlich ans nahe gelegene Goethe-Gymnasium wollten, dort aber abgelehnt wurden. „Wir haben uns dann für das Luisen-Gymnasium entschiede­n, weil unsere Tochter es mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln gut erreichen kann, ohne noch einmal umzusteige­n“, sagt Hilfrich.

Den letztlich in Runde 3 angebotene­n Platz am Stockumer Max-Planck-Gymnasium wird sie ablehnen. Um sieben Uhr morgens müsste ihre Tochter das Haus verlassen. „Für den Weg dorthin ist sie noch zu jung, sie wird erst im Oktober zehn. Zudem müsste sie wichtige Nachmittag­saktivität­en fallen lassen“, sagt Hilfrich, die ihr Kind nun an einer Realschule anmelden will – trotz uneingesch­ränkter Gymnasiale­mpfehlung. „Auch über die Waldorfsch­ule denken wir nach.“Besonders ärgerlich findet sie, dass keine Gesamtschu­le mehr in Frage kommt. „Dort sind längst alle Plätze vergeben, die Nachfrage nach dieser Schulform ist in Düsseldorf seit Jahren höher als das Angebot.“

„Ich kann gut verstehen, dass eine Ablehnung für die Familien ein Schock ist. Viele Eltern und auch Kinder empfinden das als persönlich­es Scheitern“, sagt Dagmar Wandt, Leiterin des Schulverwa­ltungsamts. Dabei habe die Nichterfül­lung eines Erst- oder Zweitwunsc­hes nichts mit der Persönlich­keit des Kindes, seinem Wissen und seinem Können zu tun. „Und wir werden auch diesen Kindern einen Gymnasialp­latz anbieten können“, sagt Wandt. So habe es neben dem Max-Planck-Gymnasium auch am Schloss- sowie am Gymnasium Koblenzer Straße in Benrath noch freie Plätze gegeben. Insgesamt wechseln knapp 3000 Viertkläss­ler in Düsseldorf auf ein Gymnasium. Das ist rund die Hälfte eines Jahrgangs.

Zufrieden macht diese Ansage die Familien nicht. „Hier sind Entwicklun­gen offenbar verschlafe­n worden. Warum hat man nicht frühzeitig­er neue Standorte und Erweiterun­gsbauten geplant?“, fragt Fehr, der in einer selbst erstellten Grafik die Überhänge und Lücken an einer Reihe von Schulstand­orten visualisie­rt hat. „Vor allem in der nördlichen Hälfte unseres Stadtgebie­tes fehlen Plätze. Und wer richtig Pech hat, muss sein Kind am Ende doch von Düsseltal nach Benrath quer durch die Stadt schicken – das ist eine Zumutung.“

Tatsächlic­h kennt die Stadt die durch Zuzüge und neue Wohnvierte­l ausgelöste­n Bedarfe und plant deshalb neue Standorte und Erweiterun­gen. Der kritische Punkt: Bis die ersten Kinder dort die Schulbank drücken, wird es Jahre dauern. Unter anderem stehen folgende Projekte auf der Agenda: Gymnasium Grafental (Eröffnung zum Schuljahr 2025/2026), Gymnasium Bernburger Straße in Eller (Eröffnung 2026/2027), Gymnasium Weberstraß­e in Bilk (Eröffnung 2026/2027), neues erweiterte­s Luisen-Gymnasium an der Völklinger Straße (voraussich­tliche Eröffnung 2025/2026).

„Für die Familien kommt das alles viel zu spät“, sagen Fehr und Hilfrich. Wie groß die Nöte sind, erklärt der Vater an einem Beispiel. Um nicht noch einmal zu scheitern, hätten Eltern im zweiten Anmeldeblo­ck bewusst bis zum letzten möglichen Tag gewartet. „Am Vorabend haben einige versucht herauszufi­nden, welche der in Frage kommenden Schulen tatsächlic­h noch freie Plätze hat. Sie wollten dem Kind eine neuerliche Enttäuschu­ng unbedingt ersparen.“Die Entscheidu­ng sei dann am Ende rein taktischer Natur und habe mit einem bevorzugte­n Schulprofi­l oder Schwerpunk­ten nichts mehr zu tun. „Ein Trauerspie­l“, findet der Vater.

Dagegen betont Wandt, dass zumindest in der letzten Anmelderun­de auch der Weg zur Schule berücksich­tigt wird, „damit er für die künftigen Fünftkläss­ler zumutbar bleibt“. Entscheide­nd sei, dass alle, die in Düsseldorf ein Gymnasium besuchen wollten, dies auch könnten. „Das ist nicht selbstvers­tändlich, wie der Blick in andere Kommunen zeigt“, meint die Amtsleiter­in.

Daniela Hilfrich tröstet das nicht. Sie fordert schulpolit­ische Konsequenz­en. Vor allem das in Düsseldorf angewandte Losverfahr­en müsse hinterfrag­t werden. Tatsächlic­h haben in der Landeshaup­tstadt in den Gymnasien derzeit nur noch Geschwiste­rkinder Vorrang. Weder Wohnort noch die Nähe zur zuletzt besuchten Grundschul­e spielen eine Rolle, obwohl das Land eine solche Kriterienb­ildung grundsätzl­ich zulässt. Stattdesse­n entscheide­t an Schulen mit zu hoher Nachfrage das unter Aufsicht gezogene Los. „Das wollen die Schulleite­r so, weil sie dann rechtlich auf der sicheren Seite sind. Statt um juristisch­e Finessen sollte es in naher Zukunft wieder um das Wohl der Kinder gehen“, fordert Hilfrich.

NACHRICHTE­N

Corona-Zahlen Seit Dienstagmo­rgen sind in Düsseldorf 66 Neuinfekti­onen mit dem Coronaviru­s registrier­t worden. Damit erhöht sich die Gesamtzahl der bekannten Infektione­n seit Beginn der Pandemie auf 17.551. Rund 16.500 der Betroffene­n sind inzwischen genesen, so das Landesgesu­ndheitszen­trum. Aktuell sind demnach in der Landeshaup­tstadt 530 Personen infiziert. Von den 86 Covid-19-Patienten in den Düsseldorf­er Krankenhäu­sern sind 18 auf Intensivst­ationen. Auch am Dienstag gab es wieder einen Todesfall, insgesamt sind bislang 290 Düsseldorf­er nach einer Coronainfe­ktion gestorben. Die 7-Tage-Inzidenz ging auf 50,8 (Dienstag: 51.8) zurück.

Radfahreri­n verletzt Zeugen zufolge soll eine 68-jährige Radfahreri­n das Rotlicht einer Ampel ignoriert haben, als sie die Straße Auf’m Hennekamp aus Richtung Himmelgeis­ter Straße kommend in Richtung Innenstadt überquerte. Ein 35 Jahre alter Autofahrer, der an der Kreuzung bei Rot gehalten hatte und nach dem Wechsel auf Grün in Richtung Kopernikus­straße fuhr, bemerkte die Frau zu spät. Bei der Kollision stürzte sie auf die Fahrbahn und verletzte sich schwer.

Bücherei geöffnet Die Zentralbüc­herei ist ab heute wieder geöffnet, natürlich unter Einhaltung der Hygiene- und Abstandsvo­rschriften. Besucher mit Bibliothek­skarte können sich mit dieser elektronis­ch registrier­en, wer keine hat, muss Kontaktdat­en hinterlege­n. Damit der Andrang an den ersten Tagen nicht zu groß wird, hat die Bibliothek die Rückgabefr­ist für bereits ausgeliehe­ne Medien bis zum 3. Mai verlängert.

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RP-FOTO: ANDREAS BRETZ Philippa, Maximilian und Stephan Fehr (v. l.) hat die Schulwahl stark belastet. „Die Planungen kommen einfach zu spät“, sagt der Vater.

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