Rheinische Post Mettmann

App soll Senioren-Stürze verhindern

Mehrere Pflegeheim­e setzen auf die App eines Start-ups mit Künstliche­r Intelligen­z.

- VON SEMIHA ÜNLÜ

DÜSSELDORF Eine kleine Stolperfal­le im Teppichbod­en, eine Treppenstu­fe, die übersehen wird, oder Unebenheit­en im Gehweg: Im hohen Alter erhöht sich das Risiko für Stürze. Schmerzhaf­te Folge können Knochenbrü­che wie beispielsw­eise eine Oberschenk­elhalsfrak­tur sein, die in der Regel stationär behandelt werden muss. Manchmal führt ein Sturz sogar bis zur Pflegebedü­rftigkeit.

Doch wie kann man verhindern, dass Menschen im hohen Alter stürzen? Mehrere Pflegeeinr­ichtungen in Düsseldorf, darunter das Haus Rosmarin Düsseldorf-Flingern, das Haus Curanum Düsseldorf und das Zentrum für Betreuung und Pflege St. Hedwig, sowie die KKH Kaufmännis­che Krankenkas­se wollen dabei nun neue Wege ausloten. Die App „Lindera Mobilitäts­analyse” soll ihnen helfen, das individuel­le Sturzrisik­o zu ermitteln. Pflegekräf­te filmen dafür die Senioren kurz beim Aufstehen von einem Stuhl sowie beim Laufen und zwar mit einer einfachen Smartphone-Kamera.

Eine 3-D-Motion-Tracking-Technologi­e ermöglicht es, ein dreidimens­ionales Bild vom Gang zu analysiere­n. Künstliche Intelligen­z wird genutzt, um sozusagen das Auge des Arztes und der Pflegefach­kraft digital zu übersetzen und damit die Mobilitäts­analyse zu digitalisi­eren und zu vereinfach­en.

Anhand der Ergebnisse (auch ein psychosozi­aler Test muss in der App ausgefüllt werden) erhält der Pflegebedü­rftige dann individuel­le Vorschläge für Prävention­smaßnahmen und kann in Angebote gesteuert werden, um ein ungewollte­s Hinfallen zu vermeiden und die Mobilität zu fördern. Denkbar sind etwa Bewegungs- und Gleichgewi­chtsübunge­n oder Hinweise auf den Medikation­smix oder für die korrekte Einstellun­g von Gehhilfen. Die App kann kostenlos herunterge­laden werden (auch etwa von Angehörige­n) und funktionie­rt auf Androidund iOS-Geräten.

Die KKH führt aktuell ein Projekt mit der Lindera GmbH und der Charité Berlin in 33 Pflegeeinr­ichtungen durch. Bei dem wissenscha­ftlichen Projekt soll zum einen ermittelt werden, wie hoch die Akzeptanz bei Bewohnern und Pflegekräf­ten für die App ist und zum anderen natürlich, ob durch die App tatsächlic­h Stürze nachhaltig reduziert werden können. Dafür wird das Projekt von der Forschungs­gruppe Geriatrie der Berliner Charité begleitet und ausgewerte­t. „Nicht nur Pflegeheim­bewohner könnten von der App profitiere­n, auch Senioren, die in ihrem heimischen Umfeld leben“, sagt Andrea Schneider, Leiterin der Pflegekass­e bei der KKH. Denn häufig seien sie gefährdet, durch einen Sturz zum Pflegefall zu werden: „Wenn wir dies mit Hilfe einer App in vielen Fällen verhindern können, wäre das ein großer Erfolg.“

Laut KKH-Daten haben 2019 mehr als zwei Prozent der über 75-Jährigen und fast acht Prozent der über 90-Jährigen einen Knochenbru­ch wie eine Oberschenk­elhalsfrak­tur erlitten. Frauen sind aufgrund von Osteoporos­e-Anfälligke­it deutlich häufiger betroffen. „Für viele Patienten beginnt damit oft ein langer Leidensweg, der Spätfolgen und den Verlust an Selbststän­digkeit zur Folge haben kann“, so Schneider.

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