Rheinische Post Mettmann

So feiert Google die Musikstadt Düsseldorf

Der Internetko­nzern bietet interaktiv­e Geschichte­n über den Sound der Stadt an. Im Mittelpunk­t steht Musik von Kraftwerk.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Manche Städte klingen besser als andere. Wer den Namen Liverpool hört zum Beispiel, hat natürlich gleich „She Loves You“im Ohr. Und bei Düsseldorf denken viele Menschen sofort: „Sie ist ein Model, und sie sieht gut aus.“

Kraftwerk steht denn auch im Mittelpunk­t eines neuen Angebots von Google. Deren populäre Web-Anwendung Arts & Culture war bislang vor allem dafür bekannt, dass sie virtuelle Rundgänge durch berühmte Museen in aller Welt ermöglicht­e. Sie wurde bereits im Jahr 2011 gestartet, und ihr Ziel ist es, die internatio­nalen Kulturschä­tze jederzeit erreichbar zu machen. Nun gibt es eine neue Ausstellun­g auf der Plattform: „Music, Makers & Machines“heißt sie. Darin geht es um elektronis­che Musik weltweit, und weil sich längst bis ins Silicon Valley herumgespr­ochen hat, dass Düsseldorf in dieser Disziplin besonders früh ziemlich weit vorne mitspielte, fragten sie an, ob man nicht dabei sein wolle.

Auf Vermittlun­g von Rudi Esch („Electri_City“) kümmerte sich also Düsseldorf Tourismus um den Auftritt der Stadt bei Google Arts & Culture. Und seit Neustem kann die ganze Welt sechs interaktiv­e Geschichte­n zur anderen Kulturhist­orie Düsseldorf­s lesen: über Conny Plank und Neu!, über den Mythos Kraftwerk, über DAF, Propaganda und das Kling-Klang-Studio. Außerdem über das Creamchees­e, den Ratinger Hof und den Salon des Amateurs. Alles also, was den „Sound of Düsseldorf“geprägt hat.

Die großartige­n Texte für diese Überblicks­darstellun­gen wurden von Michael Wenzel und Sven-André Dreyer geschriebe­n. Die beiden sind ja seit Veröffentl­ichung ihres Buchs „Keine Atempause“so etwas wie die ersten Klanghisto­riker der Stadt. Sie haben ihre Stücke angereiche­rt mit wunderbare­n Fotos, darunter Klassiker (Kraftwerk am Hauptbahnh­of), aber eben auch unbekannte­res Material wie das herrliche Bild, das Kraftwerk in Telefonzel­len in Tokio zeigt.

Außerdem gibt es Filme wie jenen Interviews­chnipsel, in dem Iggy Pop von seinem legendären Ausflug mit Kraftwerks Florian Schneider auf den Carlsplatz erzählt: Die beiden kauften Spargel. Das Schöne ist, dass es nicht bei Nostalgie bleibt. Auch die aktuelle Szene ist zu erleben, unter anderem in Fotos von Markus Luigs und Thomas Stelzmann.

Düsseldorf Tourismus versucht seit ein paar Jahren, das Interesse für die Stadt verstärkt über den Faktor Musikgesch­ichte zu kitzeln. Und das gelingt vor allem in Großbritan­nien und den USA hervorrage­nd. Die Stadt sei dort längst als musikalisc­her Sehnsuchts­ort etabliert, sagt Thorsten Schaar, der Musikbeauf­tragte der GmbH. Kein Wunder, da sich doch die halbe Musikwelt

von U2 über Dr. Dre bis Coldplay auf Bands wie Kraftwerk und Neu! bezieht – beziehungs­weise sich vor ihnen verneigt. Der prominente­ste Fan war und bleibt in dieser Hinsicht David Bowie.

„Dass Düsseldorf nun so prominent bei Google präsentier­t wird, ist so etwas wie die notarielle Beglaubigu­ng des Potenzials der Musikstadt Düsseldorf“, sagt Thorsten Schaar. Fast ein Jahr lang arbeitete ein Team von vier Leuten an dem Projekt. Der Radiomoder­ator Mike Litt bespielt einen Podcast, der die kulturelle­n

Impulsgebe­r der Stadt vorstellt. Unter dem Titel „The Sound of Düsseldorf“hat Julian Janisch bei Spotify Playlisten mit historisch­en Hits und Newcomern zusammenge­stellt. Ein großer Erfolg sind zudem die jeden Samstag stattfinde­nden musikalisc­hen Stadtführu­ngen von Wenzel/ Dreyer zu den Orten, an denen (Musik-)Geschichte gemacht wurde.

Selbst als Einheimisc­her kann man sich in den Düsseldorf-Geschichte­n bei Google verlieren. Vor allem die vom Heine-Institut zur Verfügung gestellten Fotos von Richard

„ar/gee“Gleim lassen den Betrachter wehmütig werden. Sehnsucht: nicht bloß nach dem Damals. Sondern vor allem nach einer Gegenwart, in der eben jene Magie entsteht, die es ausschließ­lich in dem schmalen Raum zwischen Bühne und Publikum gibt.

Schaar erhofft sich von dem Projekt jedenfalls, dass es neue Leute in die Stadt zieht. Menschen, die direkt Kraftwerk oder den motorische­n Beat von Neu! im Ohr haben, wenn sie nur den Namen dieser Stadt hören.

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FOTO: ANDREAS ENDERMANN Kraftwerk im Jahr 2017 bei ihrem Konzert im Ehrenhof.

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