So feiert Google die Musikstadt Düsseldorf
Der Internetkonzern bietet interaktive Geschichten über den Sound der Stadt an. Im Mittelpunkt steht Musik von Kraftwerk.
DÜSSELDORF Manche Städte klingen besser als andere. Wer den Namen Liverpool hört zum Beispiel, hat natürlich gleich „She Loves You“im Ohr. Und bei Düsseldorf denken viele Menschen sofort: „Sie ist ein Model, und sie sieht gut aus.“
Kraftwerk steht denn auch im Mittelpunkt eines neuen Angebots von Google. Deren populäre Web-Anwendung Arts & Culture war bislang vor allem dafür bekannt, dass sie virtuelle Rundgänge durch berühmte Museen in aller Welt ermöglichte. Sie wurde bereits im Jahr 2011 gestartet, und ihr Ziel ist es, die internationalen Kulturschätze jederzeit erreichbar zu machen. Nun gibt es eine neue Ausstellung auf der Plattform: „Music, Makers & Machines“heißt sie. Darin geht es um elektronische Musik weltweit, und weil sich längst bis ins Silicon Valley herumgesprochen hat, dass Düsseldorf in dieser Disziplin besonders früh ziemlich weit vorne mitspielte, fragten sie an, ob man nicht dabei sein wolle.
Auf Vermittlung von Rudi Esch („Electri_City“) kümmerte sich also Düsseldorf Tourismus um den Auftritt der Stadt bei Google Arts & Culture. Und seit Neustem kann die ganze Welt sechs interaktive Geschichten zur anderen Kulturhistorie Düsseldorfs lesen: über Conny Plank und Neu!, über den Mythos Kraftwerk, über DAF, Propaganda und das Kling-Klang-Studio. Außerdem über das Creamcheese, den Ratinger Hof und den Salon des Amateurs. Alles also, was den „Sound of Düsseldorf“geprägt hat.
Die großartigen Texte für diese Überblicksdarstellungen wurden von Michael Wenzel und Sven-André Dreyer geschrieben. Die beiden sind ja seit Veröffentlichung ihres Buchs „Keine Atempause“so etwas wie die ersten Klanghistoriker der Stadt. Sie haben ihre Stücke angereichert mit wunderbaren Fotos, darunter Klassiker (Kraftwerk am Hauptbahnhof), aber eben auch unbekannteres Material wie das herrliche Bild, das Kraftwerk in Telefonzellen in Tokio zeigt.
Außerdem gibt es Filme wie jenen Interviewschnipsel, in dem Iggy Pop von seinem legendären Ausflug mit Kraftwerks Florian Schneider auf den Carlsplatz erzählt: Die beiden kauften Spargel. Das Schöne ist, dass es nicht bei Nostalgie bleibt. Auch die aktuelle Szene ist zu erleben, unter anderem in Fotos von Markus Luigs und Thomas Stelzmann.
Düsseldorf Tourismus versucht seit ein paar Jahren, das Interesse für die Stadt verstärkt über den Faktor Musikgeschichte zu kitzeln. Und das gelingt vor allem in Großbritannien und den USA hervorragend. Die Stadt sei dort längst als musikalischer Sehnsuchtsort etabliert, sagt Thorsten Schaar, der Musikbeauftragte der GmbH. Kein Wunder, da sich doch die halbe Musikwelt
von U2 über Dr. Dre bis Coldplay auf Bands wie Kraftwerk und Neu! bezieht – beziehungsweise sich vor ihnen verneigt. Der prominenteste Fan war und bleibt in dieser Hinsicht David Bowie.
„Dass Düsseldorf nun so prominent bei Google präsentiert wird, ist so etwas wie die notarielle Beglaubigung des Potenzials der Musikstadt Düsseldorf“, sagt Thorsten Schaar. Fast ein Jahr lang arbeitete ein Team von vier Leuten an dem Projekt. Der Radiomoderator Mike Litt bespielt einen Podcast, der die kulturellen
Impulsgeber der Stadt vorstellt. Unter dem Titel „The Sound of Düsseldorf“hat Julian Janisch bei Spotify Playlisten mit historischen Hits und Newcomern zusammengestellt. Ein großer Erfolg sind zudem die jeden Samstag stattfindenden musikalischen Stadtführungen von Wenzel/ Dreyer zu den Orten, an denen (Musik-)Geschichte gemacht wurde.
Selbst als Einheimischer kann man sich in den Düsseldorf-Geschichten bei Google verlieren. Vor allem die vom Heine-Institut zur Verfügung gestellten Fotos von Richard
„ar/gee“Gleim lassen den Betrachter wehmütig werden. Sehnsucht: nicht bloß nach dem Damals. Sondern vor allem nach einer Gegenwart, in der eben jene Magie entsteht, die es ausschließlich in dem schmalen Raum zwischen Bühne und Publikum gibt.
Schaar erhofft sich von dem Projekt jedenfalls, dass es neue Leute in die Stadt zieht. Menschen, die direkt Kraftwerk oder den motorischen Beat von Neu! im Ohr haben, wenn sie nur den Namen dieser Stadt hören.