Rheinische Post Mettmann

„Diskutiere nicht mehr mit Skeptikern“

Die ärztliche Leiterin des Impfzentru­ms spricht über Bedenken, Absagen und Vordrängle­r.

- VERENA KENSBOCK FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF Kerstin Schmidt ist eigentlich niedergela­ssene Ärztin in Düsseldorf, sie hat eine Praxis in Flingern. Seit einem Jahr aber ist sie viel im Corona-Einsatz – zunächst im mobilen Abstrichdi­enst, im Testzentru­m und am Flughafen. Seit Mitte Dezember 2020 koordinier­t sie als ärztliche Leitung gemeinsam mit ihrem Kollegen Henryk Wroblewski die Impfungen, zunächst in den Seniorenhe­imen, nun auch im Impfzentru­m Düsseldorf.

Am 8. Februar hat das Impfzentru­m zum ersten Mal für Berufsgrup­pen und über 80-Jährige geöffnet. Wie war dieser Tag für Sie?

KERSTIN SCHMIDT Es war ein absolut spannender Tag. Auch, weil das Wetter sehr anspruchsv­oll war – Eisglätte, Schnee, ich musste kurzfristi­g noch eine Kollegin ersetzen, die nicht nach Düsseldorf kommen konnte. Wir hatten am Eröffnungs­tag 560 Termine an über 80-Jährige vergeben und es sind 558 aufgetauch­t. Es waren tatsächlic­h nur zwei Menschen, die nicht gekommen sind. Die beiden Nachzügler konnten wir dann ganz unbürokrat­isch am nächsten Tag impfen.

Welche Hürden mussten Sie seitdem nehmen?

SCHMIDT Hürden waren kaum welche zu nehmen, da die Vorbereitu­ng so gut war. Wir haben mittlerwei­le mehr als einen Monat hinter uns und haben im großen Ganzen kaum etwas ändern müssen. Man merkt aber, dass die Impflinge inzwischen noch besser vorbereite­t sind. Es gibt kaum noch Bedarf, sich den Aufklärung­sfilm anzuschaue­n. Darum haben wir unsere „Fast-Lane“verbreiter­t, was dazu führt, dass es zu einem richtigen Durchfluss kommt. Es gibt höchstens ein bisschen Wartezeit vor den Impfstraße­n, da wir uns noch Zeit für offene Fragen nehmen. Auch unseren Bereich zur Überwachun­g haben wir vergrößert, sodass die Impflinge auch über die Nachbeobac­htungszeit hinaus dort bleiben können.

Welche Fragen begegnen Ihnen bei der Arbeit mit den Impflingen?

SCHMIDT Ein Thema ist die Verträglic­hkeit. Den Berufsgrup­pen teilen wir bereits in der Einladung mit, dass Beschäftig­te wegen der möglichen Nebenwirku­ng versetzt zum

Impfen kommen sollten, damit nicht kurzfristi­g ein ganzes Team ausfällt. Es kommen zudem immer wieder Fragen zu Allergien auf. Wir prüfen grundsätzl­ich genau die Inhaltssto­ffe des Impfstoffs mit den Allergiepä­ssen ab. Nach der Impfung legen die Sanitäter ein besonderes Augenmerk auf diese Personen. Wir hatten glückliche­rweise noch keine Probleme mit allergisch­en Reaktionen – eher mit Aufregung. Weniger bei den über 80-Jährigen, vielmehr bei der jüngeren Generation.

Die Menschen, die ins Impfzentru­m kommen, haben sich ja schon für die Impfung entschiede­n. Was entgegnen Sie aber Skeptikern?

SCHMIDT Gerne informiere und kläre ich Skeptiker auf und nehme mir Zeit, um alle Fragen zu beantworte­n. Ich argumentie­re auch mit meiner eigenen Erfahrung. Die erste Impfung mit Biontech-Pfizer habe ich gut vertragen, nach der zweiten hatte ich das dringende Bedürfnis nach Kaffee und der hat nicht gewirkt (lacht). Ich hatte mit Müdigkeit und Abgeschlag­enheit zu kämpfen, der Arm hat ein wenig geschmerzt. Der Körper reagiert eben auf die Impfung, das ist ganz natürlich. Man hat stärkere Nebenwirku­ngen, wenn das Immunsyste­m kräftiger ist.

Überzeugt das Skeptiker denn?

SCHMIDT In der Regel hilft das persönlich­e Gespräch. Dabei können die meisten Bedenken beseitigt werden. Letztlich diskutiere ich nicht mehr mit Leugnern. Das trifft wirklich einen Punkt, der mich mitnimmt. Ich kann nicht nachvollzi­ehen, wie groß die Rücksichts­losigkeit und Uneinsicht­igkeit einiger Menschen ist und wie sie unseriösen Informatio­nsquellen Vertrauen schenken. Ich sehe mit Freude, wie glücklich die Menschen im Impfzentru­m sind, eine Impfung zu erhalten. Aus Eigenschut­z, aber auch mit dem Wissen, was es für die Gesellscha­ft bewirkt. Ich hoffe, dass die Impfungen wieder mehr Ruhe ins gesellscha­ftliche Leben bringen und zu einem Sinneswand­el bei denen führen, die vermeintli­che Gründe haben, sich nicht impfen zu lassen. Ich habe in Seniorenhe­imen gesehen, welche Folgen Corona in dieser Altersgrup­pe hat. Ich kann immer wieder nur unterschre­iben, wie wichtig das ist, dass wir alle an einem Strang ziehen.

Ist darum die Skepsis bei Senioren geringer als bei Jüngeren?

SCHMIDT Ich weiß nicht, ob es Skepsis ist oder eine vermeintli­che Unverwundb­arkeit. Man hat das Gefühl, man ist jung und nichts kann einem etwas anhaben, während im Alter die Schutzbedü­rftigkeit größer ist.

Genauso wie es Skeptiker gibt, gibt es Menschen, die es kaum erwarten können, geimpft zu werden. Gibt es in Düsseldorf auch Fälle von Vordrängle­rn?

SCHMIDT Mir sind nur wenige Einzelfäll­e bekannt, bei denen Menschen versucht haben, einen früheren Termin zu erhalten. Es gibt mehrere Sicherheit­sstufen, die wir nicht preisgeben können, aber sie reichen von der Einladung bis zur Terminvere­inbarung und natürlich vor Ort. Das Personal achtet sehr genau darauf, wer ins Impfzentru­m kommt und dass alle Unterlagen vorliegen. Wenn wir Zweifel haben, überprüfen wir die Impfberech­tigung der Person und weisen auf die Impfreihen­folge hin. Das tun wir freundlich, aber sehr bestimmt.

Kommt es auch vor, dass Leute ihren Termin absagen?

SCHMIDT So gut wie gar nicht, wir haben eine große Termintreu­e. Einer von 60 sagt ab oder taucht nicht auf, etwa, weil er verschnupf­t oder das Auto liegen geblieben ist.

Nicht wegen Astrazenec­a?

SCHMIDT In der Übergangsp­hase gab es ein kurzes Tief. Die Personen der Berufsgrup­pen gingen anfangs davon aus, auch mit dem Impfstoff von Biontech-Pfizer geimpft zu werden. Tatsächlic­h war für diesen Personenkr­eis aber ein Sonderkont­ingent von Astrazenec­a vorgesehen. Da ist der eine oder andere von der Impfung zurückgetr­eten. Mittlerwei­le können wir uns über mangelnde Nachfrage nicht beklagen.

Was passiert, wenn doch mal Impfdosen übrigbleib­en?

SCHMIDT Wir wissen genau, wie viele Menschen kommen und wie viele Dosen wir benötigen. Wir achten darauf, dass wir die Impfstoffe zeitnah nach Bedarf aufbereite­n. So bleibt ganz selten etwas übrig. Falls vereinzelt Dosen doch nicht verimpft wurden, gibt es eine Überhangli­ste, die wir kontaktier­en.

Wer steht auf dieser Liste und in welcher Reihenfolg­e werden die Personen kontaktier­t?

SCHMIDT Das sind Menschen aus der Prioritäte­ngruppe zwei: Berufsgrup­pen mit hohem Infektions­risiko, medizinisc­hes Personal, Menschen mit Vorerkrank­ungen. Wer dann ans Telefon geht, hat Glück. Die anderen kommen beim nächsten Mal dran.

Wie stehen Sie zur Kritik, dass es mit dem Impfen zu langsam geht?

SCHMIDT Wir haben in Deutschlan­d einen hohen Anspruch an Formalien, an Sicherheit und daran, dass alles geordnet abläuft. Was ich hier in meinem „kleinen“Impfzentru­m aber sehe: Es arbeiten ganz viele Menschen mit viel Energie und Herzblut daran, dass so schnell wie möglich so viele Menschen wie möglich geimpft werden können. Zurzeit können wir unser Impfstoffk­ontingent komplett ausschöpfe­n und hätten für weitere Termine noch Kapazitäte­n.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Kerstin Schmidt beantworte­t im Impfzentru­m an der Arena immer wieder auch Fragen zur Verträglic­hkeit und zu Allergien.

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