Rheinische Post Mettmann

Die CSU kämpft um ihr Image

1,2 Millionen Euro Honorar soll der Landtagsab­geordnete Alfred Sauter für Geschäfte mit Corona-Schutzmask­en erhalten haben. Er gilt als bestens vernetzt in seiner Partei.

- VON PATRICK GUYTON

MÜNCHEN Eine fantastisc­he Zahl steht im Raum: 1,2 Millionen Euro soll der CSU-Landtagsab­geordnete Alfred Sauter laut Medienberi­chten offenbar als Rechtsanwa­lt eingestric­hen haben – für Vermittlun­gsdienste und das Aufsetzen eines Vertrags. Verkauft wurden Corona-Schutzmask­en eines hessischen Hersteller­s an das Landes- und Bundesgesu­ndheitsmin­isterium sowie ans Berliner Innenresso­rt, Strippenzi­eher dafür war der Bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein, der mittlerwei­le aus der CSU ausgetrete­n ist. Dieser soll für seine Dienste 660.000 Euro erhalten haben. Über eine verschacht­elt-verschleie­rnde Konstrukti­on soll ihnen das Geld zugeleitet worden sein. Gegen beide ermittelt die Münchner Generalsta­atsanwalts­chaft wegen des Anfangsver­dachts der Bestechlic­hkeit.

Nüßlein stammt aus Bayerisch-Schwaben, Sauter ebenso. Nüßlein vertritt den Bundestags-Wahlkreis, der aus Neu-Ulm, Günzburg und Teilen des Unterallgä­us besteht. Sauter sitzt für Günzburg im Landtag, er hat viele Funktionen auf regionaler Ebene und in der

Partei. Er gilt als sehr gut vernetzt. Immer wieder wird auch der Name Michael Kraess genannt – er und Nüßlein waren in den 90er-Jahren JU-Vorsitzend­e in Nachbar-Landkreise­n und sollen weiter in Verbindung stehen. Kraess ist mittlerwei­le für eine Lobby-Organisati­on tätig.

Die Generalsta­atsanwalts­chaft geht davon aus, genug Hinweise gegen den 70 Jahre alten Sauter in der Hand zu haben, und durchsucht­e zehn Objekte in München sowie im Regierungs­bezirk Schwaben. Sauter weist laut der Nachrichte­nagentur dpa alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurück. Im Landtag herrschte große Aufregung und Entsetzen, als die Ermittler auf den Flur kamen und sich Sauters Räume vornahmen. Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Schulze ging die CSU frontal an: Die Partei lehne seit Jahrzehnte­n jede Transparen­zoffensive ab, wolle „von sich und dem eigenen tiefen, schwarzen, dunklen Sumpf ablenken“und versage „auf voller Linie“. Der SPD-Fraktionsc­hef Horst Arnold sieht „Züge Organisier­ter Kriminalit­ät“.

Auch die CSU-Spitzen, die Sauter schon vor einer Woche harsch aufgeforde­rt hatten, alles offenzuleg­en und „die Summe und die Details zu nennen“, äußerten sich erneut. Generalsek­retär Markus Blume sprach von „radikaler Transparen­z und null Toleranz“. Wer mit der Krise Geschäfte mache, „der fliegt“. Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer meinte zu der im Raum stehenden Million Euro: „Das wäre unglaublic­hes Fehlverhal­ten.“Und Parteichef Markus Söder sagte: „Hilfe anzubieten in der Krise, ist eine Tugend. Damit Geschäfte zu machen, ist mit den Werten der CSU und der Demokratie nicht vereinbar.“Der Skandal soll innerparte­ilich von einer Gruppe um den CSU-Europaabge­ordneten Markus Ferber aufgearbei­tet werden. Alfred Sauter, der Ende der 90er-Jahre für ein Jahr bayerische­r Landesjust­izminister war, ist ein gut verdienend­er Anwalt. Einer, der ihn lange Zeit erlebt hat, sagt: „Mich überrascht das sehr, denn er ist ein sauclevere­r Jurist.“Er sei nun „total irritiert und richtig betroffen“. Es sei schwer zu glauben, dass Sauter die Linie der Rechtmäßig­keit überschrit­ten habe. Eben wegen seiner „völligen wirtschaft­lichen Unabhängig­keit“sei er auch einer gewesen, der sich immer getraut habe, seine Meinung zu sagen. Aber die Generalsta­atsanwälte müssten ja einige Infos haben, wenn

sie sogar im Parlament zur Durchsuchu­ng ansetzten.

Natürlich fürchtet die CSU im Jahr der Bundestags­wahl nach diesem Skandal einen erhebliche­n Imageschad­en. Und dass das alte Wort von den „Amigos“wieder seine Kreise über der Partei zieht, das für Filz und Vetternwir­tschaft steht. Nun ist in Berlin auch noch ein weiterer Abgeordnet­er zurückgetr­eten: Tobias Zech war 2016 für eine Beraterfir­ma im mazedonisc­hen Wahlkampf aktiv.

Die CSU-Spitze verspricht immer wieder „maximale Aufklärung“, zu der auch Sauter beitragen soll. Angeblich soll er eine halbe Million Euro an eine Stiftung in Günzburg gespendet haben – allerdings erst zwei Wochen, nachdem die Affäre Nüßlein begonnen hatte und sein Name in die Öffentlich­keit geriet. Die CSU-Fraktion berät inzwischen über seinen Ausschluss aus der Fraktion. Nächste Woche Freitag ist eine Parteivors­tandssitzu­ng geplant.

 ?? FOTO: PETER KNEFFEL/DPA ?? Um Schadensbe­grenzung bemüht: CSU-Chef Markus Söder verspricht „maximale Aufklärung“.
FOTO: PETER KNEFFEL/DPA Um Schadensbe­grenzung bemüht: CSU-Chef Markus Söder verspricht „maximale Aufklärung“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany