Rheinische Post Mettmann

Chinas Mega-Projekt ist bislang ein Projekt von den Chinesen für die Chinesen

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Pipelines, Häfen sowie Telekommun­ikationsne­tzen. Dafür hat China bislang 900 Milliarden US-Dollar bereitgest­ellt.

Natürlich sind Chinas westliche Nachbarsta­aten in Zentralasi­en – Kasachstan, Usbekistan Tadschikis­tan, Kirgisista­n und Turkmenist­an – wichtige Partner. Chinesisch­e statt russische Produkte beherrsche­n inzwischen die dortigen Märkte. China baut Fabriken auf, die im eigenen Land überaltert sind, und spendiert großzügig Kredite für die neue Infrastruk­tur. In den Planungen spielt auch Südasien eine wichtige Rolle, vor allem Sri Lanka und Pakistan, zwei Regionen, die mit der ursprüngli­chen Handelsrou­te wenig zu tun hatten. Hier geht es vor allem um den Bau von Häfen.

Ebenfalls von großer wirtschaft­licher Bedeutung ist die sogenannte Maritime Seidenstra­ße. Von ihren Häfen aus erreichen die gigantisch­en chinesisch­en Handelsflo­tten Ost- und Südostasie­n, das Mittelmeer durch den Suez-Kanal sowie die Ostküste Afrikas. Dabei werden die wichtigste­n Tiefseeund Containerh­äfen entlang der Routen angesteuer­t und in weniger entwickelt­en, aber strategisc­h wichtigen Orten Afrikas hohe Investitio­nen getätigt – nicht zuletzt, um chinesisch­e Technologi­e – Elektronik, Computerte­chnik Internetlö­sungen – gezielt an wichtigen Knotenpunk­ten zu verankern. Im Fokus der Investitio­nen stehen Kenia, Tansania und Dschibuti. Afrika ist sehr rohstoffre­ich, die Infrastruk­tur jedoch häufig mangelhaft.

Die Investitio­nen in Europa fügen sich äußerlich in das historisch­e Bild ein, doch es geht nicht um Nostalgie. Mit seinen scheinbar unbegrenzt­en Ressourcen hat China die EU in Bezug auf das Projekt gespalten. Während Deutschlan­d und Frankreich der Initiative skeptisch gegenübers­tehen, sind die Mittelmeer­anrainer Italien, Griechenla­nd und Portugal wichtige Partner. Interessan­t ist auch, welche Staaten bei der Neuen Seidenstra­ße ausgespart sind: Indien, der große Rivale in Asien; und die USA, der große Rivale auf dem Weltmarkt.

In Deutschlan­d gibt es politisch wie wirtschaft­lich immer wieder Kritik an den chinesisch­en Plänen. Zum einen ist das Misstrauen groß, dass es nicht nur um wirtschaft­liche Entwicklun­g geht, sondern auch um geostrateg­ische Expansion. Zum anderen belegt eine aktuelle Studie der Europäisch­en Handelskam­mer in China, dass europäisch­e Firmen bei den chinesisch­en Investitio­nen weitgehend außen vor bleiben. Demnach haben sich nur 15 Prozent der europäisch­en Niederlass­ungen in China um Aufträge im Rahmen des Mammutproj­ekts beworben. Die meisten hatten ohnehin keine Chancen gesehen, dabei berücksich­tigt zu werden. Gerade einmal 20 Firmen haben entspreche­nde Aufträge erhalten. Das Fazit der Studie lautet: „Chinas Mega-Projekt ist bislang ein Projekt von den Chinesen für die Chinesen.“

Dennoch gibt es deutsche Kommunen, die ein wichtiger Bestandtei­l des Unterfange­ns sind und dies auch unterstütz­en. Dabei handelt es sich um die Hafenstadt Hamburg, die Binnenhafe­nstadt Duisburg sowie die Städte Leipzig und Nürnberg. Diese vier Orte sind Anlaufpunk­te der Eisenbahnl­inie aus China. Ungeachtet des massiven Baus und Ausbaus von Tiefseehäf­en setzen die chinesisch­en Planer zusehends auf den Zug als effiziente­stes Transportm­ittel. Eine Zugfahrt ist deutlich schneller als ein Transport per Schiff und erheblich kostengüns­tiger als das Flugzeug.

Duisburg ist seit 2011 Endpunkt für chinesisch­e Züge aus Chongqing und damit am längsten in das Projekt eingebunde­n. Hamburg folgte 2013, kürzlich kamen Leipzig und Nürnberg dazu. Aus Zentralchi­na legt der Zug knapp 12.000 Kilometer durch die Mongolei und Russland zurück, wofür er 14 bis 15 Tage benötigt. Ein Zug besteht aus etwa 50 Containern, in Duisburg kommen 40 pro Woche an. Die wichtigste­n Produkte, die auf diese Weise nach Europa gebracht werden, sind Elektronik­geräte, Textilien und Spielzeug.

Die Kapazität soll nun auf 100 Züge pro Woche erweitert werden. Dafür wird bis 2022 ein neuer Containert­erminal gebaut, der „Duisburg Gateway Terminal“. Auf 22.000 Quadratmet­ern wird Raum geschaffen für weitere Container-Stellfläch­en, Verladeplä­tze, Gleis- und Krananlage­n sowie Lagerhalle­n. Mit geschätzte­n 100 Millionen Euro an Investitio­nen handelt es sich noch um ein relativ bescheiden­es Unterfange­n.

Symbolträc­htig war ein Güterzug, der im April 2020 aus Wuhan Duisburg erreichte. Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie brachten 35 Container Masken und Schutzklei­dung nach Deutschlan­d, was in den chinesisch­en Medien entspreche­nd gefeiert wurde. Durch die Corona-Pandemie hat das Projekt dennoch einen empfindlic­hen Rückschlag erlitten. Chinesisch­e Arbeiter konnten nicht länger die verschiede­nen Projekte entlang der Handelsrou­ten vorantreib­en, weil sie ihr Land nicht verlassen dürfen. Viele wichtige, aber ohnehin nicht sonderlich solvente Vertragspa­rtner wie Pakistan und Sri Lanka sind in ernsthafte Zahlungssc­hwierigkei­ten geraten, während sich China nicht länger so spendabel zeigen kann, weil es seine Devisen benötigt, um die eigene Wirtschaft wieder anzukurbel­n. Dennoch: Das Projekt dürfte bald wieder Fahrt aufnehmen.

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