„Die letzten zwölf Monate waren schon hart“
Die Mitgliederzahlen im Haaner TV sinken und damit auch die Einnahmen. Aktuell droht in 2021 ein Minus von über 75.000 Euro.
HAAN „Die letzten zwölf Monate waren schon hart, und sie haben sicherlich auch Schäden hinterlassen, die wir noch gar nicht sehen“, sagt Holger Weiss mit Blick auf die andauernde Corona-Krise. Gleichwohl setzt der Vorsitzende des Haaner TV auf eine positive Herangehensweise. „Der Vorstand und die Vereinsführung sind zuversichtlich, dass gesellschaftlich und im Verein die Krise überwunden wird und wir wieder zu einem normalen Sportangebot kommen“, sagt er.
Wann die ersehnte Normalität eintritt, ist momentan jedoch nicht abzusehen. Und so muss sich der größte Verein in der Gartenstadt zwangsläufig mit den negativen Folgen der Pandemie auseinandersetzen. „Wir wissen nicht, ob die Handballund Volleyball-Mannschaften oder die Tanzgruppen noch vollständig oder vielleicht zerfallen sind, wenn wir wieder anfgangen. Wir wissen auch nicht, ob sich Kinder und Erwachsene inzwischen anderen Themen zugewandt haben und wir den Sport erst wieder attraktiv
Vorsitzender Freiburger Kreis
machen und Mitglieder zurückgewinnen müssen“, stellt Weiss fest. Zumal die Aussicht auf weitere Lockerungen gerade im Sport aktuell nicht rosig ist. Holger Weiss mag mit den politischen Entscheidungsträgern nicht tauschen, sagt aber auch: „Es fällt schon schwer, Verständnis aufzubauen für Handlungsweisen und Strategien.“Unterstützung findet er bei Boris Schmidt, dem Vorsitzenden des Freiburger Kreises, einer Gemeinschaft von mehr als 180 Großvereinen in Deutschland. Schmidt fordert eine stärkere Berücksichtigung des Sports bei der Planung von Lockerungen und hält einen Strategiewechsel für notwendig. „Impfungen, Testungen und ein gutes Hygiene- und Schutzkonzept sind der richtige Weg aus der Pandemie“, betont er.
Wie viele andere Vereine in Deutschland auch kämpft der Haaner TV mit Problemen in der Mitgliederentwicklung. Gleichwohl hebt Holger Weiss erneut das Positive hervor: „Eigentlich sind wir glücklich, dass uns unsere Mitglieder zu großen Teilen treu geblieben sind.“In nackten Zahlen stellt sich die Gegenwart allerdings nicht ganz so rosig dar. Am 1. Januar 2021 zählte der HTV 2709 Mitglieder – im vereinseigenen Fitnesszentrum CityFit 668 –, freute sich zum 1. März 2021 sogar über einen Zuwachs auf 2857 Mitglieder (CityFit 729). Mit dem Beginn der Corona-Krise ging es jedoch stetig bergab. Am 1. Januar 2021 hielten nur noch 2395 Sportler dem Verein die Treue (CityFit 574). Zum 1. März 2021 sank die Mitgliederzahl gar auf 2389 (CityFit 567). In zwölf Corona-Monaten verzeichnete der Klub also ein Minus von 16 Prozent (CityFit minus 22 Prozent).
Eine Entwicklung, die den HTV durchaus zurückwirft. „2019 hatten wir lange stagnierende Zahlen, haben dann aber mit vielen und tollen Aktionen in den Abteilungen, beim Haaner Sommer, im
City Fit und beim Tag der offenen Tür bis Anfang 2020 rund 170 neue Mitglieder gewonnen und auch im ersten Quartal noch deutlich zugelegt“, berichtet Holger Weiss. Mit dem ersten Lockdown begann jedoch der Negativtrend, den Weiss aber nicht allein auf die Kündigungen zurückführt, vielmehr konstatiert er: „Was uns gefehlt hat, sind die neuen Mitglieder.“Denn in corona-freien Zeiten zählt der Verein rund 120 Neuzugänge pro Quartal. Zum Jahresende 2020 meldeten sich jetzt aber noch einmal 180 Mitglieder ab, „der stärkste Rückgang“,
wie Weiss anmerkt und spricht dabei von einer Folge des verlängerten November-Lockdowns. Der HTV-Vorsitzende betont: „Von Quartal zu Quartal wird es schwieriger.“
Auch pekuniär hinterlässt die Corona-Pandemie Spuren. Dabei zieht der HTV als eingetragener, gemeinnütziger Verein weiterhin die Mitgliedsbeiträge ein. Zwar sanken zwangsläufig die Ausgaben für Übungsleiterpauschalen, doch andere Kosten bleiben konstant hoch. So müssen die vereinseigenen Sportanlagen unterhalten werden, zudem gibt es eine Geschäftsstelle
und feste Mitarbeiter. „Wir haben keinem kündigen müssen“, berichtet Weiss. Während der HTV in 2020 aber noch auf Kurzarbeit verzichtete, hat er sie in diesem Jahr angemeldet. „Irgendwann hat man vieles aufgearbeitet: Die Räume sind gestrichen, die Grundstücke sind gepflegt“, erzählt er mit einem Schmunzeln.
Wirkt sich die Corona-Krise dauerhaft auf die Menge der Übungsleiter aus? „Das zählt zu den Schäden, die wir noch nicht erkennen können“, sagt Weiss und erläutert: „Wir wissen teilweise von unseren Kursleitern im CityFit oder unseren Übungsleitern, dass sie sich Alternativen suchen mussten und möglicherweise nicht mehr in dem Rahmen zur Verfügung stehen. Aber auch das werden wir erst feststellen, wenn das Sportangebot wieder starten kann. Vielleicht haben sie Alternativen und nicht mehr die Zeit – der Großteil der Übungsleiter ist ja Ehrenamtler.“
Trotz oder gerade wegen der traurigen Corona-Bilanz richtet Holger Weiss den Blick nach vorne. „Sobald wir wieder Sport anbieten können, werden wir die Mitglieder zurückgewinnen. Wir sind da guten Mutes, denn die Kinder sind ja noch da, ebenso die Erwachsenen und Pensionäre. Und es gibt die neu nach Haan gezogenen Bürger“, führt er aus. Wohlwissend: „Das wir nicht von jetzt auf gleich wie früher sein, da wir nicht direkt mit dem vollen Programm starten können.“Schon im vergangenen Jahr lief der Sport nur langsam an, mit drei oder fünf Sportlern pro Stunde im CityFit und fünf bis zehn Aktiven in den Übungsstunden der Abteilungen. Bei allem Optimismus gibt sich Weiss aber keinen
„Impfungen, Testungen und ein gutes Hygieneund Schutzkonzept sind
der richtige Weg aus der Pandemie“
Boris Schmidt
„Gerade Sportler sind in ihrem Trainingsbetrieb sehr diszipliniert und gewohnt, Rücksicht zu nehmen“
Holger Weiss
Vorsitzender Haaner TV
Illusionen hin: „Wir werden den einen oder anderen verloren haben, dem Joggen oder das Internetangebot reicht.“Zugleich aber setzt der Vorsitzende auf das Gemeinschaftsgefühl: „Die Menschen machen schon sehr gerne ihren Mannschaftssport.“Und dann ist da noch die Unterstützung durch Sponsoren. „Wir wissen nicht, inwieweit die uns weiter erhalten bleibt“, gesteht Holger Weiss.
Es gibt viele Gründe, weshalb der Freiburger Kreis fordert, dass dem Sport bei der Lockerung von Maßnahmen eine größere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. „Nicht nur gesundheitlich, sondern auch im Spiel- und Sozialverhalten der Kinder sind sichtbare Schäden erkennbar“, erklärt Weiss. Die beiden zentralen Fragen in der Lockdown-Diskussion: Inwieweit schaden Öffnungsmaßnahmen und inwieweit schaden Schließungsmaßnahmen? „Es ist immer ein Abwägungsprozsess. Gerade Sportler sind in ihrem Trainingsbetrieb sehr diszipliniert und gewohnt, Rücksicht zu nehmen und Anordnungen einzuhalten. Bei den Lockerungsmaßnahmen sind gerade die Vereine gut aufgestellt und können auf der gesundheitlichen und sozialen Seite etwas zurückgeben, was in den letzten Monaten verloren gegangen ist“, führt der HTV-Vorsitzende aus.