Polizei ächzt unter vielen Demonstrationen
Die Einsatzkräfte in Düsseldorf haben mit stetig mehr Versammlungen zu tun – vor allem mit Protesten gegen die Corona-Maßnahmen.
DÜSSELDORF Die Zahl der Demonstrationen in Düsseldorf steigt stetig. In den vergangenen zwei Jahren hat es in der Landeshauptstadt so viele angemeldete und durchgeführte Protestzüge und Kundgebungen gegeben wie in 20 Jahren nicht. 2019 und 2020 wurden jeweils mehr als 900 Versammlungen angemeldet und mehr als 700 haben tatsächlich stattgefunden. Um die Jahrtausendwende waren es noch 300 bis 400 Versammlungen jährlich, heißt es von der Polizei.
Auch im aktuellen Jahr könnte die Zahl auf einen Höchstwert hinauslaufen. Alleine bis Mitte März wurden bereits 200 Versammlungen angemeldet und 183 durchgeführt. Bleibt die Frequenz so hoch, könnte die Zahl der angemeldeten Demonstrationen auf 1000 steigen – und die Versammlungen werden somit zu einer großen Herausforderung für die Polizei in Düsseldorf.
Dabei finden sich vor allem gesellschaftliche Veränderungen immer auf den Straßen wieder: Einen großen Teil der aktuell stattfindenden Versammlungen machen die Corona-Demonstrationen aus – also Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung. Gruppen wie „Querdenken 211“oder die „Corona-Rebellen Düsseldorf“demonstrieren mehrmals wöchentlich, weil sie sich in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen. Der bislang größte Protestzug mit rund 4500 Teilnehmern zog im September durch die Landeshauptstadt. 2019 waren es vor allem die Klimaproteste der Gruppe „Fridays for Future“, die jeden Freitag auf die Straße gegangen ist. Nach einer sechsmonatigen Pause waren die Klimaschutz-Demonstranten am vergangenen Freitag erstmals wieder mit 500 Teilnehmern auf Fahrrädern in Düsseldorf unterwegs.
Mit einem besonders hohen Arbeitsaufwand seien Demonstrationen mit Gegenprotest verbunden, sagt Polizeisprecher Andreas Czogalla. Hier müssen Laufwege und
Plätze für Kundgebungen strikt voneinander getrennt werden, um Ausschreitungen zwischen den gegnerischen Parteien zu vermeiden. Besonders hoch sei das Konfliktpotenzial, wenn Rechts- und Linksradikale aufeinander treffen.
Generell würden für Protestzüge mehr Einsatzkräfte benötigt als für stehende Kundgebungen – Straßen müssen gesperrt und der Demonstrationszug begleitet werden.
Im vergangenen Jahr hat es in Düsseldorf 74 Protestzüge gegeben und 650 stehende Kundgebungen. Doch auch Demonstrationen, die gar nicht stattfinden, sind für die Polizei aufwendig. „Selbst bei Anmeldungen fangen wir an vielen Stellen an zu arbeiten“, sagt Czogalla. So findet für jeden Protest vorher ein Kooperationsgespräch statt, es werden Einsatzbefehle geschrieben, Einsatzkräfte eingeplant.
Dass einige Demonstrationen gar nicht erst stattfinden, ist zum Teil auch Taktik der Anmelder. So können Demonstranten viele Plätze und Wege reservieren und für einen Gegenprotest unzugänglich machen.
In ganz Nordrhein-Westfalen sind die Polizeien als Versammlungsbehörden für die Durchführung von Demonstrationen zuständig. Diese müssen zwar angemeldet, aber nicht genehmigt werden. Es findet jedoch immer ein Kooperationsgespräch mit Anmelder, Polizei und dem Ordnungsamt statt, bei dem die Machbarkeit und die Größe besprochen werden. Nur wenn es konkrete Hinweise darauf gibt, dass es bei einem Protest zu Gewalt kommen wird oder bei bekannten unzuverlässigen Anmeldern kann eine Versammlung untersagt werden. Das kommt aber, berichtet Czogalla, nur sehr selten vor. „Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut, das wir natürlich respektieren“, sagt der Polizeisprecher. „Die Hürde für ein Verbot ist unheimlich hoch.“
So hatte die Polizei in Düsseldorf etwa versucht, eine neue Form der Corona-Demonstration der „Querdenker“zu unterbinden. Diese ziehen seit einigen Monaten wöchentlich mit einem Autokorso durch die Stadt. Der Polizeipräsident Norbert Wesseler sieht hier vor allem ein Sicherheitsrisiko für Fußgänger. Das Verwaltungsgericht hat aber entschieden, dass keine konkrete Gefährdung gegeben sei – und die Auto-Demonstrationen weiter stattfinden dürfen.
Auch die Größe einer Versammlung lässt sich nicht beschränken, sie sind für alle offen. Die Ausnahme: Die Stadt kann aus Gründen des Infektionsschutzes die Teilnehmerzahl von Demonstrationen aktuell beschränken. Das städtische Ordnungsamt ist zudem für die Einhaltung der Corona-Maßnahmen bei Versammlungen zuständig. Gemäß der Corona-Schutzverordnung des Landes NRW gilt bei Versammlungen ab 25 Teilnehmern eine Maskenpflicht – auch unter freiem Himmel.