Rheinische Post Mettmann

Das Duell der ungleichen Chefs

In der Frage nach dem besseren Kanzlerkan­didaten der Union liegt Markus Söder vor Armin Laschet. Doch der ist geprägt von seinem Erfolg in NRW, als er lange hinter der SPD-Regierungs­chefin zurücklag und doch gewann. Ein spezielles Kalkül von Söder könnte

- VON GREGOR MAYNTZ UND JANA WOLF

BERLIN Zwischen Ostern und Pfingsten soll feststehen, wer als Kanzlerkan­didat für die Union ins Rennen geht. In diesem Punkt sind sich CDU-Chef Armin Laschet und CSUChef Markus Söder noch einig. Doch damit hört die Einigkeit der beiden Anwärter auch schon auf. Stattdesse­n dominieren gegenseiti­ge Sticheleie­n ihr Verhältnis. Und je näher die Entscheidu­ng rückt, desto schärfer werden sie.

Die jüngste Volte des bayerische­n Ministerpr­äsidenten in Richtung Laschet kam mitten in der angestrebt­en „Osterruhe“. Und beendete diese. Die Entscheidu­ng über die Kanzlerkan­didatur müsse eng mit Kanzlerin Angela Merkel abgestimmt werden, befand Söder. „Ein Unions-Kandidat kann ohne Unterstütz­ung von Angela Merkel kaum erfolgreic­h sein“, erläuterte Söder selbstbewu­sst. Dabei lässt der CSU-Chef keinen Zweifel daran, dass er sich auf der Seite der Kanzlerin sieht. Vielfach lobte er die Kanzlerin und ihre Krisenpoli­tik während der Pandemie. Und bereits beim politische­n Aschermitt­woch sagte er, „Merkel-Stimmen“gebe es nur mit „Merkel-Politik“. Damit bringt Söder weitere Unruhe in das Verhältnis der beiden Schwesterp­arteien.

In einem Punkt hat Söder recht: In der Corona-Politik fährt er mit seinem Ansatz von „Umsicht und Vorsicht“deutlich mehr auf dem strikten Kanzlerin-Kurs als sein nordrhein-westfälisc­her Amtskolleg­e. Laschet haftet dagegen nach wie vor das Bild an, im Krisenmana­gement den lockereren Weg zu verfolgen und lieber ein paar Tage abzuwarten, statt schnell und entschloss­en zu handeln. Die Kanzlerin sah sich in der „Anne Will“-Sendung vor gut einer Woche auf Nachfrage dann auch dazu veranlasst, Laschets Corona-Politik zu kritisiere­n.

In den objektiven Ergebnisse­n der Corona-Politik macht das Grenzland NRW im Vergleich mit dem Grenzland Bayern zumeist die bessere Figur: Prozentual weniger Infizierte, weniger Hotspots und weniger Verstorben­e. Doch in der Vermarktun­g ist der einstige Fernsehjou­rnalist Söder dem einstigen Zeitungsjo­urnalisten Laschet haushoch überlegen. Fast scheint es so, als hätte Laschet eine Sehnsucht nach Fettnäpfch­en, die ihn peinlich aussehen lassen. Söder wäre es nie passiert, in einer Zeit, in der die FFP2-Maske längst Standard geworden ist, als einziger mit schwach schützende­r OP-Maske vor den Medien im Testzentru­m unterwegs zu sein, wie es Laschet tat. Und er hätte in TV-Interviews auch zupackende Botschafte­n vermittelt und nicht, wie Laschet, angekündig­t, über Ostern erst einmal „nachdenken“zu wollen. Der Spott unter dem Stichwort „Laschet denkt nach“war ihm über Tage sicher.

Heraus kam eine verbale Kehrtwende. Zwar ist an seinem Vorschlag eines strikten „Brücken-Lockdowns“von zwei bis drei Wochen nichts neu außer der Name. Schließlic­h fordern Virologen und Gesundheit­sexperten seit vielen Wochen einen harten Lockdown für wenige Wochen, um die gefährlich­e dritte Corona-Welle zu brechen. Dennoch ist diese Forderung des CDU-Chefs neu. Der Druck des Pandemiege­schehens wurde zu groß, Laschet konnte seine abwartende Haltung nicht länger aufrechter­halten. Nun versucht er, seinen Kurswechse­l mit dem Brücken-Bild zu verschleie­rn. Genutzt hat ihm dieser Versuch bislang allerdings noch nicht.

Vor der Entscheidu­ng über die Kanzlerkan­didatur der Union liegt Söder in der Gunst der Bevölkerun­g mit 54 Prozent weiter deutlich vor Laschet mit 19. Während Söder diese Stimmungst­ests als „wichtigen Maßstab für die Akzeptanz von Personen und Programmen“sieht, winken Laschet und seine Vertrauten ab: Man könne Wahlen auch entgegen aller Prognosen gewinnen. Das habe Laschet mit seinem NRW-Sieg gegen die frühere SPD-Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft schließlic­h bewiesen. Damals bekam die rot-grüne Landesregi­erung schlechte Werte, und auf den letzten Metern konnte Laschets CDU an der SPD vorbeizieh­en. Der Trend geht derzeit jedoch in die andere Richtung. Wäre am Sonntag Bundestags­wahl, kämen CDU und CSU nur noch auf 27 Prozent (minus sieben Punkte).

Offiziell betonten beide, dass derjenige ins Rennen gehen solle, der die besten Erfolgsaus­sichten mitbringt. Am Dienstag erläuterte Laschet beiläufig, es werde nach dem

Kriterium entschiede­n, wer „in ganz Deutschlan­d“die größten Aussichten habe – ein Seitenhieb auf den Bayer. Zudem lässt Laschet keinen Zweifel daran, dass der Vorsitzend­e der größeren Schwesterp­artei den Erstzugrif­f hat.

Unbestritt­en ist allerdings auch, dass Söder ein Machtmensc­h ist, der seinen Wirkungskr­eis gerne ausgedehnt sieht. Anderersei­ts sind die schlechten Unions-Werte für Söder mit einem hohen Risiko verbunden. Würde es ihm im Falle einer Kanzlerkan­didatur nicht gelingen, die Union wieder zu besseren Werten zu führen, wäre auch sein eigenes gutes Standing in Gefahr. Anders als Laschet kann Söder als Chef der kleineren Schwesterp­artei die Kandidatur auch ablehnen. Das verschafft ihm in dieser angespannt­en Lage Beinfreihe­it. Laschet muss, Söder nicht. Und das weitet den Blick auf die naheliegen­de Motivation Söders: Sich bis zum Schluss als derjenige inszeniere­n, der der bessere Kanzlerkan­didat gewesen wäre, um dann im Falle eines Scheiterns von Laschet die unumstritt­ene Nummer eins für die Bundestags­wahl 2025 zu sein.

Vor der Klausur des Fraktionsv­orstandes am Sonntag erhöhte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt den Druck auf Laschet. Hieß es bislang stets, die K-Frage würden Söder und Laschet im persönlich­en Gespräch klären, meinte Dobrindt nun, das könne „nicht im Hinterzimm­er oder am Frühstücks­tisch ausgemacht werden“. Und dann der – sicherlich in Absprache mit Söder geplante – Angriff auf die bisherige Verabredun­g: „Da haben unsere Bundestags­abgeordnet­en in unserer gemeinsame­n Fraktion ein erhebliche­s Mitsprache­recht.“

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FOTO: MICHAEL KAPPELER, SVEN HOPPE / DPA Der CSU-Vorsitzend­e Markus Söder aus Bayern neben dem CDU-Vorsitzend­en Armin Laschet aus NRW (v.l.n.r.).

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