Warum die Notbremse ausblieb
Die Landeshauptstadt muss anders als viele andere Städte die Corona-Regeln noch immer nicht verschärfen. Der Grund dürfte allerdings nicht nur die Verbreitung des Virus sein. Jetzt greift die Regelung für mindestens eine weitere Woche nicht.
DÜSSELDORF Die Stadt Düsseldorf muss die Regeln zum Coronaschutz nicht verschärfen – und das war knapp. Für Freitag und Samstag hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) eine Inzidenz von etwas mehr als 100 gemeldet. Die Landesverordnung sieht vor, dass die Notbremse gezogen werden muss, wenn dieser Wert an drei aufeinanderfolgenden Tagen überschritten wird. Am Sonntag fiel er aber sozusagen in letzter Sekunde auf 97,4. Also doch keine Notbremse.
Es geht dabei um geringe Zahlenräume – aber große Auswirkungen für die Bürger. Die Notbremse bedeutet verschärfte Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum, ein Verbot von körpernahen Dienstleistungen und eine Beschränkung von vielen Einzelhandelsbranchen auf das Abholgeschäft. Es sind die strengeren Regeln, die vor den Lockerungen vom 8. März galten. In vielen Städten in NRW ist die Notbremse längst Alltag, von Krefeld über Wuppertal bis zum Kreis Mettmann liegt die Inzidenz teilweise deutlich über der 100er-Marke.
In Düsseldorf ist die Lage anders – und kurios. Die Inzidenz bewegt sich jetzt schon seit mehr als einer Woche um die Notbremsenhöhe. Am Montag vor einer Woche wurde der Grenzwert zum ersten Mal wieder überschritten, blieb allerdings nie für drei Tage im dreistelligen Bereich. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt, wie wenige Fälle dabei den Ausschlag geben. So meldet das RKI in den heute veröffentlichten Zahlen für Montag 71 bestätigte Neuinfektionen in Düsseldorf und damit insgesamt 613 für die letzten sieben Tage.
Zur Berechnung der Inzidenz wird diese Wochenzahl ins Verhältnis zur Bevölkerung gesetzt. Für Düsseldorf mit seinen rund 621.000 Einwohnern ergibt sich aus den insgesamt 613 Neuinfektionen die aktuelle Inzidenz von 98,6 gerechnet pro 100.000 Einwohner. Hätte das RKI in den letzten sieben Tagen nur neun weitere Neuinfektionen registriert – im Schnitt also nur etwas mehr als eine pro Tag –, wäre Düsseldorf doch wieder in der Notbremsenzone gelandet. 622 Neuinfektionen in der Woche würden den Wert knapp über 100 treiben.
Düsseldorf hat das Glück, dass die Zahl der Neuinfektionen bereits seit Monaten vergleichsweise gering ist. Die Werte in der Landeshauptstadt sind zwar seit Anfang März wie überall im Land deutlich gestiegen, liegen aber konstant unter Bundesund Landesschnitt. Die Stadt Köln, mit der sich die Düsseldorfer gern vergleichen, vermeldet derzeit sogar eine Inzidenz von 143,9. Warum das Coronavirus in Düsseldorf offenbar weniger verbreitet ist als anderswo, ist unklar.
Den entscheidenden Ausschlag könnte aber ein Faktor gegeben haben, der mit dem Virus nichts zu tun hatte: Ostern. Das RKI warnte in seinem Lagebericht am Dienstag, dass die Fallzahlen über die Feiertage trügerisch gering ausgefallen sein könnten, weil weniger Personen einen Arzt aufgesucht haben. Dazu kommt, dass die Behörden unter Umständen die Meldungen mit Verzug bearbeitet haben.
Auch das könnte einen entscheidenden Einfluss darauf gehabt haben, dass Düsseldorf dann doch gerade noch unter der Grenze geblieben ist. Mit den entsprechenden großen Auswirkungen für den Alltag. Über die Verbreitung des Virus würde das weniger aussagen als über die Schwächen der Landesverordnung – aber Vorgabe ist Vorgabe.
Daher wird sich der städtische Krisenstab bei seiner Sitzung am Mittwoch doch nicht mit der Frage befassen müssen, wie Düsseldorf mit der Notbremse umgeht. Die Kommunen können beim Land in diesem Fall die „Test-Option“beantragen. Das bedeutet, dass die Geschäfte für Kunden mit einem aktuellen Schnelltest offen bleiben dürfen. Der örtliche Einzelhandel würde das begrüßen.
Dieser Schritt wird aber erst frühestens in der kommenden Woche wieder Thema werden. So will es die Landesregierung. Denn wenn die Inzidenz wie in Düsseldorf geschehen wieder unter die Marke von 100 gefallen ist, beginnt die Zählung von Neuem. Wenn also am Mittwoch wieder ein Wert von mehr als 100 vermeldet würde, wären frühestens am Freitag die drei aufeinanderfolgenden Tage erreicht. Die Verordnung besagt, dass die Notbremse dann zwei Werktage später in Kraft tritt. Der Samstag zählt dabei nicht. Der frühestmögliche Termin wäre dann also der kommende Dienstag.
Die jüngsten Signale lassen allerdings Zweifel aufkommen, ob die Notbremsen-Regelung dann überhaupt noch besteht. Wenn der von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) erwogene „Brücken-Lockdown“kommen sollte, könnten auch die vergleichsweise guten Zahlen in der Landeshauptstadt keine Rolle mehr spielen.