Ärzte und Pfleger zusammen gegen Klima-Notfall
Klimaschutz ist Gesundheitsschutz, finden die Gründer der Düsseldorfer Ortsgruppe von „Health for future”. Sie sehen großen Handlungsbedarf.
DÜSSELDORF Die Gesundheit der Menschen ist weltweit in Gefahr, doch eben nicht nur wegen Corona. Die Klimakrise gefährde die Gesundheit der Menschen und das schon jetzt, meint Stefan Reuter. „Wenn das West-Nil-Virus nach Deutschland kommt oder Luftverschmutzung und Hitzewellen Tausende vorzeitige Todesfälle verursachen, sind wir gefragt. In Praxis oder Klinik, aber auch, indem wir öffentlich deutlich machen: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz”, sagt der Infektiologe und Internist.
Der 50-Jährige hat deswegen die Düsseldorfer Ortsgruppe der bundesweiten „Health for future” (H4F)-Initiative mitgegründet. Menschen unterschiedlichster Profession aus dem Gesundheitsbereich, darunter Ärzte, Pfleger, Medizin-Studierende der Uni Düsseldorf oder Apotheker, machen sich darin stark für den Klimaschutz. Bundesweit gibt es mehr als 50 solcher Gruppen, die eng zusammenarbeiten mit der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, die auch ein bürgerschaftliches Projekt von Menschen aus dem Gesundheitssektor ist.
„Mir ist 2019 durch wissenschaftliche Vorträge die Brisanz der Klimakrise so richtig bewusst geworden”, sagt Reuter. Er will sein medizinisches Wissen weitergeben und vermitteln, dass Luftverschmutzung und Erderwärmung unmittelbare Folgen für die Gesundheit jedes Einzelnen haben können: „Und zwar direkt hier in Deutschland, hier in Düsseldorf. Beispielsweise sterben jedes Jahr in der EU rund 400.000 Menschen an Krankheiten, die durch verschmutzte Luft verursacht werden. Auch bei uns.” Längst könne man die Folgen der Klimakrise sehen, unter anderem bei der Ausbreitung von Allergien und Infektionskrankheiten, bei Hitzewellen, durch Luftverschmutzung oder Naturkatastrophen.
Als Infektiologe und Krankenhaushygieniker
sieht er die Prävention von Krankheiten als wichtigen Aspekt seiner Arbeit: „Durch Impfungen vermeiden wir Krankheiten. In der Hygiene verhindern wir die Übertragung von Keimen, zum Beispiel durch Sterilisation von Operationsbesteck und durch Händehygiene am Krankenbett.“Er sieht Parallelen zwischen Vorbeugung im Krankenhaus und Maßnahmen gegen die Klimakrise. „Um die Erderwärmung zu begrenzen, ist die CO2-Neutralität die vorrangige präventive Maßnahme. Dazu kann und muss auch der Gesundheitssektor einen Beitrag leisten, denn um kranken Menschen zu helfen, verbrauchen wir selbst eine Menge Energie und produzieren viel Müll.“
„Es gibt in Krankenhäusern auf fast allen Ebenen enorme Potenziale, Ressourcen zu sparen und etwas fürs Klima zu tun“, meint auch Alexander
Schönfeld, Facharzt für Anästhesiologie, der sich ebenfalls in der Gruppe engagiert. Er lässt sich im Zuge des Projekts „Klik green“zum „Klimamanager“ausbilden. Ziel ist es dabei, konkrete Klimaschutzziele für eine Einrichtung festzulegen, Maßnahmen zu planen und umzusetzen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass wir als Menschen im Gesundheitswesen eine ganz besondere Rolle in der Gesellschaft haben. Die sollten wir auch dazu nutzen, die Menschen auf die Klimakrise aufmerksam zu machen“, meint etwa Lena Noack (24), Medizinstudentin an der Heinrich-Heine-Universität.
Die Düsseldorfer H4F-Gruppe setzt auf Aufklärung und Vorträge, um über den engen Zusammenhang von Klima- und Gesundheitsschutz zu informieren. Bislang vor allem digital, mit der neuen Website www. h4f-duesseldorf.de, bei regionalen Mediziner-Kolloquien und an der Uni Düsseldorf. Mitten in der Corona-Pandemie treffen sich die Mitglieder zurzeit vor allem vor dem Computer, um sich auszutauschen und Aktivitäten zu entwickeln. Im September 2020 zog die Gruppe aber auch etwa beim Klimastreiktag, den die Fridays for Future-Bewegung in Düsseldorf veranstaltete, mit durch die Innenstadt zum Landtag.
Vor wenigen Tagen hielt sie eine „Klima-Mahnwache“auf dem Gelände der Uniklinik ab.
Auch privat haben die Mitglieder im Sinne des Klima- und Umweltschutzes einiges verändert. „Das Verkehrschaos in NRW sowie die schlechte Luft durch den Autoverkehr haben mich zunehmend gestresst und belastet. Jetzt nutze ich für den Weg zur Arbeit öffentliche Verkehrsmittel und ein Klapp-Fahrrad. Mein Auto habe ich verkauft”, sagt Reuter. Obwohl sein Weg zur Arbeit in einer Klinik in Leverkusen jetzt etwas länger dauere, könne er die Zeit in der Bahn mit Lesen sinnvoll nutzen. Und das nächste Familienauto soll elektrisch und mit Ökostrom betrieben werden.
Kristin Hünninghaus, Assistenzärztin für Innere Medizin, hat an ihrem eigenen Kauf- und Konsumverhalten angesetzt, wie sie berichtet. „Ich habe auf vielen Ebenen meinen Konsum deutlich reduziert, kaufe insgesamt viel bewusster ein (lokaler, plastikfrei), ernähre mich vegan und fliege deutlich weniger.“Sie rät auch anderen dazu, die eigenen Gewohnheiten unter die Lupe zu nehmen. Jeden Tag sehe sie Patienten, die an einem metabolischen Syndrom wie Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes, erhöhten Blutfetten und den Folgeerkrankungen, zum Beispiel einem Herzinfarkt, erkrankt seien. „Diese Patienten verlieren Lebensqualität und leider meist auch Lebenszeit“, so die Medizinerin. Vielen Erkrankungen könnte aus ihrer Sicht etwa durch eine ausgewogenere Ernährung vorgebeugt werden, auch bei
der Therapie spiele das Thema eine wichtige Rolle, meint die 30-Jährige.
In Düsseldorf gibt es in Sachen Klimaschutz insgesamt noch viel zu tun, so die Erkenntnis der Initiative. „Ich als Fahrradfahrerin bin immer noch häufig erschrocken, wie schlecht in Düsseldorf die Infrastruktur für Fahrräder ausgebaut ist, und wie viel Wert auf den Autoverkehr gelegt wird“, sagt Lena Noack. Das führe „ganz naheliegend zu einer Gefährdung der Sicherheit aller Fahrradfahrenden und dann natürlich zu einer enormen Luftverschmutzung in der Innenstadt, die die Gesundheit aller gefährdet“. Sie setzt sich deswegen ein für eine bessere Radinfrastruktur, für verkehrsberuhigte Bereiche für Autos bis hin zu dem langfristigen Ziel einer autofreien Innenstadt. Düsseldorf solle das erklärte Ziel der Klimaneutralität spätestens bis 2035 erreichen, sagt Reuter.