Politik sucht Lösung im Rassismus-Komplex
Nach den Vorfällen am Schauspielhaus berät der Fachausschuss über die Vorgänge sowie Melde- und Hilfesysteme für Betroffene.
DÜSSELDORF Ron Iyamu hat erschütternde Vorkommnisse am Schauspielhaus Düsseldorf offengelegt. Er sei rassistischen Witzen ausgesetzt gewesen, sagt der Schauspieler mit deutsch-nigerianischen Wurzeln. Er sei massiv beleidigt und in Klischeerollen des „wütenden, schwarzen Mannes“besetzt worden. Regisseure, aber auch Mitspielende hätten sich den Diskriminierungen nicht etwa entgegengestellt, sondern sie teilweise selbst hervorgerufen. Die Leitung des Schauspielhauses sei über alles informiert gewesen, habe ihm jedoch nicht geholfen, sagt Iyamu, der großen Zuspruch von Theaterkollegen aus ganz Deutschland erfährt.
Ein Bühnenbildassistent berichtet, am Düsseldorfer Schauspielhauses ganz ähnliche Erfahrungen gemacht zu haben wie Iyamu. Die Intendanz hat sich in einem offenen Brief bei seinem Ensemble-Mitglied entschuldigt. Wilfried Schulz, Generalintendant des Schauspielhauses, hat im Gespräch mit unserer Redaktion „personalpolitische Konsequenzen“angekündigt.
Den Kulturpolitikern der Stadt reicht das indes nicht. Auf Initiative des CDU-Ratsherrn Marcus Münter wird sich der Kulturausschuss in seiner Sitzung am 15. April mit der Frage nach einem Melde- und Hilfesystem für die Mitarbeitenden aller städtischen Bühnen, also auch Oper und Tonhalle, auseinandersetzen. Zudem soll die Stabsstelle Antidiskriminierung – auf welche sich CDU und Grüne in ihrem Kooperationsvertrag verständigt haben – auf den Weg gebracht und noch in diesem Jahr installiert werden. „Wenn so etwas wie am Schauspielhaus passiert, dürfen wir nicht schweigen“, sagt Münter. „Wir fordern den Kulturdezernenten zunächst auf, zu überprüfen, ob unsere städtischen Bühnen über ein Melde- und Hilfesystem verfügen – und vor allem, wie und ob dieses funktioniert.“
Bis zum Bekanntwerden der Vorfälle am Schauspielhaus habe er
„keinen Grund gesehen, das Funktionieren eines solchen Systems infrage zu stellen“. Seine Recherchen hätten ergeben, „dass es in allen städtischen Kulturinstituten entsprechende Ansprechpartner“gebe. „Aber offensichtlich ist deren Vorgehen nicht einheitlich geregelt“, sagt
Münter mit Blick auf die zwei Diversitätsbeauftragten des Schauspielhauses. Sie sind dort seit der Spielzeit 2019/20 tätig, ihre Stellen werden aus Bundesmitteln
finanziert. Dass sie an der Leitungsebene angesiedelt sind, hat Ron Iyamu wenig genützt. Münter sieht sich vor diesem Hintergrund in seiner Meinung bestätigt, dass die neue Stabsstelle Antidiskriminierung unabhängig agieren müsse. „Wenn jemandem Unrecht widerfährt, soll er nicht über die Leitungsebene gehen und bei Herrn Schulz anklopfen müssen.“Ein unabhängig tätiger Experte müsse gegenüber der Verwaltungsspitze frei über das
CDU-Ratsherr und Mitglied
des Kulturausschusses berichten können, was ihm anvertraut worden sei.
Ron Iyamu pocht darauf, dass die Diversitätsbeauftragten des Schauspielhauses „viel mehr Handlungsspielräume“bräuchten, „um wirklich Einfluss nehmen zu können“. Zunächst müsse man sich jedoch „vor Augen führen, welche Machtstrukturen am Theater greifen“. Das Theater verkaufe sich gerne damit, dass es „aufklären“wolle. Stattdessen jedoch seien „rassistische und sexistische Strukturen am Düsseldorfer Schauspielhaus Dauerzustand. Sie äußern sich in Besetzungen, Beleidigungen und einer Kultur des Schweigens.“
Das Theater Mönchengladbach/ Krefeld hat jetzt einen ungewöhnlichen Weg eingeschlagen, um den Gestaltungsraum seiner Mitarbeitenden zu erweitern. Dort haben Ensemble, Inspizienz, Dramaturgie und Soufflage den neuen Direktor Christoph Roos ausgewählt. Ein Novum in der deutschen Theaterlandschaft und offenbar ein Versuch, alte Machtgefüge aufzubrechen. Innerhalb des Düsseldorfer Ensembles herrscht hingegen nach dem Eklat Unsicherheit. Nachdem es sich zunächst gegenüber unserer Redaktion als gesprächsbereit erklärt hatte, zog es dieses Angebot wieder zurück. Mit Ron Iyamu haben
Zitat Wilfried Schulz: „Ich bin davon sehr betroffen und bitte Ron dafür sehr um Entschuldigung. Ich mache mir persönlich große Vorwürfe, dass ich ab dem Zeitpunkt meiner Kenntnisnahme nicht aktiv gehandelt habe. Wir gehen allen Vorgängen minutiös nach und holen uns dafür auch Kompetenz von außen.“
Der 29-Jährige ist in der laufenden Spielzeit ins Ensemble des Jungen Schauspiels gewechselt. Im Großen Haus in Düsseldorf stand er unter anderem bei den Stücken „Dantons Tod“und „Das Dschungelbuch“auf der Bühne.
„Wenn jemandem Unrecht widerfährt, soll er nicht bei Herrn Schulz anklopfen müssen“
Marcus Münter
sich einige Schauspielende solidarisch erklärt.
Manfred Neuenhaus (FDP), Vorsitzender des Kulturausschusses, sagt, der Mut des 29 Jahre alten Schauspielers, an die Öffentlichkeit zu gehen, habe seine „Welt verändert“. „Ron Iyamus Problem ist auch das Problem von uns Politikern geworden. Wer im Schauspielhaus meint, solche ,Witze‘ machen zu müssen, ist nicht geeignet, etwas für uns in Düsseldorf zu inszenieren.“Es sei bedauerlich, dass offenbar auf der Bühne weit mehr für Respekt und gegen Antidiskriminierung unternommen würde als hinter der Bühne. „Ja, es gibt vielleicht einen Verhaltenskodex, auf den man sich in einem Theater verständigt. Aber wenn er nicht im Alltag eingeübt wird, ist er nutzlos.“Auch Neuenhaus spricht sich für eine externe Unterstützung in Zukunft aus. „Wenn Menschen in ihren Rechten und ihrer Würde verletzt werden, darf das nicht unter den Teppich gekehrt, sondern muss das gemeldet werden. Wir sind gefordert, einzugreifen. Ob Herr Schulz das gut findet oder nicht.“