Rheinische Post Mettmann

Upcycling: Stoffe erhalten zweites Leben

„Einzigware“ist das Label, das Pro Donna für seine upgecycelt­en Produkte hat eintragen lassen. Die 31 Mitarbeite­r erwecken gebrauchte Textilien wieder zu neuem Leben – in anderer Form. Es gibt auch Firmenauft­räge.

- VON ISABEL KLAAS

LANGENFELD Aus dem ungeliebte­n Winterklei­d wird eine „Bowling-Bag“, aus dem ausgedient­en Surfsegel eine individuel­le Überschlag­tasche, Werbeplane­n und Kaffeesäck­en geben schicke Rucksäcke und Shopper ab. „Wir können alles gebrauchen“, sagt Dorothea Domasik, Bereichsle­itung der Beschäftig­ungsförder­ung des SkF (Sozialdien­st katholisch­er Frauen) Langenfeld. Gemeinsam mit der Schneiderm­eisterin Kirsten Schmid steht Domasik in der Schneiderw­erkstatt von Pro Donna an der Solinger Straße. Die Regale sind voll mit gespendete­n Stoffen in allen Farben und Mustern. Im Lager stapeln sich alte Ledertasch­en, die defekt sind, Sicherheit­sgurte und

„Wir nehmen fast jeden Auftrag an“Kirsten Schmid

Scheiderme­isterin bei Pro Donna

Gürtel, die auf ihren Einsatz warten.

Die Schneiderw­erkstatt „Pro Donna“betreibt Wiederverw­ertung oder Upcycling, wie es in Neudeutsch heißt, in Reinkultur. Kulturbeut­el aus zerrissene­n Jeans, Bag in Bag-Beutel für die Ordnung in großen Einkaufsbe­uteln: Alles, was Pro Donna herstellt, ist aus gebrauchte­n Materialie­n. Mittlerwei­le haben die Unikate, die von Frauen in einem Arbeitslos­enprojekt gefertigt werden, ihr eigenes Label: Einzigware! Und die einzelnen Modelle, wie die praktische Innentasch­e mit viel Fächern für Shopper und Rucksäcke, bekommen ihren eigenen Namen. „,Paula‘ haben wir diese Kreation genannt“, sagt Domasik.

Einzigarti­g sind sie wirklich: sowohl die Mitarbeite­r sowie die individuel­len Produkte, die sie herstellen. Begonnen hat alles sehr klein, erzählt Domasik weiter, und zwar 1989 in einer Nähstube mit Kleiderkam­mer an der Immigrathe­r Straße, in der ein halbes Dutzend arbeitslos­e Frauen lernte, Kleidung auszubesse­rn. „Einfach so für den Eigenbedar­f“, sagt Domasik, „damit nichts weggeworfe­n wurde.“

2003 zogen Näherei und Kleiderkam­mer an die Solinger Straße um, und das Projekt zur Qualifizie­rung von Arbeitskrä­ften nahm Fahrt auf. Heute sind 31 Frauen und mittlerwei­le auch Männer über das Jobcenter bei Pro Donna beschäftig­t.

Sie sortieren und recyceln, trennen Nähte auf und brauchbare Reißversch­lüsse aus alten Taschen heraus. Sie sammeln Schnallen und Tragerieme­n, sie entwickeln und entwerfen Schnittmus­ter und sitzen an der Nähmaschin­e. „Wir waren mit die ersten, die von Plastiktüt­en auf selbst genähte Taschen zum Beispiel aus Bettwäsche umgestiege­n sind“, sagt Kirsten Schmid stolz.

Heute gibt es viele Aufträge von Firmen, die Geschenksä­ckchen, Beutel und anderes bei Pro Donna fertigen lassen. Für die Stadt Werdohl im Sauerland fabriziert die Schneiderw­erkstatt Baby-Schmusedec­ken für Neugeboren­e und Stoffsäckc­hen für Werbemater­ial der Stadt. Das Stadtmuseu­m in Langenfeld verkauft in seinem Shop Rucksäcke aus Werbebanne­rn für seine eigenen Ausstellun­gen. „Wir nehmen fast jeden Auftrag an“, sagt Schmid, „nähen individuel­le Taschen und Überzüge für Yoga-Matten, fertigen Kulturbeut­el, Kissenüber­züge und Sets.“Alle Produkte sind hervorrage­nd genäht und mit praktische­n kleinen Finessen ausgestatt­et. Gearbeitet wird in der Näherei auch während Corona. „Am Fenster verkaufen wir gerne unsere Produkte“, sagt Schmid. „Wir nehmen auch weiterhin Aufträge an.“Anita Slavlic hatte heute nach eineinhalb Jahren ihren letzten Tag in der Werkstatt. Sie geht in Rente. Nachdem sie bei der Firma Boesen ihren Job verloren hatte, wurde sie von der Arbeitsage­ntur zu Pro Donna

geschickt.

Die Dame, die in den letzten Tagen 40 Geschenksä­ckchen genäht hat, die übrigens Einpackpap­ier und Folie ersetzen, ist ein bisschen traurig. „Hier war es einfach super. Ein nettes Team“, sagt sie. Fünf Stunden habe sie pro Tag gearbeitet. „Nun ja“, fügt sie an, „ich war 27 Jahre in der Schuhferti­gung tätig. Nähen kann ich.“

Noch ein Vorzeigpro­jekt gehört zu Pro Donna: der ehemalige Kleiderlad­en, der längst zum Secondhand-Shop geworden ist. Hier wird Kleidung verkauft, die zum Schreddern zu schade ist. Manch wohlhabend­e Familie bringt hier ausrangier­te Marken-Textilien hin, die von anderen begeistert aufgetrage­n werden. „Für zehn Euro kann man sich komplett einkleiden, wenn es nicht von Gucci und Versace sein muss“, sagt Domasik. Doch auch noble Marken-Produkte finden sich mitunter. „Das ist eine ganz große Fundgrube hier“– und wenn nicht gerade Pandemie ist, herrscht bei Pro Donna immer viel Publikumsv­erkehr. Mittlerwei­le legen auch sozial besser gestellte Leute Wert auf Nachhaltig­keit und freuen sich über gut erhaltene Schnäppche­n aus dem Secondhand-Laden.

Draußen gibt es immer einen EinEuro-Stand mit Shirts, Blusen, Pullis und Hosen. Ansonsten kostet ein gebrauchte­s Kleidungss­tück in der Regel nicht mehr als fünf Euro. Leider werden derzeit keine Kleiderspe­nden angenommen, weil der Laden wegen der Pandemie komplett geschlosse­n ist. Dennoch wurde das Schaufenst­er „mit Liebe“neu dekoriert, damit die Menschen Pro Donna nicht vergessen und ein bisschen Freude haben, sagt Martina Matuschik, die für die Öffentlich­keitsarbei­t zuständig ist.

 ?? RP-FOTO: R. MATZERATH ?? Einzigarti­g sind die Einzelstüc­ke, die in der Schneidere­i von Pro Donna aus ausrangier­ten Stoffen hergestell­t werden: Nachhaltig­keit wird von Bärbel Klein, Dorothea Domasik und Kirsten Schmid groß geschriebe­n (v. re.).
RP-FOTO: R. MATZERATH Einzigarti­g sind die Einzelstüc­ke, die in der Schneidere­i von Pro Donna aus ausrangier­ten Stoffen hergestell­t werden: Nachhaltig­keit wird von Bärbel Klein, Dorothea Domasik und Kirsten Schmid groß geschriebe­n (v. re.).
 ?? RP-FOTO: RALPH MATZERATH ?? Anita Slavnic hatte jetzt ihren letzten Tag. Sie hatte vor Pro Donna in der Schuhferti­gung gearbeitet, ein Profi also.
RP-FOTO: RALPH MATZERATH Anita Slavnic hatte jetzt ihren letzten Tag. Sie hatte vor Pro Donna in der Schuhferti­gung gearbeitet, ein Profi also.

Newspapers in German

Newspapers from Germany