Upcycling: Stoffe erhalten zweites Leben
„Einzigware“ist das Label, das Pro Donna für seine upgecycelten Produkte hat eintragen lassen. Die 31 Mitarbeiter erwecken gebrauchte Textilien wieder zu neuem Leben – in anderer Form. Es gibt auch Firmenaufträge.
LANGENFELD Aus dem ungeliebten Winterkleid wird eine „Bowling-Bag“, aus dem ausgedienten Surfsegel eine individuelle Überschlagtasche, Werbeplanen und Kaffeesäcken geben schicke Rucksäcke und Shopper ab. „Wir können alles gebrauchen“, sagt Dorothea Domasik, Bereichsleitung der Beschäftigungsförderung des SkF (Sozialdienst katholischer Frauen) Langenfeld. Gemeinsam mit der Schneidermeisterin Kirsten Schmid steht Domasik in der Schneiderwerkstatt von Pro Donna an der Solinger Straße. Die Regale sind voll mit gespendeten Stoffen in allen Farben und Mustern. Im Lager stapeln sich alte Ledertaschen, die defekt sind, Sicherheitsgurte und
„Wir nehmen fast jeden Auftrag an“Kirsten Schmid
Scheidermeisterin bei Pro Donna
Gürtel, die auf ihren Einsatz warten.
Die Schneiderwerkstatt „Pro Donna“betreibt Wiederverwertung oder Upcycling, wie es in Neudeutsch heißt, in Reinkultur. Kulturbeutel aus zerrissenen Jeans, Bag in Bag-Beutel für die Ordnung in großen Einkaufsbeuteln: Alles, was Pro Donna herstellt, ist aus gebrauchten Materialien. Mittlerweile haben die Unikate, die von Frauen in einem Arbeitslosenprojekt gefertigt werden, ihr eigenes Label: Einzigware! Und die einzelnen Modelle, wie die praktische Innentasche mit viel Fächern für Shopper und Rucksäcke, bekommen ihren eigenen Namen. „,Paula‘ haben wir diese Kreation genannt“, sagt Domasik.
Einzigartig sind sie wirklich: sowohl die Mitarbeiter sowie die individuellen Produkte, die sie herstellen. Begonnen hat alles sehr klein, erzählt Domasik weiter, und zwar 1989 in einer Nähstube mit Kleiderkammer an der Immigrather Straße, in der ein halbes Dutzend arbeitslose Frauen lernte, Kleidung auszubessern. „Einfach so für den Eigenbedarf“, sagt Domasik, „damit nichts weggeworfen wurde.“
2003 zogen Näherei und Kleiderkammer an die Solinger Straße um, und das Projekt zur Qualifizierung von Arbeitskräften nahm Fahrt auf. Heute sind 31 Frauen und mittlerweile auch Männer über das Jobcenter bei Pro Donna beschäftigt.
Sie sortieren und recyceln, trennen Nähte auf und brauchbare Reißverschlüsse aus alten Taschen heraus. Sie sammeln Schnallen und Trageriemen, sie entwickeln und entwerfen Schnittmuster und sitzen an der Nähmaschine. „Wir waren mit die ersten, die von Plastiktüten auf selbst genähte Taschen zum Beispiel aus Bettwäsche umgestiegen sind“, sagt Kirsten Schmid stolz.
Heute gibt es viele Aufträge von Firmen, die Geschenksäckchen, Beutel und anderes bei Pro Donna fertigen lassen. Für die Stadt Werdohl im Sauerland fabriziert die Schneiderwerkstatt Baby-Schmusedecken für Neugeborene und Stoffsäckchen für Werbematerial der Stadt. Das Stadtmuseum in Langenfeld verkauft in seinem Shop Rucksäcke aus Werbebannern für seine eigenen Ausstellungen. „Wir nehmen fast jeden Auftrag an“, sagt Schmid, „nähen individuelle Taschen und Überzüge für Yoga-Matten, fertigen Kulturbeutel, Kissenüberzüge und Sets.“Alle Produkte sind hervorragend genäht und mit praktischen kleinen Finessen ausgestattet. Gearbeitet wird in der Näherei auch während Corona. „Am Fenster verkaufen wir gerne unsere Produkte“, sagt Schmid. „Wir nehmen auch weiterhin Aufträge an.“Anita Slavlic hatte heute nach eineinhalb Jahren ihren letzten Tag in der Werkstatt. Sie geht in Rente. Nachdem sie bei der Firma Boesen ihren Job verloren hatte, wurde sie von der Arbeitsagentur zu Pro Donna
geschickt.
Die Dame, die in den letzten Tagen 40 Geschenksäckchen genäht hat, die übrigens Einpackpapier und Folie ersetzen, ist ein bisschen traurig. „Hier war es einfach super. Ein nettes Team“, sagt sie. Fünf Stunden habe sie pro Tag gearbeitet. „Nun ja“, fügt sie an, „ich war 27 Jahre in der Schuhfertigung tätig. Nähen kann ich.“
Noch ein Vorzeigprojekt gehört zu Pro Donna: der ehemalige Kleiderladen, der längst zum Secondhand-Shop geworden ist. Hier wird Kleidung verkauft, die zum Schreddern zu schade ist. Manch wohlhabende Familie bringt hier ausrangierte Marken-Textilien hin, die von anderen begeistert aufgetragen werden. „Für zehn Euro kann man sich komplett einkleiden, wenn es nicht von Gucci und Versace sein muss“, sagt Domasik. Doch auch noble Marken-Produkte finden sich mitunter. „Das ist eine ganz große Fundgrube hier“– und wenn nicht gerade Pandemie ist, herrscht bei Pro Donna immer viel Publikumsverkehr. Mittlerweile legen auch sozial besser gestellte Leute Wert auf Nachhaltigkeit und freuen sich über gut erhaltene Schnäppchen aus dem Secondhand-Laden.
Draußen gibt es immer einen EinEuro-Stand mit Shirts, Blusen, Pullis und Hosen. Ansonsten kostet ein gebrauchtes Kleidungsstück in der Regel nicht mehr als fünf Euro. Leider werden derzeit keine Kleiderspenden angenommen, weil der Laden wegen der Pandemie komplett geschlossen ist. Dennoch wurde das Schaufenster „mit Liebe“neu dekoriert, damit die Menschen Pro Donna nicht vergessen und ein bisschen Freude haben, sagt Martina Matuschik, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist.