Rheinische Post Mettmann

Bäckerei Schüren beschäftig­t zwölf Geflüchtet­e

Sie stammen aus Albanien, Syrien oder Afghanista­n und machen eine Ausbildung oder arbeiten bereits als Fachverkäu­ferin, Hilfskraft oder Bäcker.

- VON ULI SCHMIDT

HILDEN Manchmal begegnen Journalist­en unerwartet­e Geschichte­n: Da will man eine Frau mit Migrations­hintergrun­d treffen, die eine Ausbildung bei der Bäckerei Schüren macht. Und zwei Telefonate später wird klar, dass sie elf Kollegen und Kolleginne­n hat, die ebenfalls als Flüchtling­e nach Deutschlan­d kamen und nun in Lohn und Brot bei dem Hildener Unternehme­n sind.

Aber der Reihe nach: Narges Rahimi hat im August letzten Jahres ihre Lehre als Fachverkäu­ferin im hiesigen Bäckerei-Betrieb mit insgesamt 250 Mitarbeite­rn begonnen. Die 28-Jährige stammt aus Afghanista­n, studierte Islamwisse­nschaft und arbeitet jetzt in der Hochdahler Filiale. Das erfährt die RP bei einem Treffen mit weiteren sieben Migranten, die zu einem Gespräch in die Unternehme­ns-Zentrale eingeladen wurden. Insgesamt zwölf Flüchtling­e arbeiten teilweise schon über fünf Jahre in einer der 19 Schüren-Filialen.

Neben Narges sitzt ihre Kollegin Mitless Jacky Nirvan. Sie ist 30 Jahre alt und stammt aus Indien. Die alleinerzi­ehende Mutter von drei

Kindern hat in ihrer Heimat studiert und den akademisch­en Grad „Bachelor of Art“erworben. Sie lebt seit vier Jahren hier und konnte nicht ahnen, dass ihr Ehemann sie vor kurzem verlassen würde. Jetzt verkauft sie Brötchen, um die Kinder zu ernähren.

Beiden Frauen, die so propper in weißen Blusen und schwarz-weißen Schürzen hinter Verkaufsth­eken stehen, könnten manche Menschen intellektu­ell nicht das Wasser reichen.

Perfekt Deutsch können sie aber nicht. „Manchmal werden wir dann angesproch­en, als könnten wir nicht bis Drei zählen.“Das verletze. Anderersei­ts, so sagt die zierliche Frau aus Indien, müsse sie hier keine Angst haben, nach der Arbeit allein im Bus zu fahren.

Kollege Halit Margjoka kam vor fünf Jahren im Alter von 16 Jahren ohne Begleitung aus Albanien nach Deutschlan­d. „Ich wollte eine Ausbildung suchen“, strahlt der frischgeba­ckene Bäckergese­lle heute. Manchmal vermisst er seine Familie und unbeschwer­tes Zusammense­in.

Sein Kollege Safir Sedigi wollte in erster Linie den Bomben in seiner Heimat Afghanista­n entkommen. Er konnte dort die Schule nur bis zur 9. Klasse besuchen und musste erleben, dass Angehörige getötet wurden. Nur in Begleitung seiner Cousine hat er sich über zwei Monate lang über die Türkei und dann per Boot nach Europa aufgemacht. Jetzt ist der 22-Jährige im dritten Lehrjahr als Bäcker in Hilden beschäftig­t.

Es gäbe noch viele persönlich­e Geschichte­n von den Migranten zu erzählen, aber nicht alle wollen die in der Zeitung lesen. Für manche sei das einfach zu schmerzlic­h, heißt es nach dem Gespräch.

Dass berufliche Integratio­n nicht immer einfach ist, weiß Tatiana Boxhorn aus eigener Erfahrung. Sie stammt aus Sibirien, lebt seit 20 Jahren hier und ist heute verantwort­lich für Personalei­nstellung und die Team-Besetzung des Unternehme­ns: „Menschen aus Agrarlände­rn wie Afghanista­n tun sich in Handwerker-Berufen leichter.“

Sie kann sich noch gut erinnern, dass für sie vor zwei Jahrzehnte­n die Kombinatio­n von Pelzmäntel­n mit Lackschuhe­n völlig fremd war. „Wir trugen zuhause Fell zum Wärmen.“

Lazkin Almohammad floh aus Syrien. Er hat in seiner Heimat Jura studiert, war Rechtsanwa­lt und vier

Jahre Bürgermeis­ter seiner Stadt an der Grenze zur Türkei. Als die 2013 bombardier­t wurde, flüchtete er.

Rund 10 000 Euro musste er für die Fluchthilf­e bezahlen, die er durch den Verkauf seiner Wohnung aufbrachte. Zwei seiner drei Söhne studieren in Deutschlan­d. Er selbst arbeitet als Fahrer bei Schüren. „Wir sind zufrieden. Hier leben wir in Freiheit und einer Demokratie. Das war uns als Kurden zu Hause

unmöglich.“

Deshalb will die Familie auch nicht zurück. Seine Frau, Perwin, arbeitet im Schichtdie­nst als Produktion­shilfe in der Backstube.

Bei allen positiven Entwicklun­gen im Leben der Migranten bleiben die Probleme mit hiesigen Behörden und Asyl-Gesetzen im Fokus des Arbeitgebe­rs. „Es wurden selbst bei Anträgen auf Praktika immer wieder Steine von den Arbeitsage­nturen in den Weg gelegt“, kritisiert Inga Liebich, Assistenti­n der Geschäftsl­eitung.

Völlig unverständ­lich sei auch, dass Menschen, die hier eine wertvolle Arbeit leisten, wieder abgeschobe­n würden. „Ein Spurwechse­l muss möglich sein“, ergänzte Inhaber Roland Schüren in der Runde.

Warum beschäftig­t der Unternehme­r so viele Geflüchtet­e? „Weil die Erfahrunge­n mit diesen Mitarbeite­rn überwiegen­d positiv sind“, meint Schüren: „Viele Geflüchtet­e sind in der Dualen Ausbildung. Im Handwerk ist es Tradition, dass wir als Betriebe und die Berufsschu­len uns gemeinsam intensiv um die Azubis kümmern. Vielleicht sind sie dadurch insgesamt besser integriert.“

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FOTO: STEPHAN KÖHLEN Perwin Rashed bereitet Croissants vor. Sie ist Kurdin und floh mit ihrer Familie aus dem vom Bürgerkrie­g verwüstete­n Syrien.

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