Für die Grünen ist jetzt alles drin
ie souverän die Grünen durch das schwierige Fahrwasser des Superwahljahrs schippern, zeigt sich an der ChoreograWfie
zur Bekanntgabe der Kanzlerkandidatur. Da stellt der unterlegene Anwärter Robert Habeck die erste Kanzlerkandidatin in der Geschichte der Grünen vor, überlässt ihr die Bühne, glänzt dadurch selbst. Annalena Baerbock steht jetzt an der Spitze. Die Grünen haben im Kontrast zum chaotischen und erbitterten Machtkampf in der Union gezeigt, wie gut es gehen kann mit der Kandidatenkür. Die Entscheidung für Baerbock ist aus Grünen-Perspektive richtig. Sie hat das nötige Selbstbewusstsein und den nötigen Machtinstinkt, um ins wichtigste Regierungsamt zu streben. Sie hat Fachkenntnis und Ehrgeiz, sich in Themen hineinzuschrauben. Ihr Problem aber ist die fehlende Regierungserfahrung. Baerbock hat keine andere Chance, als das zu einem Vorteil umzudeuten. Sie braucht den Obama-Macron-Effekt.
Sie macht es richtig, als sie am Montag betont, sie würde für Erneuerung antreten, die anderen für den Status quo. Für den Wahlkampf reicht das jedoch noch nicht. Baerbock muss jetzt mit einem Wahlprogramm die anderen Kandidaten vor sich hertreiben und darf ihr Alleinstellungsmerkmal als Frau in einem sonst männlichen Bewerberfeld nicht zum Wert an sich machen – auch wenn es strategisch einer ist und vor allem für den innerparteilichen Rückhalt enorm wichtig ist. Die Grünen haben in diesem Jahr das Potenzial, die anderen Mitbewerber um das Kanzleramt gehörig ins Schwitzen zu bringen. Mit konsequentem Klimaschutz, ausgefeilten Antworten auf Gerechtigkeitsfragen und genug Anschlussmöglichkeiten für Industriearbeiter und Landwirte. Was Baerbock verhindern muss: Dass die Grünen es selbst verstolpern, etwa mit überdrehten Verbotsideen. Gelingt ihr das, kann tatsächlich alles drin sein. BERICHT