Immer mehr Stimmen für Ausgangssperre
Aus Politik und Wirtschaft melden sich weitere Befürworter, aber auch Gegner. Die Kliniken rechnen mit einer Verschärfung der Lage.
DÜSSELDORF Eine mögliche Ausgangssperre findet in Düsseldorf immer mehr Fürsprecher. Die Stadtspitze hatte wie berichtet angekündigt, sie ab einer Inzidenz von 200 umsetzen zu wollen. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Andreas-Paul Stieber (CDU), forderte sogar eine frühere Umsetzung. Ihm stärkt jetzt auch Klaudia Zepuntke (SPD) den Rücken, Bürgermeisterin und von Beruf Gemeindeschwester. Auch wenn sie eine Ausgangssperre für eine „massive und furchtbare Einschränkung“für die Menschen halte, sei diese mit Blick auf volle Intensivstationen dringend erforderlich: „Leider geht es nicht anders. Wir alle kennen seit einem Jahr Corona und wissen, was zu tun ist, um die Virus-Verbreitung zu minimieren. Aber die Leute suchen für sich immer wieder eine Lücke, auch wenn sie damit andere gefährden.“
Auch von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Düsseldorf kommt eine klare Ansage. Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen: „Angesichts der Infektionslage und der angespannten Lage auf den Intensivstationen sind Ausgangsbeschränkungen aktuell ohne Alternative.“Sie könnten im Mix mit weiteren Maßnahmen ein Mittel sein, um das Infektionsgeschehen einzudämmen, wie Erfahrungen in europäischen Nachbarländern zeigen würden. Und das sei dringend notwendig, „um wieder wirtschaftliche Freiheiten zu ermöglichen“.
Zurückhaltender äußert sich Grünen-Sprecher Stefan Engstfeld. Aber auch er schließt eine Ausgangssperre für eine stabilere Lage im Sommer nicht mehr als letztes Mittel aus. „Wir brauchen einen Wellenbrecher, ein weiter so scheidet für mich aus. Eine Ausgangssperre muss aber absolut rechtssicher sein, die verfassungsrechtlichen Bedenken müssen deshalb überprüft werden.“Nach Meinung des Grünen sollte, bevor eine Ausgangssperre ausgesprochen wird, als vorheriges Mittel spätestens bei einer Inzidenz von 100 zum Distanzunterricht in den Schulen zurückgekehrt werden. Die Stadtspitze hat das parallel zu einer Ausgangssperre ab einem Wert von 200 geplant.
Doch es gibt in Düsseldorf auch politische Stimmen gegen eine Ausgangssperre.
Etwa Christine Rachner von der FDP, Ärztin für Anästhesie. Sie fürchtet, dass sich die Treffen der Menschen noch häufiger unkontrollierbar in den privaten Bereich verlagern. Bei den Linken hält Ratsfrau Julia Marmulla, die wie Engstfeld das nicht konsequente Umsetzen der Homeoffice-Pflicht kritisiert, eine Ausgangssperre für unverhältnismäßig. Die Menschen hätten in den vergangenen Monaten schon auf so viele Dinge verzichtet, während die Wirtschaft weitestgehend weiterlief.
In einigen NRW-Städten
gilt schon eine Ausgangssperre, wie etwa in Remscheid oder seit Montag in Wuppertal. Die Inzidenz lag dort bei Einführung jeweils über 200. Eine Ausnahme stellt Köln dar. Sie hat ihre bis zum 3. Mai geltende Ausgangssperre am Freitag bei einer Inzidenz von 161 beschlossen. Die Anordnung war jedoch nicht an eine bestimmte Inzidenz gebunden, betonte gestern ein Stadtsprecher. Stattdessen wurde Bezug genommen auf die bedrohliche Lage auf den Intensivstationen und weiter steigende Infektionszahlen.
Die Situation in den Düsseldorfer
Kliniken ähnelt der Kölner Situation. An der Uniklinik waren am Sonntag 94 Beatmungsbetten belegt, nur ein Bett war frei. Detlef Kindgen-Milles, ärztlicher Leiter der Corona-Intensivstation an der Uniklinik, spricht von einem „kontinuierlichen Anstieg der Covid-Patientenzahlen auf unserer Intensivstation seit Ostern“. Die Patienten würden immer jünger. „Wir appellieren daher, sich an die aktuellen Regeln zu halten, um die Infektionszahlen zu verringern.“Der Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf (VKKD) rechnet mit einer erheblichen Zunahme schwer
Corona-Zahlen: Seit dem
3. März 2020 wurde bei 21.133 (+68) Düsseldorfern eine Infektion mit dem Coronavirus diagnostiziert. Aktuell sind rund 1400 Personen infiziert. Von den Infizierten werden 153 in Krankenhäusern behandelt, davon 53 auf Intensivstationen. 19.400 Düsseldorfer sind genesen. 342 Menschen sind in Düsseldorf gestorben. Die 7-Tage-Inzidenz liegt derzeit in Düsseldorf bei 146,0 (Vortag: 150,8). Impfen: Am 18. April wurden in Düsseldorf 3682 Personen geimpft. Darunter sind 3078 Personen, die ihre erste und 604 Personen, die ihre zweite Impfung erhalten haben. Seit dem 27. Dezember sind in Düsseldorf 123.040 Menschen geimpft worden, davon haben 44.243 ihre erste und zweite Impfung erhalten. Insgesamt wurden so bis zum heutigen Tag 167.283 Impfungen vorgenommen.
erkrankter Covid-19-Patienten. Die Zahl aufschiebbarer Behandlungen und Eingriffe sei reduziert worden, sagt Karl-Heinz Schultheis, Ärztlicher Direktor des VKKD. „Wir hoffen, dass sich die Situation im Laufe des Monats Mai entspannt – vor allem durch das Impfen.“
Der Düsseldorfer Krisenstab wird am Mittwoch beraten, wie es weitergeht. In der Zwischenzeit zeichnet sich auf Bundesebene bei den Plänen für das neue Infektionsschutzgesetz ab, dass es Ausgangsbeschränkungen schon ab einer Inzidenz von 100 geben wird.