Rheinische Post Mettmann

Immer mehr Stimmen für Ausgangssp­erre

Aus Politik und Wirtschaft melden sich weitere Befürworte­r, aber auch Gegner. Die Kliniken rechnen mit einer Verschärfu­ng der Lage.

- VON ALEXANDER ESCH, HENDRIK GAASTERLAN­D UND UWE-JENS RUHNAU

DÜSSELDORF Eine mögliche Ausgangssp­erre findet in Düsseldorf immer mehr Fürspreche­r. Die Stadtspitz­e hatte wie berichtet angekündig­t, sie ab einer Inzidenz von 200 umsetzen zu wollen. Der Vorsitzend­e des Gesundheit­sausschuss­es, Andreas-Paul Stieber (CDU), forderte sogar eine frühere Umsetzung. Ihm stärkt jetzt auch Klaudia Zepuntke (SPD) den Rücken, Bürgermeis­terin und von Beruf Gemeindesc­hwester. Auch wenn sie eine Ausgangssp­erre für eine „massive und furchtbare Einschränk­ung“für die Menschen halte, sei diese mit Blick auf volle Intensivst­ationen dringend erforderli­ch: „Leider geht es nicht anders. Wir alle kennen seit einem Jahr Corona und wissen, was zu tun ist, um die Virus-Verbreitun­g zu minimieren. Aber die Leute suchen für sich immer wieder eine Lücke, auch wenn sie damit andere gefährden.“

Auch von der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) in Düsseldorf kommt eine klare Ansage. Hauptgesch­äftsführer Gregor Berghausen: „Angesichts der Infektions­lage und der angespannt­en Lage auf den Intensivst­ationen sind Ausgangsbe­schränkung­en aktuell ohne Alternativ­e.“Sie könnten im Mix mit weiteren Maßnahmen ein Mittel sein, um das Infektions­geschehen einzudämme­n, wie Erfahrunge­n in europäisch­en Nachbarlän­dern zeigen würden. Und das sei dringend notwendig, „um wieder wirtschaft­liche Freiheiten zu ermögliche­n“.

Zurückhalt­ender äußert sich Grünen-Sprecher Stefan Engstfeld. Aber auch er schließt eine Ausgangssp­erre für eine stabilere Lage im Sommer nicht mehr als letztes Mittel aus. „Wir brauchen einen Wellenbrec­her, ein weiter so scheidet für mich aus. Eine Ausgangssp­erre muss aber absolut rechtssich­er sein, die verfassung­srechtlich­en Bedenken müssen deshalb überprüft werden.“Nach Meinung des Grünen sollte, bevor eine Ausgangssp­erre ausgesproc­hen wird, als vorheriges Mittel spätestens bei einer Inzidenz von 100 zum Distanzunt­erricht in den Schulen zurückgeke­hrt werden. Die Stadtspitz­e hat das parallel zu einer Ausgangssp­erre ab einem Wert von 200 geplant.

Doch es gibt in Düsseldorf auch politische Stimmen gegen eine Ausgangssp­erre.

Etwa Christine Rachner von der FDP, Ärztin für Anästhesie. Sie fürchtet, dass sich die Treffen der Menschen noch häufiger unkontroll­ierbar in den privaten Bereich verlagern. Bei den Linken hält Ratsfrau Julia Marmulla, die wie Engstfeld das nicht konsequent­e Umsetzen der Homeoffice-Pflicht kritisiert, eine Ausgangssp­erre für unverhältn­ismäßig. Die Menschen hätten in den vergangene­n Monaten schon auf so viele Dinge verzichtet, während die Wirtschaft weitestgeh­end weiterlief.

In einigen NRW-Städten

gilt schon eine Ausgangssp­erre, wie etwa in Remscheid oder seit Montag in Wuppertal. Die Inzidenz lag dort bei Einführung jeweils über 200. Eine Ausnahme stellt Köln dar. Sie hat ihre bis zum 3. Mai geltende Ausgangssp­erre am Freitag bei einer Inzidenz von 161 beschlosse­n. Die Anordnung war jedoch nicht an eine bestimmte Inzidenz gebunden, betonte gestern ein Stadtsprec­her. Stattdesse­n wurde Bezug genommen auf die bedrohlich­e Lage auf den Intensivst­ationen und weiter steigende Infektions­zahlen.

Die Situation in den Düsseldorf­er

Kliniken ähnelt der Kölner Situation. An der Uniklinik waren am Sonntag 94 Beatmungsb­etten belegt, nur ein Bett war frei. Detlef Kindgen-Milles, ärztlicher Leiter der Corona-Intensivst­ation an der Uniklinik, spricht von einem „kontinuier­lichen Anstieg der Covid-Patientenz­ahlen auf unserer Intensivst­ation seit Ostern“. Die Patienten würden immer jünger. „Wir appelliere­n daher, sich an die aktuellen Regeln zu halten, um die Infektions­zahlen zu verringern.“Der Verbund Katholisch­er Kliniken Düsseldorf (VKKD) rechnet mit einer erhebliche­n Zunahme schwer

Corona-Zahlen: Seit dem

3. März 2020 wurde bei 21.133 (+68) Düsseldorf­ern eine Infektion mit dem Coronaviru­s diagnostiz­iert. Aktuell sind rund 1400 Personen infiziert. Von den Infizierte­n werden 153 in Krankenhäu­sern behandelt, davon 53 auf Intensivst­ationen. 19.400 Düsseldorf­er sind genesen. 342 Menschen sind in Düsseldorf gestorben. Die 7-Tage-Inzidenz liegt derzeit in Düsseldorf bei 146,0 (Vortag: 150,8). Impfen: Am 18. April wurden in Düsseldorf 3682 Personen geimpft. Darunter sind 3078 Personen, die ihre erste und 604 Personen, die ihre zweite Impfung erhalten haben. Seit dem 27. Dezember sind in Düsseldorf 123.040 Menschen geimpft worden, davon haben 44.243 ihre erste und zweite Impfung erhalten. Insgesamt wurden so bis zum heutigen Tag 167.283 Impfungen vorgenomme­n.

erkrankter Covid-19-Patienten. Die Zahl aufschiebb­arer Behandlung­en und Eingriffe sei reduziert worden, sagt Karl-Heinz Schultheis, Ärztlicher Direktor des VKKD. „Wir hoffen, dass sich die Situation im Laufe des Monats Mai entspannt – vor allem durch das Impfen.“

Der Düsseldorf­er Krisenstab wird am Mittwoch beraten, wie es weitergeht. In der Zwischenze­it zeichnet sich auf Bundeseben­e bei den Plänen für das neue Infektions­schutzgese­tz ab, dass es Ausgangsbe­schränkung­en schon ab einer Inzidenz von 100 geben wird.

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FOTO: A. ORTHEN An den Kasematten wurden Sonnenschi­rme eingepackt und Stühle beiseite gestellt. Mit einer Ausgangssp­erre würde es abends auch menschenle­er.

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