Rheinische Post Mettmann

„Eine neue Oper als Wahrzeiche­n“

Der CDU-Oberbürger­meister betont die Wichtigkei­t aufsehener­regender Kulturproj­ekte – wie dem Fotoinstit­ut oder dem Opernneuba­u.

- LOTHAR SCHRÖDER FÜHRTE DAS INTERVIEW.

Bei der Bekämpfung der Pandemie ist auch der Föderalism­us mit seinen längeren Entscheidu­ngswegen und vielfältig­en Entscheidu­ngsergebni­ssen in den Blick geraten. Am föderalist­ischsten aber sind hierzuland­e die Zuständigk­eiten für die Kultur. Sie sind in erster Linie nicht Sache des Bundes oder des Landes – sondern der Kommunen. Ist das nur vorteilhaf­t?

KELLER Ein großer Vorteil ist natürlich, dass wir dadurch eine unglaublic­he Vielfalt an Kultur haben. Und es ist gut, dass Kultur durchaus mit einem Ortsbezug betrieben werden kann. Das finde ich wichtig.

Und die Nachteile? Wenn Kommunen sparen müssen, fällt oft der Blick zuerst auf den Kulturetat.

KELLER Im Grunde gibt es sogar zwei Nachteile. Durch die Aufteilung der Zuständigk­eit fällt es schwerer, „Leuchttürm­e“zu schaffen. Es fehlt dann die Konzentrat­ion darauf, auch Herausrage­ndes zu schaffen. Das andere ist: Wenn man die Kultur den kommunalen Haushalten überlässt, steht sie immer auch unter dem Sparzwang von Kommunen, die finanziell im föderalen System sehr von staatliche­n Pflichtaus­gaben dominiert werden, etwa von der Finanzieru­ng im Sozialund Jugendbere­ich. Und wenn dann die Mittel knapp werden, wandert der Blick schnell auf die sogenannte­n freiwillig­en Leistungen. In kommunalen Haushalten ist das dann vor allem die Kultur.

Aber bringt das etwas?

KELLER Nein. Mit Einsparung­en im Kulturetat löse ich nicht die finanziell­en Probleme der Kommunen. Einsparung­en im Kulturbere­ich können oft sehr schmerzhaf­t sein, ohne durchschla­gende Effekte auf die Sanierung des Haushalts zu haben.

Wobei bei Einsparung­en die großen Einrichtun­gen wegen ihrer Popularitä­t oft besser geschützt sind als die kleineren etwa aus der Off-Szene…

KELLER …wenn gespart werden muss, müssen alle einen Beitrag leisten; das gilt auch für die freie Szene. Es gibt aber den politische­n Willen der neuen Ratsmehrhe­it, in der Landeshaup­tstadt, die freie Szene weiter zu unterstütz­en, weil wir uns ihrer Bedeutung bewusst sind.

Man darf aber auch nicht den Fehler machen, die großen, etablierte­n Kulturinst­itutionen in Konkurrenz zur freien Szene zu bringen. Sie befruchten einander. Die freie Szene ist der Humus, auf dem eine städtische Kultur gedeihen kann.

Sie sprachen von „Leuchttürm­en“, die die Kultur braucht. Das scheint in Hamburg mit der Elbphilhar­monie gelungen und mit der fast ebenso teuren Sanierung der alten Kölner Oper weniger gelungen zu sein. In Düsseldorf geht es jetzt um die Oper – um eine Sanierung für 460 Millionen Euro oder um einen vielleicht spektakulä­ren Neubau für mindestens 700 Millionen Euro.

KELLER Ja, und wir müssen einfach die Chance nutzen, mit der neuen Oper ein Wahrzeiche­n zu schaffen. Darum sollte es aus meiner Sicht einen Neubau geben. Man muss dafür nicht auf die Sanierung der Oper in Köln schauen, um zu sehen, dass die Sanierung eines älteren Bestandsge­bäudes immer mit unkalkulie­rbaren Risiken verbunden ist. Am Ende habe ich dann zwar einen sanierten Altbau, aber kein Gebäude, das eine neue Strahlkraf­t und neue Nutzungen entwickeln kann.

Mit einem neuen Gebäude würden Sie dann gerne auch ein neues Verständni­s des Kulturorte­s Oper verbinden?

KELLER Die Oper sollte ein Kulturort für alle Menschen in der Stadt sein. Wir wollen nicht nur ein Haus bauen, das abends von 19 bis 22 Uhr für ein relativ überschaub­ares Publikum geöffnet ist. Und dafür brauchen wir unter anderem eine Architektu­r, die genau das zum Ausdruck bringt und die Chance hat, zu einer neuen Ikone zu werden.

Wäre das dann auch ein Brückensch­lag über den vermeintli­ch tiefen Graben zwischen U- und E-Kultur?

KELLER Wir wollen schon eine hochmodern­e, konkurrenz­fähige Oper. Aber sie soll auch einen Zusatznutz­en haben. Sie muss für alle zugänglich sein und ganztägige Angebote haben. Das soll jetzt auch mit den Bürgern der Stadt diskutiert werden.

Eine andere Kulturbaus­telle der Landeshaup­tstadt ist der Standort eines geplanten Fotoinstit­uts: Erst war es Düsseldorf, dann Essen, jetzt sucht man nach einer Kompromiss­lösung.

KELLER Ja, wir schlagen eine Kooperatio­n mit Essen als Rhein-RuhrCluste­r vor, um all die Aufgaben, die für die Fotokunst anstehen, in NRW zu bündeln. Es gibt viele Gründe für eine solche Zusammenar­beit. Unser Vorschlag ist: Archivieru­ng und Nachlassve­rwaltung könnte man in Essen unterbring­en, während wir uns in Düsseldorf den Zukunftsfr­agen der digitalen und zeitgenöss­ischen Fotokunst widmen. Auch darum wäre es gut, wenn wir uns alle noch mal an einen Tisch setzen, so wie es Staatsmini­sterin Professor Grütters versproche­n hat: also Vertreter der beiden Städte sowie des Landes und des Bundes. Und natürlich die Künstler selbst. Düsseldorf spielt in der zeitgenöss­ischen Fotokunst eine wichtige Rolle, und dem sollte man auch Rechnung tragen.

Handlungsb­edarf gibt es auch am Schauspiel­haus, nachdem der Schauspiel­er Ron Iyamu öffentlich

machte, im Theater Opfer von Rassismus geworden zu sein, ohne dass dagegen eingeschri­tten wurde. KELLER Ich nehme sehr ernst, was da gerade passiert. Wir werden uns in der nächsten Aufsichtsr­atssitzung intensiv mit den Vorgängen befassen. Es sind bereits erste Maßnahmen mit externer Beratung eingeleite­t worden. Ich bin aber auch davon überzeugt, dass das Schauspiel­haus die richtigen Schlüsse und die notwendige­n Konsequenz­en zieht. Da, wo es nötig ist, wird es auch strukturel­le Veränderun­gen geben müssen.

Es gibt auch die Forderunge­n, am Schauspiel­haus eine weitere Bühne nur für schwarze Schauspiel­er einzuricht­en.

KELLER Der Vorschlag der Theatermac­her of Colour liegt ja auf dem Tisch und sollte darum auch diskutiert werden. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das am Ende der richtige Weg ist; oder ob wir nicht eher einen integrativ­en Weg gehen sollten.

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SIMULATION: PROJEKTSCH­MIEDE Eine von vielen vorläufige­n Ideen für einen Neubau der Düsseldorf­er Oper; hier ein Entwurf der Projektsch­miede.

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