Unerwartete Thrombose
Von manchen Medikamenten ist bekannt, dass sie Blutgerinnsel auslösen können – auch an Orten im Körper, an denen man nicht mit ihnen rechnet.
Unser Leser Helmut P. aus Wermelskirchen fragt: „Können Medikamente tatsächlich Thrombosen verursachen?“
Der aktuelle Anlass Ihrer Frage ist vermutlich das Auftreten von Hirnvenenthrombosen im zeitlichen Zusammenhang mit dem Impfstoff von Astrazeneca. Hier ist ein ursächlicher Zusammenhang nicht ausgeschlossen. Daher nimmt man von der Impfung die vermutete Hauptrisikogruppe vorsichtshalber aus. Warum gerät aber der Impfstoff als Ursache überhaupt ins Visier?
Es gibt Musterbeispiele dafür, dass Medikamente Gefäßschäden und Thrombosen auslösen können. Drei Merkmale sind ihnen gemeinsam: Sie alle sind extrem selten und im Vorfeld meist nicht absehbar. Sie machen sich zweitens durch „untypische“Orte der Gefäßthrombose bemerkbar, also nicht bei den oft betroffenen Beinvenen. Sie werden drittens meist durch Immunmechanismen mit „fehlgeleiteter“Antikörperbildung gegen eigene Blutbestandteile oder Gefäßstrukturen ausgelöst.
Bei manchen Erkrankungen muss man die Blutgerinnung hemmen. Dies geschieht durch die Substanz Heparin. Bei manchen Menschen führt Heparin aber zu einer Antikörperbildung, die die Gerinnung paradoxerweise über Verbrauch der Blutplättchen krankhaft verstärkt, sodass sich nicht weniger, sondern mehr Blutgerinnsel in Gefäßen bilden; das nennt man heparininduzierte Thrombopenie, HIT). Nicht nur in den Venen, sondern auch in den Schlagadern können dabei Thrombosen auftreten, zum Beispiel mit gleichzeitiger Beinvenenthrombose und Herz-, Hirnoder
Niereninfarkt. Inzwischen kann man diese HIT-Reaktion bei Verdacht rasch abklären und effektiv behandeln, wenn man an diesen Zusammenhang denkt. Die Wahrscheinlichkeit dieser Komplikation ist bei Einsatz der heutzutage routinemäßig eingesetzten Heparinformen gering.
Ein weiteres Beispiel ist ein als Vaskulitis (Gefäßentzündung) bekanntes Krankheitsbild, das meist durch Antibiotika oder entzündungshemmende Medikamente ausgelöst wird und extrem selten
Wichtig ist das Absetzen des Medikaments
ist. Dabei sind kleinste Hautgefäße betroffen, die sich durch Entzündung verschließen. Zu erkennen ist dies an Hautausschlägen, die wenige Tage nach Einnahme eines Medikaments auftreten. Diese zunächst punktförmigen Ausschläge können sich vergrößern und in kleine Wunden übergehen, meist an den Beinen, aber auch anderen Stellen des Körpers. Hier steht das Absetzen des Medikaments im Vordergrund.
Vor dem erstmaligen Einsatz des jeweiligen Medikaments sind all diese Ereignisse nicht vorauszusehen. Wichtig ist es deshalb vor allem, die betroffenen Patienten vor erneuten Schäden zu schützen. Hilfreich ist es, für den Notfall eine schriftliche Information bei sich zu tragen. Nicht hilfreich ist es hingegen, auf bewährte Medikamente ohne individuell begründeten Anlass nur deshalb zu verzichten, weil es überhaupt zu kritischen Komplikationen kommen kann.
Christoph Ploenes ist Chefarzt für Angiologie am Gefäßzentrum der Schön-Klinik Düsseldorf-Heerdt.