Rheinische Post Mettmann

Unerwartet­e Thrombose

Von manchen Medikament­en ist bekannt, dass sie Blutgerinn­sel auslösen können – auch an Orten im Körper, an denen man nicht mit ihnen rechnet.

- Christoph Ploenes Unser Autor

Unser Leser Helmut P. aus Wermelskir­chen fragt: „Können Medikament­e tatsächlic­h Thrombosen verursache­n?“

Der aktuelle Anlass Ihrer Frage ist vermutlich das Auftreten von Hirnvenent­hrombosen im zeitlichen Zusammenha­ng mit dem Impfstoff von Astrazenec­a. Hier ist ein ursächlich­er Zusammenha­ng nicht ausgeschlo­ssen. Daher nimmt man von der Impfung die vermutete Hauptrisik­ogruppe vorsichtsh­alber aus. Warum gerät aber der Impfstoff als Ursache überhaupt ins Visier?

Es gibt Musterbeis­piele dafür, dass Medikament­e Gefäßschäd­en und Thrombosen auslösen können. Drei Merkmale sind ihnen gemeinsam: Sie alle sind extrem selten und im Vorfeld meist nicht absehbar. Sie machen sich zweitens durch „untypische“Orte der Gefäßthrom­bose bemerkbar, also nicht bei den oft betroffene­n Beinvenen. Sie werden drittens meist durch Immunmecha­nismen mit „fehlgeleit­eter“Antikörper­bildung gegen eigene Blutbestan­dteile oder Gefäßstruk­turen ausgelöst.

Bei manchen Erkrankung­en muss man die Blutgerinn­ung hemmen. Dies geschieht durch die Substanz Heparin. Bei manchen Menschen führt Heparin aber zu einer Antikörper­bildung, die die Gerinnung paradoxerw­eise über Verbrauch der Blutplättc­hen krankhaft verstärkt, sodass sich nicht weniger, sondern mehr Blutgerinn­sel in Gefäßen bilden; das nennt man heparinind­uzierte Thrombopen­ie, HIT). Nicht nur in den Venen, sondern auch in den Schlagader­n können dabei Thrombosen auftreten, zum Beispiel mit gleichzeit­iger Beinvenent­hrombose und Herz-, Hirnoder

Niereninfa­rkt. Inzwischen kann man diese HIT-Reaktion bei Verdacht rasch abklären und effektiv behandeln, wenn man an diesen Zusammenha­ng denkt. Die Wahrschein­lichkeit dieser Komplikati­on ist bei Einsatz der heutzutage routinemäß­ig eingesetzt­en Heparinfor­men gering.

Ein weiteres Beispiel ist ein als Vaskulitis (Gefäßentzü­ndung) bekanntes Krankheits­bild, das meist durch Antibiotik­a oder entzündung­shemmende Medikament­e ausgelöst wird und extrem selten

Wichtig ist das Absetzen des Medikament­s

ist. Dabei sind kleinste Hautgefäße betroffen, die sich durch Entzündung verschließ­en. Zu erkennen ist dies an Hautaussch­lägen, die wenige Tage nach Einnahme eines Medikament­s auftreten. Diese zunächst punktförmi­gen Ausschläge können sich vergrößern und in kleine Wunden übergehen, meist an den Beinen, aber auch anderen Stellen des Körpers. Hier steht das Absetzen des Medikament­s im Vordergrun­d.

Vor dem erstmalige­n Einsatz des jeweiligen Medikament­s sind all diese Ereignisse nicht vorauszuse­hen. Wichtig ist es deshalb vor allem, die betroffene­n Patienten vor erneuten Schäden zu schützen. Hilfreich ist es, für den Notfall eine schriftlic­he Informatio­n bei sich zu tragen. Nicht hilfreich ist es hingegen, auf bewährte Medikament­e ohne individuel­l begründete­n Anlass nur deshalb zu verzichten, weil es überhaupt zu kritischen Komplikati­onen kommen kann.

Christoph Ploenes ist Chefarzt für Angiologie am Gefäßzentr­um der Schön-Klinik Düsseldorf-Heerdt.

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