Rheinische Post Mettmann

Noch vor dem Start geplatzt

- VON ARNE RICHTER, JOHANNES NEUDECKER UND CHRISTOPH MEYER

Nach dem krachenden Scheitern der Super League versuchen sich die Klub-Bosse in Demut. Europas Spitzenfuß­ball hat sich selbst entlarvt. Doch die Probleme sind damit nicht aus der Welt. Auch der deutsche Fußball ist betroffen.

LONDON/MÜNCHEN (dpa) Die Stimme der Straße war zu laut und zu mächtig. Die Club-Milliardär­e von Liverpool über London bis Manchester, Barcelona, Mailand, Turin und Madrid treten nach dem dramatisch­en Scheitern ihrer Super League in nicht gekannter Fan-Demut den Gang nach Fußball-Canossa an. Zum Sinnbild der im Eiltempo gestoppten Investoren­träume von einer geschlosse­nen Eliteliga wurde neben dem zermürbten Juve-Boss Andrea Agnelli vor allem Liverpools amerikanis­cher Eigentümer John W. Henry.

Vor einem gelben Mini-Blumenstra­uß verkündete der Geschäftsm­ann per zweieinhal­bminütigen Twitter-Video sein mea culpa und entschuldi­gte sich mit einem Hauch von Hollywood-Drama bei den demonstrie­renden Fans, den ungewohnt meinungsfr­eudigen Profis und auch bei Trainer Jürgen Klopp. „Wir haben euch gehört, ich habe euch gehört“, sagte Henry kleinlaut und hoffte auf die Chance zur Fortsetzun­g seines Investment­s im Herzen des europäisch­en Fußballs.

Die Bilder von Fan-Demos verdeutlic­hten die Wut der Anhänger über Entfremdun­g von ihren Vereinen im Milliarden­geschäft – verschärft durch die Entbehrung­en in der Corona-Pandemie. Die Vereine reagierten zunächst recht unbeholfen. Erst im Nachhinein habe man bemerkt, worauf man sich da eingelasse­n habe, so die entlarvend­e Selbsteins­chätzung vom FC Chelsea.

Letztlich fiel auch Agnelli als Anführer des „Dreckigen Dutzend“sinnbildli­ch um. „Um ehrlich und aufrichtig zu sein, nein, das ist offensicht­lich nicht der Fall“, sagte der Juve-Boss als Super-League-Initiator auf die Frage, ob man das Projekt jetzt noch fortsetzen könne. Die Hoffnung auf 3,5 Milliarden Dollar Anschubfin­anzierung sind perdu.

Die Uefa-Reaktion Uefa-Präsident Aleksander Ceferin hatte da aus der Position der größtmögli­chen Stärke schon Milde für die reuigen Abweichler erkennen lassen. „Ich habe gestern gesagt, dass es bewunderns­wert ist, einen Fehler zuzugeben, und diese Vereine haben einen großen Fehler gemacht“, sagte der Slowene. „Aber sie sind jetzt wieder in der Reihe und ich weiß, dass sie nicht nur unseren Wettbewerb­en, sondern dem gesamten europäisch­en Spiel viel zu bieten haben“, betonte der 53-Jährige.

Aber auch Ceferein steht vor einem Scherbenha­ufen. Mit einer dauerhafte­n Spaltung zwischen den neuen ideellen Premiumpar­tnern FC Bayern München und Paris Saint-Germain als „Good Guys“auf der Uefa-Seite gegen die abtrünnige­n Zwölf wird der europäisch­e Fußball seine Probleme nicht lösen können.

Ist die Super League für immer vom Tisch? Agnellis Resignatio­n klang nach einer totalen Kapitulati­on. Fan-Vertreter sehen sich gestärkt. Das Netzwerk „Football Supporters

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FOTO: IAN WEST/DPA Fans des FC Chelsea protestier­en am Dienstagab­end gegen die geplante Super League.

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