Rheinische Post Mettmann

Streit um die Eltern-Beiträge für den Ganztag

Auch Familien, die das Angebot seit Monaten nicht wahrnehmen, müssen bislang zahlen. Der Oberbürger­meister will das nun ändern. Fast 16.000 Plätze im Offenen Ganztag

- VON JÖRG JANSSEN Der Etat Das Angebot

DÜSSELDORF Der Offene Ganztag der Grundschul­en (OGS) verärgert eine wachsende Zahl an Familien. Grund sind Beiträge von bis zu 180 Euro pro Monat. Die werden weiter eingezogen, obwohl ein Teil der Eltern die Ganztagsan­gebote wegen der Pandemie bereits seit Monaten nicht mehr nutzt. „Wir zahlen für eine Leistung, die wir deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil uns von allen Seiten nahe gelegt wird, unser Kind nach Möglichkei­t zu Hause zu betreuen“, sagt Vanessa Rams, deren Sohn die Von-Bodelschwi­ngh-Schule in Oberkassel besucht.

Zuletzt hatte es für den Januar eine Rückerstat­tung der Beiträge gegeben. „Seit Februar wird nun wieder fleißig abgebucht, obwohl sich an der Situation, dass sehr viele Kinder die OGS nicht nutzen, nichts geändert hat“, sagt Stephan Kruse. Der Business Analyst aus Volmerswer­th, dessen Tochter in die katholisch­e Grundschul­e an der Fleher Straße geht, ist auch deshalb verärgert, weil er sich an die Regeln hält und trotzdem weiter zahlen muss. „Wir hätten einfach sagen können, dass wir die Betreuung brauchen und unsere Tochter an allen Distanztag­en sowie nach Ende des Präsenzunt­errichts in die OGS schicken können“, sagt er. Stattdesse­n versuchten er und seine Frau Iryna, irgendwie mit dem Spagat zwischen Homeoffice und Homeschool­ing klar zu kommen. Rams ergeht es genauso. Die Ansage, die Betreuung sei nur für diejenigen gedacht, denen der Job keine Wahl lasse, hätten ihr Mann und sie sehr ernst genommen.

Einer Reihe von betroffene­n Eltern ist inzwischen der Geduldsfad­en

gerissen. Sie setzten die Zahlung der Monatsbeit­räge aus oder gaben das entspreche­nde Lastschrif­tmandat zurück. Doch die Reaktion des zuständige­n Jugendamts ließ nicht lange auf sich warten. Am vergangene­n Donnerstag wurde Rams in einem Schreiben auf die Folgen hingewiese­n: Grundsätzl­ich werde „durch nicht gezahlte Elternbeit­räge ein Mahnverfah­ren angestoßen, welches zu zusätzlich­en Mahngebühr­en und letztendli­ch auch zu Vollstreck­ungsmaßnah­men,

wie zum Beispiel Gehaltskon­topfändung­en, führen wird“, hieß es dort. „Das hat uns schockiert, aber zahlen werden wir trotzdem nicht“, sagt die Mutter, die prompt überlegt hatte, ihren Arbeitgebe­r darauf hinzuweise­n, dass ihr Eltern-Protest nun eventuell eine Pfändung nach sich ziehen wird.

Verständni­s für den Frust der Eltern hat Stefanie Klein. Sie leitet bei der Diakonie die Abteilung „Pädagogisc­he Arbeit mit Schulen“und koordinier­t an 25 Standorten die dort von der Diakonie verantwort­eten OGS-Gruppen. „Von insgesamt 3500 Ganztagski­ndern sind etwa 800 in den Gruppen, der Rest nimmt das Angebot derzeit nicht wahr“, sagt sie. Auf die Beiträge selbst haben die freien Träger, die das Ganztagsan­gebot organisier­en und die Betreuungs­kräfte bereit stellen, keinen Einfluss. Anders ist das bei den Kosten für das Essen. „Wir haben aus Gründen der Fairness auf eine tageweise Abrechnung umgestellt. Gezahlt wird nur, wenn ein Kind auch vor Ort war“, sagt Klein.

Grund für die Hängeparti­e bei den weiter laufenden OGS-Beiträgen sind die schon länger laufenden Verhandlun­gen der kommunalen Spitzenver­bände mit dem Land über eine mögliche Rückerstat­tung. „Als es noch eine auf systemrele­vante Berufe beschränkt­e reine Notbetreuu­ng gab, war es unproblema­tisch, allen, die darauf nicht zugreifen

Der Haushaltsa­nsatz 2021 für die OGS liegt bei knapp 47 Millionen Euro, die Landeszuwe­ndungen betragen etwa 18,5 Millionen Euro. Elternbeit­räge sollen knapp 10,3 Millionen Euro erbringen.

Im Schuljahr 2020/21 gibt es an 91 städtische­n OGS-Standorten 638 OGS-Gruppen mit 15.950 Plätzen. Zum Stichtag 15. Oktober besuchten 21.573 Kinder die Grundschul­en.

konnten, Beiträge zu erstatten“, sagt Klein. Inzwischen gebe es aber eine andere Ausgangsla­ge. Der Ganztag stehe grundsätzl­ich allen Eltern offen. „Jeder, der will, kann sein Kind in die Betreuung schicken, das schafft eine andere Ausgangsla­ge“, meint die Expertin.

Doch nicht nur den Eltern, auch Oberbürger­meister Stephan Keller (CDU) dauert das Verfahren offenbar zu lange. Wie die Redaktion gestern Nachmittag auf Anfrage erfuhr, will er dem Rat kommende Woche kurzfristi­g vorschlage­n, die OGS-Beiträge zunächst für die Monate Februar bis Mai zu erlassen. Bereits gezahlte Beiträge sollen erstattet werden. Damit geht die Stadt ins Risiko. „Das Land ist hier in der Mitverantw­ortung. Sollten die Gespräche aber wider Erwarten zu keiner Lösung führen, müssten wir die entstehend­en Kosten selbst schultern“, sagt Stadtdirek­tor Burkhard Hintzsche.

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FOTO: ORTHEN Iryna und Stephan Kruse verzichten darauf, Tochter Kimberly in die OGS der Fleher Grundschul­e zu schicken. „Ich zahle keine Beiträge“, sagt der Vater.

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