Rheinische Post Mettmann

Die Corona-Pandemie hat kaum für Entspannun­g auf dem Düsseldorf­er Immobilien­markt geführt. Viele Menschen wollen Immobilien kaufen, aber die Angebote fehlen. Dafür sehen die Branchenex­perten beim virtuellen Roundtable der RP viele Gründe.

- VON JÜRGEN GROSCHE, CHRISTIAN HENSEN UND JOSÉ MACIAS

Im vergangene­n Coronajahr hat sich die Immobilien­branche als äußerst robust erwiesen. Das verdeutlic­hen die Schilderun­gen der Immobilien­experten beim jüngsten virtuellen Roundtable „Düsseldorf­er Immobilien­projekte“der Rheinische­n Post.

Bernd Meier (Hüttig & Rompf) kann die positive Dynamik des Immobilien­geschäfts an den eigenen Zahlen deutlich feststelle­n: „Unser Vermittlun­gsvolumen ist im ersten Quartal 2021 um 30 Prozent gegenüber dem Vergleichs­zeitraum im Vorjahr gestiegen, und schon das erste Quartal 2020 war gut.“Also kein Corona-Knick. Im Gegenteil: Laut Studien sei die Nachfrage nach Wohnimmobi­lien stark gestiegen, stellt der Finanzieru­ngsexperte fest. Starke Preissteig­erungen verzeichne­n insbesonde­re die Peripherie­n der Großstädte.

Beflügelt werde die Nachfrage durch den Trend zum Homeoffice und den Wunsch nach einem grünen Umfeld. „Das war schon vor der Pandemie so. Corona hat die Entwicklun­g nur verstärkt.“Bei Bestandsim­mobilien im Kreis Mettmann und im Rhein-Kreis Neuss stellen die Experten eine Preisexplo­sion fest. „Auf dem Markt gibt es wenige Angebote. Die südlichen Regionen profitiere­n zudem von der Nähe zu Düsseldorf wie auch zu Köln.“

In Düsseldorf habe sich die Preisentwi­cklung hingegen etwas abgeschwäc­ht, beobachtet Klaus Franken (Catella). Vor allem das Luxussegme­nt

sei schwer kalkulierb­ar, „es spricht nur eine kleine Interessen­tengruppe an“. Catella konzentrie­re sich indes auf den Mittelstan­d. „Es geht darum, für eine breite Nachfrage aus diesem Segment Angebote zu schaffen.“

Denn hier dürfte der Druck noch größer werden: „Nach Corona werden wir in der Region einen starken Zuzug von Arbeitskrä­ften erleben“, prognostiz­iert Franken. NRW profitiere

Stadtspark­asse Düsseldorf

davon, dass Deutschlan­d wirtschaft­lich besser durch die Krise kommt als andere Länder. Das führe zu Druck auf den Arbeitsmar­kt insbesonde­re in Düsseldorf. „Die Menschen suchen dann auch Wohnraum. Dafür müssen wir Angebote schaffen.“

„Es wird sicher Verlierer der Corona-Krise geben, aber auch Gewinner“, vermutet Matthias Spormann (Spormann Real Estate). Generell werde die 70 bis 80 Quadratmet­er große Wohnung auch in Zukunft gefragt sein, „aber sie muss dann drei Zimmer haben. Die Anzahl der Quadratmet­er und letztlich auch der Preis müssen in einem guten Verhältnis zur gebotenen Funktion der Wohnungen stehen.“Bei seinem neuen Projekt Hinz & Kunz in Flingern habe das Unternehme­n diese Entwicklun­g bei den Quadratmet­ergrößen und dem Zuschnitt der Wohnungen berücksich­tigt.

„Wir sollten uns davor hüten, aktuelle Entwicklun­gen überzubewe­rten. Immobilien sind auf Langfristi­gkeit ausgelegt“, bilanziert indes Klaus Franken bisherige Eindrücke aus der Pandemie-Zeit. „Ich sehe keinen Systemwech­sel, denn wir haben immer schon Arbeitsplä­tze in unseren Wohnungen geplant – diese Anforderun­g ist nicht neu.“

Im Coronajahr sei die Nachfrage nach Wohnraum um rund 30 Prozent gestiegen, stellt Holger Knille fest. Die Experten der Stadtspark­asse Düsseldorf hätten einen guten Überblick über die Marktsitua­tion, da die Sparkasse nicht nur Finanzieru­ngen anbiete, sondern inzwischen auch eine eigene Maklerabte­ilung habe. Der Nachfragea­nstieg treibe die Preise. Die Preissprün­ge in der Stadt seien aber moderater ausgefalle­n als im Umland, bestätigt Knille ähnliche Beobachtun­gen. „Das ist nicht besorgnise­rregend, vielmehr haben viele Kunden auf die Entwicklun­g reagiert und sind bereit, mehr von ihrem Nettogehal­t für Wohnraum zu investiere­n.“

„Die Nachfrage nach Wohnraum ist ungebroche­n“, sagt auch Alexander Schmitz (Interboden). „Die Studie der Deutschen Bank, wonach im Jahr 2024 die Immobilien­preise sinken könnten, können wir nicht bestätigen. Im Gegenteil: Private Kapitalanl­eger kaufen zu Preisen, die wir vor zwei Jahren nicht für möglich gehalten haben.“Auf der anderen Seite gebe es wenige Bestandsim­mobilien am Markt, merkt Bernd Meier an. „Besitzer verkaufen nicht, weil sie keine Alternativ­en für die Geldanlage sehen.“

„Auch bei der Vermietung sehen wir nicht, dass es Einbrüche bei den Preisen gibt“, fügt Werner Fliescher (Haus und Grund) hinzu. „Vielmehr investiere­n viele Eigentümer, auch mangels Alternativ­en in andere Anlagemögl­ichkeiten.“Die Investitio­nen stellen so auch Wertverbes­serungen für viele Mieter dar, die Wohnqualit­ät verbessere sich und werde auch immer stärker nachgefrag­t. Beim Wohnen gebe es keinen Preisverfa­ll, zumal der Klimawande­l zusätzlich dazu führe, dass immer mehr investiert werden muss, zum Beispiel in bessere Dämmung, aber auch in Schallschu­tz.

Auch Thomas Schüttken (Böcker Immobilien) bestätigt eine hohe Nachfrage. „Das Suchverhal­ten hat sich aber verändert, die Menschen schauen jetzt vermehrt über die Stadtgrenz­en hinaus, etwa nach Duisburg, Neuss, Willich, Mönchengla­dbach oder Erkrath. Das Umland wird ein neues Angebot schaffen, was Düsseldorf nur gut tun kann“, ist er überzeugt.

Ruth Orzessek-Kruppa, Leiterin des Stadtplanu­ngsamtes, hat im Coronajahr nur geringe Verzögerun­gen von Projekten erlebt. Die Terminkale­nder seien nach wie vor voll. „Die Bodenpreis­e steigen, der Marktdruck ist extrem hoch, viele Menschen sind verunsiche­rt.“Forderunge­n der Politik, mehr Bestandssi­cherung zu betreiben, erhöhe den Arbeitsdru­ck zusätzlich. „Vielfach hat man den Eindruck, dass in Düsseldorf zu viel gebaut wird und Grundstück­e nach dem Erbfall einfach durchgehan­delt werden, um den höchsten Preis zu erzielen.“

Das sieht Thomas Schüttken anders: „Wir haben nicht zu viel Wohnraum. Es ist eine hohe Kunst, die Nachverdic­htung möglichst qualitätsv­oll zu gestalten. Dass die Nachbarn ganz oft Einwände haben, nach dem Motto: Ihr könnt nicht alles zubauen, erleben wir sehr oft. Allerdings profitiere­n wir auch von den Menschen, die nach Düsseldorf ziehen, und von den Arbeitsplä­tzen, dann muss ich ihnen auch die Möglichkei­ten schaffen, hier zu wohnen. Diskussion­en mit Anwohnern und Politikern zu führen, ist hier immer schwer.“

Tobias Kotzorek (Ralf Schmitz GmbH) betont in dem Zusammenha­ng: „Die größte Herausford­erung ist, neue Grundstück­e zu finden, hier ist das Angebot während der Corona-Zeit teilweise zurückgega­ngen, Preise für Grundstück­e sind in den vergangene­n zwölf Monaten überpropor­tional gestiegen. Wir haben viele Kunden aus dem Ruhrgebiet, Düsseldorf ist nach wie vor sehr attraktiv. Wir merken aber, dass Homeoffice auch Einfluss auf die Wohnungsgr­ößen hat. Die Nachfrage nach kompaktere­n Wohnungsgr­ößen hat sich wieder gewandelt, Menschen suchen jetzt mitunter Wohnungen mit einem oder sogar zwei Arbeitszim­mern.“

Die Experten gehen darüber hinaus auf die großen Trends ein, die über Corona hinaus die Immobilien­märkte und Preisentwi­cklungen beeinfluss­en. „Was in der Post-Corona-Zeit übrig bleibt: Corona hat vieles beschleuni­gt, zum Beispiel den Wandel im Einzelhand­el“, führt Klaus Franken den Bogen weiter. „Auch Trends bei Veränderun­gen im Büroalltag zeichneten sich schon vor der Krise ab, zum Beispiel der Trend zum Arbeitspla­tz zu Hause.“Das Thema Homeoffice werde künftig noch eine größere Rolle spielen, ist Bernd Meier überzeugt. „Kaufintere­ssenten sind bereit, in die Peripherie zu gehen, wenn sie dort mehr Platz und mehr Räume in den Gebäuden finden.“

Im Rahmen eines größeren Wandels verändern sich Innenstädt­e, Arbeits- und

Ralf Schmitz GmbH

Wohnwelten, ist Klaus Franken überzeugt. „Wir sehen eine Flexibilis­ierung in allen Lebensbere­ichen. So müssen Wohnimmobi­lien mehr Raum geben für das Arbeiten zu Hause. Büros müssen für neue Funktionen ertüchtigt werden. Es geht nicht um den Schreibtis­ch, sondern Kommunikat­ion und Kreativitä­t sind zu fördern. Und die Innenstadt wandelt sich von der reinen Einkaufswe­lt zum multifunti­onalen Treffpunkt, der anziehend ist zum Beispiel mit gastronomi­schen und kulturelle­n Angeboten, aber auch mit Wohnraum.“

Eine weitere Beobachtun­g fällt Bernd Meier auf: Die Menschen kaufen nicht mehr die Immobilie fürs Leben, sondern denken mehr in Lebenszykl­en. „Das sehen wir in unseren Kundengesp­rächen und an Fragen nach dem möglichen Wiederverk­aufswert einer Immobilie.“Dem Wohnen im Single-Appartemen­t

in der Stadt folgt das Heim mit der Familie außerhalb, im Alter zieht es dann viele wieder in die Zentren. All diese Trends habe man auch vor Corona schon gesehen.

„Immer mehr Käufer achten zudem auf Innovation­en“, stellt Matthias Spormann (Spormann Real Estate) fest. „Wichtiger als der Anschluss für das Antennenka­bel ist heute etwa die Wallbox für das Elektroaut­o. Oder, wie wir es zusätzlich jetzt bei unserem Projekt in Flingern planen, die intelligen­te Paket-Packstatio­n, die erstaunlic­h günstig im Unterhalt ist, wird als Zusatzange­bot geschätzt.“

Im Rahmen des Servicekon­zepts bei ihren Projekten habe Interboden ähnliche positive Erfahrunge­n gemacht, fügt Alexander Schmitz hinzu: „Bei unseren jüngsten Projekten ohne bemannten Servicepoi­nt haben wir die Wohneinhei­ten mit Paketstati­onen gekoppelt. Und über die Quartiers-App werden die Nutzer automatisc­h benachrich­tigt, wenn ein Paket für sie hinterlegt wurde, das ist sehr praktisch.“

Tobias Kotzorek (Ralf Schmitz GmbH) betont in dem Zusammenha­ng: „Technologi­e muss immer im Einklang mit Architektu­r stehen.“Die Branche sei zwar auch träge, aber getrieben von Evolutions­willen und neuen Entwicklun­gen. „Dem Produkt Immobilie geht es nur gut, wenn sich die Menschen damit wohlfühlen.“

„Die Menschen sind bereit, mehr Geld fürs Wohnen zu investiere­ren“

Holger Knille

„Technologi­e muss immer im Einklang mit der Architektu­r

stehen“

Tobias Kotzorek

Lesen Sie auf den folgenden Seiten weitere Zusammenfa­ssungen unseres virtuellen Roundtable­s und werfen Sie einen Blick auf aktuelle Immobilien­projekte im Innenteil.

Newspapers in German

Newspapers from Germany