Rheinische Post Mettmann

Hausärzte erwarten Ansturm auf Impftermin­e

Mediziner in NRW erwarten, dass die Priorisier­ung bereits im Mai fällt. Doch das Land will den chronisch Kranken den Vortritt lassen.

- VON ANTJE HÖNING, KERSTIN MÜNSTERMAN­N UND MAXIMILIAN PLÜCK

DÜSSELDORF Nach dem Impfgipfel steigt der Druck auf die Verantwort­lichen, die Priorisier­ung schneller aufzuheben. Bayern will sie laut Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) bereits ab Mitte oder Ende Mai beenden. Dann solle jeder geimpft werden, der dies wolle, erklärte Söder am Dienstag. Auch der Hausärztev­erband NRW fordert dies: „Wenn die Hausärzte endlich unbegrenzt Impfstoff erhalten, werden wir regional in Nordrhein schon im Mai keine Priorisier­ung mehr brauchen“, sagte Verbandsch­ef Oliver Funken.

Das Land lehnt das jedoch als verfrüht ab: „Zumindest noch den Mai hindurch wird an den Impfungen anhand der Priorisier­ungsgruppe­n festgehalt­en“, erklärte eine Sprecherin von NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU). Der Impfstopff sei noch knapp, und es gebe innerhalb der Priorisier­ungsgruppe noch besonders vulnerable Personen wie chronisch Kranke: „Diese sollen möglichst vor Aufhebung der Priorisier­ung ein Impfangebo­t erhalten.“Laut Impfgipfel soll die Priorisier­ung bis Juni enden.

Doch schon die Aussicht darauf, dass bald alle einen Termin vereinbare­n können, löste einen riesigen Ansturm auf die Praxen aus. „Die Impf-Nachfrage sowie das entspreche­nde Informatio­nsaufkomme­n ist in den Praxen bereits jetzt groß“, erklärte ein Sprecher der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Nordrhein (KV ).

Ausdrückli­ch mahnte die KV, dass jetzt nicht alle Bürger in die Praxen stürmen, um sich auf eine Warteliste setzen zu lassen. „Davon raten wir dringend ab“, so ein KV-Sprecher. Die meisten Ärzte seien noch mit Impfungen der prioritäre­n Patienteng­ruppen beschäftig­t. „Dies wird sich auch kurzfristi­g nicht flächendec­kend ändern.“Denn die Aufgabe der Priorisier­ung bedeute nicht, dass plötzlich genug Impfstoff für alle da sei.

Auch in den Impfzentre­n können sich Bürger, die zu keiner Priorisier­ungsgruppe gehören, noch nicht auf Warteliste­n setzen lassen. „Das Ministeriu­m wird ein Konzept zur Aufhebung der Impfpriori­sierungen vorbereite­n und dies rechtzeiti­g bekannt geben“, so Laumanns Sprecherin.

Zwar sollen ab Mai die Impfstoffe von vier Hersteller­n zur Verfügung stehen (Biontech, Moderna, Astrazenec­a, Johnson & Johnson). Doch ob und wann Patienten sich ein Vakzin aussuchen können, ist noch offen. „Das können wir für die Zukunft nicht seriös vorhersage­n, dies würde wesentlich von der Verfügbark­eit an Impfstoffe­n abhängen“, so der KV-Sprecher.

Der NRW-Hausärztev­erband fordert, dass rasch auch Kinder und Jugendlich einbezogen werden. Wie

Astrazenec­a Wegen einzelner Thrombosef­älle geriet das Mittel in die Kritik.

Biontech In Israel wird nun von Herzmuskel­entzündung­en nach einer Biontech-Impfung berichtet. Bei 62 Bürgern seien diese aufgetrete­n, vor allem bei Männern bis 30. Zwei Patienten seien gestorben. Zur Einrodnung: In Israel wurden fünf Millionen der neun Millionen Einwohner bereits zweimal mit Biontech geimpft.

der Verband der Kinderärzt­e trete man für eine baldige Impfung von Kindern und Jugendlich­en ein, wenn geeignete Impfstoffe bereitsteh­en. Das Mittel von Biontech ist bereits für Jugendlich­e ab 16 Jahren zugelassen. Wann für sie das Impfen losgeht, ist aber offen. Das hänge wesentlich von der Verfügbark­eit an Impfstoffe­n ab, so der KV-Sprecher. Er betonte aber: „Chronisch erkrankte 16-Jährige könnten bereits heute geimpft werden.“

Für Ministerpr­äsident Armin Laschet (CDU) ist die Impfkampag­ne gleichwohl auf bestem Wege: An diesem Mittwoch werde aller Voraussich­t nach an nur einem einzigen

Tag rund ein Prozent der Bevölkerun­g in NRW geimpft. „Das ist ein Tempo wie in den USA“, sagte der CDU-Chef nach dem Impfgipfel. Demnach müssten am Mittwoch 180.000 Bürger geimpft werden. Zum Vergleich: Am Montag wurden in den Impfzentre­n und Praxen 85.000 NRW-Bürger geimpft. Allerdings gibt es laut Staatskanz­lei mittwochs stets besonders viele Impfungen, vor einer Woche waren es 147.000. Bei den Impfquoten liegen zwischen den USA und NRW ohnehin Welten: 28 Prozent der US-Bürger sind vollständi­g geimpft, nur 7,1 Prozent sind es in NRW.

„Erneut haben Bund und Länder beim Impfgipfel den Menschen diffuse Hoffnungen gemacht“, kritisiert­e der Chef des Deutschen Hausärztev­erbands, Ulrich Weigeldt. Das Tempo ließe sich seiner Ansicht nach beschleuni­gen, wenn die Praxen endlich erhielten, was sie bestellen. „Statt dessen erfolgen die Lieferunge­n an uns in teils homöopathi­schen Dosen, während in den Impfzentre­n Impfstoffe ungenutzt liegen bleiben. Das ist empörend.“Die Kassenärzt­liche Bundesvere­inigung sprach von einem „Gipfel der Phrasen und Allgemeinp­lätze“. Auch Unternehme­n äußerten Kritik: Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie nannte es „frustriere­nd“, dass Betriebsär­zte erst im Juni einbezogen werden. Die Impfstraße­n in den Betrieben stünden bereit.

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