Freude am Durchlavieren
Der Rheinländer hat ein Herz für Schelme und Schlawiner und ehrt sie mit Legenden.
Herzogtum Berg zuging, dessen Residenzstadt Düsseldorf war. Selbst Heinrich Heine war beeindruckt von der Macht und Herrlichkeit, die sich ihm beim Einzug des Kaisers zeigte: „Als ich mich durch das gaffende Volk drängte, dachte ich an die Taten und Schlachten, die mir Monsieur Le Grand vorgetrommelt hatte, mein Herz schlug den Generalmarsch…“Napoleon dagegen war zwar angetan von Düsseldorf, sah aber wohl noch Entwicklungspotenzial. Er beauftragte ein Verschönerungsprogramm, dessen eindrucksvollste Hinterlassenschaft die heutige Königsallee ist. Zurück zu Schneider Wibbel: Es hat ihn nicht gegeben, ein Denkmal wurde ihm trotzdem gesetzt – in der Altstadt, die schon Napoleon als Vergnügungsstätte bewunderte. Warum es den Rheinländern der Wibbel so angetan hat? Weil der sich mühte, aus jeder Situation das Beste zu machen, sich durchzulavieren. Damit er nicht einsitzen musste, schickte der Schneider seinen braven Gesellen ins Kittchen. Als der unerwartet starb, musste Wibbel der „eigenen Beerdigung“zusehen und war gerührt: „Nee, wat bin ich für ne schöne Leich.“Als eigener Zwillingsbruder kehrte er ins Leben zurück, heiratete seine Frau zum zweiten Mal, und beide lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. So der Roman. Vom Kaiser, vor 200 Jahren gestorben, bleibt der Mythos, von Wibbel, der nie gelebt hat, die Legende.
Unser Autor ist stellvertretender Chefredakteur. Er wechselt sich hier mit Politikredakteurin Dorothee Krings ab.