Rheinische Post Mettmann

Lockerunge­n nicht in Sicht

- VON KIRSTEN BIALDIGA, JAN DREBES UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

Bund und Länder halten sich eine Verschärfu­ng der Regeln offen. Der Expertenra­t warnt vor einer Überlastun­g der Intensivst­ationen. PCR-Tests soll es vorrangig für gefährdete Gruppen geben – Eltern und Lehrer in NRW sind besorgt.

DÜSSELDORF/BERLIN Eine Verschärfu­ng der Corona-Maßnahmen in den kommenden Wochen wird wahrschein­licher. Bund und Länder haben in ihren jüngsten Beratungen am Montag einen ersten Entwurf nachgebess­ert und sich verständig­t, notfalls die Regeln nachzuschä­rfen. „Die Entwicklun­g der Omikron-Welle wird weiter aufmerksam beobachtet. Wenn eine Überlastun­g des Gesundheit­ssystems droht, werden wir weitergehe­nde Maßnahmen zur Infektions­kontrolle vereinbare­n“, hieß es in einer neuen Version.

Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) sagte nach dem Treffen: „Jetzt aber gilt erst mal: Kurs halten.“Die sehr strengen Kontaktbes­chränkunge­n hätten dazu beigetrage­n, dass die hohen Infektions­zahlen hierzuland­e später erreicht worden seien als in Nachbarlän­dern.

Die Ministerpr­äsidenten und der Kanzler folgen damit Empfehlung­en des Expertenra­ts vom Wochenende.

FDP-Politiker hatten hingegen im Vorfeld der Bund-Länder-Beratungen auf Lockerunge­n der Corona-Maßnahmen gedrungen. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpr­äsident Hendrik Wüst (CDU), zurzeit Vorsitzend­er der Ministerpr­äsidentenk­onferenz, plädierte am Wochenende dafür, schon jetzt einen Weg in die Normalität vorzuberei­ten. In dem Bund-Länder-Beschluss wird auch die Option von Lockerunge­n zu einem späteren Zeitpunkt erwähnt. „Wir müssen in beide Richtungen blicken“, stellte Wüst nun nach den Beratungen fest. Der Expertenra­t habe eine klare Mahnung ausgesproc­hen, dass eine Überlastun­g der Intensivst­ationen drohe. Am zweiten Tag in Folge sei die Belegung dort gestiegen.

Die Kommunen vermissen eine Öffnungspe­rspektive. „Eine ExitStrate­gie haben Bund und Länder lediglich in Aussicht gestellt. Das ist bedauerlic­h“, sagte der Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städteund Gemeindebu­nds, Gerd Landsberg: „Es wäre klug gewesen, bereits jetzt festzulege­n, wann welche Beschränku­ngen in welcher Reihenfolg­e unter welchen Voraussetz­ungen zurückgefa­hren werden können.“

Die Bund-Länder-Runde beschloss ebenfalls, dass PCR-Tests künftig vorrangig in medizinisc­hen Einrichtun­gen sowie bei Menschen aus Risikogrup­pen und deren Betreuern einzusetze­n sind. Bisher hat jeder mit einem positiven Schnelltes­t

oder einer roten Kachel in der Corona-Warn-App Anspruch auf eine kostenlose PCR-Nachtestun­g. Wegen der rasant steigenden Infektions­zahlen sind die Labore überlastet. Im europäisch­en Vergleich hat Deutschlan­d die viertwenig­sten Kapazitäte­n pro Kopf der Bevölkerun­g. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) sagte nach Wüsts Angaben zu, dass die Testkapazi­täten ausgeweite­t werden.

Leidtragen­de der Priorisier­ung bei den PCR-Tests könnten unter anderem Lehrer und Erzieher, Schüler und Kita-Kinder sein. „Regelmäßig­es Testen hilft und sorgt für Sicherheit – auf allen Seiten“, sagte der NRW-Vorsitzend­e des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Stefan Behlau, unserer Redaktion. Zwar sei an den Grund- und Förderschu­len das lange Warten auf die Testergebn­isse nervenaufr­eibend und werde zur Belastungs­probe: „Dennoch ist es wichtig, gerade an diesen Schulforme­n mit den jüngsten und vulnerabel­sten Schülergru­ppen weiterhin mit PCR-Testungen

fortzufahr­en“, so Behlau.

Besorgt ist auch die Landeselte­rnvertretu­ng NRW: „Befürchtet wird, dass nun auch Lolli-Testungen eingestell­t werden“, sagte die Vizevorsit­zende Andrea Reichardt-Lausberg. Leider sei nicht rechtzeiti­g vorgesorgt worden; die Kapazitäte­n für Einzelausw­ertung und Nachverfol­gung reichten nicht aus. Wenn es keine PCR-Tests mehr gebe, überlasse man alle vulnerable­n Gruppen in der Schule ihrem Schicksal. In Berlin wurde die Präsenzpfl­icht in Schulen am Montag aufgehoben.

Unternehme­n können sich über März hinaus auf Corona-Wirtschaft­shilfen des Staats einstellen. Keine Änderungen hingegen wird es wohl bei der Impfpflich­t für medizinisc­hes Personal geben, die ab dem 15. März gelten soll. Alle 16 Ministerpr­äsidenten hätten zudem bekräftigt, dass sie eine allgemeine Impfpflich­t für erforderli­ch halten, hieß es. Mit Nachdruck solle auch die Digitalisi­erung des Gesundheit­swesens vorangetri­eben werden. Leitartike­l, Politik

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