Lockerungen nicht in Sicht
Bund und Länder halten sich eine Verschärfung der Regeln offen. Der Expertenrat warnt vor einer Überlastung der Intensivstationen. PCR-Tests soll es vorrangig für gefährdete Gruppen geben – Eltern und Lehrer in NRW sind besorgt.
DÜSSELDORF/BERLIN Eine Verschärfung der Corona-Maßnahmen in den kommenden Wochen wird wahrscheinlicher. Bund und Länder haben in ihren jüngsten Beratungen am Montag einen ersten Entwurf nachgebessert und sich verständigt, notfalls die Regeln nachzuschärfen. „Die Entwicklung der Omikron-Welle wird weiter aufmerksam beobachtet. Wenn eine Überlastung des Gesundheitssystems droht, werden wir weitergehende Maßnahmen zur Infektionskontrolle vereinbaren“, hieß es in einer neuen Version.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte nach dem Treffen: „Jetzt aber gilt erst mal: Kurs halten.“Die sehr strengen Kontaktbeschränkungen hätten dazu beigetragen, dass die hohen Infektionszahlen hierzulande später erreicht worden seien als in Nachbarländern.
Die Ministerpräsidenten und der Kanzler folgen damit Empfehlungen des Expertenrats vom Wochenende.
FDP-Politiker hatten hingegen im Vorfeld der Bund-Länder-Beratungen auf Lockerungen der Corona-Maßnahmen gedrungen. Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), zurzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz, plädierte am Wochenende dafür, schon jetzt einen Weg in die Normalität vorzubereiten. In dem Bund-Länder-Beschluss wird auch die Option von Lockerungen zu einem späteren Zeitpunkt erwähnt. „Wir müssen in beide Richtungen blicken“, stellte Wüst nun nach den Beratungen fest. Der Expertenrat habe eine klare Mahnung ausgesprochen, dass eine Überlastung der Intensivstationen drohe. Am zweiten Tag in Folge sei die Belegung dort gestiegen.
Die Kommunen vermissen eine Öffnungsperspektive. „Eine ExitStrategie haben Bund und Länder lediglich in Aussicht gestellt. Das ist bedauerlich“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städteund Gemeindebunds, Gerd Landsberg: „Es wäre klug gewesen, bereits jetzt festzulegen, wann welche Beschränkungen in welcher Reihenfolge unter welchen Voraussetzungen zurückgefahren werden können.“
Die Bund-Länder-Runde beschloss ebenfalls, dass PCR-Tests künftig vorrangig in medizinischen Einrichtungen sowie bei Menschen aus Risikogruppen und deren Betreuern einzusetzen sind. Bisher hat jeder mit einem positiven Schnelltest
oder einer roten Kachel in der Corona-Warn-App Anspruch auf eine kostenlose PCR-Nachtestung. Wegen der rasant steigenden Infektionszahlen sind die Labore überlastet. Im europäischen Vergleich hat Deutschland die viertwenigsten Kapazitäten pro Kopf der Bevölkerung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte nach Wüsts Angaben zu, dass die Testkapazitäten ausgeweitet werden.
Leidtragende der Priorisierung bei den PCR-Tests könnten unter anderem Lehrer und Erzieher, Schüler und Kita-Kinder sein. „Regelmäßiges Testen hilft und sorgt für Sicherheit – auf allen Seiten“, sagte der NRW-Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Stefan Behlau, unserer Redaktion. Zwar sei an den Grund- und Förderschulen das lange Warten auf die Testergebnisse nervenaufreibend und werde zur Belastungsprobe: „Dennoch ist es wichtig, gerade an diesen Schulformen mit den jüngsten und vulnerabelsten Schülergruppen weiterhin mit PCR-Testungen
fortzufahren“, so Behlau.
Besorgt ist auch die Landeselternvertretung NRW: „Befürchtet wird, dass nun auch Lolli-Testungen eingestellt werden“, sagte die Vizevorsitzende Andrea Reichardt-Lausberg. Leider sei nicht rechtzeitig vorgesorgt worden; die Kapazitäten für Einzelauswertung und Nachverfolgung reichten nicht aus. Wenn es keine PCR-Tests mehr gebe, überlasse man alle vulnerablen Gruppen in der Schule ihrem Schicksal. In Berlin wurde die Präsenzpflicht in Schulen am Montag aufgehoben.
Unternehmen können sich über März hinaus auf Corona-Wirtschaftshilfen des Staats einstellen. Keine Änderungen hingegen wird es wohl bei der Impfpflicht für medizinisches Personal geben, die ab dem 15. März gelten soll. Alle 16 Ministerpräsidenten hätten zudem bekräftigt, dass sie eine allgemeine Impfpflicht für erforderlich halten, hieß es. Mit Nachdruck solle auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorangetrieben werden. Leitartikel, Politik