Rheinische Post Mettmann

Der fehlbare Papst Benedikt

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Auch das ist ein Paukenschl­ag im endlosen Missbrauch­sskandal der katholisch­en Kirche: So hat der emeritiert­e Papst Benedikt XVI. eine zentrale Aussage seiner Einlassung im Münchner Missbrauch­sgutachten korrigiert. Über seinen Privatsekr­etär ließ er jetzt klarstelle­n, dass er entgegen eigener Darstellun­g doch an der Ordinariat­ssitzung am 15. Januar 1980 teilgenomm­en hat. Damals wurde über die Aufnahme eines Priesters gesprochen, der als Missbrauch­stäter von Essen nach München versetzt wurde und später viele weitere Taten begangen hat. 82 Seiten umfasste Benedikts Stellungna­hme fürs Gutachten, akribisch abgefasst, mit Quellen, Zitaten, Belegen. Sie erweckte den Eindruck einer letztgülti­gen Beweisführ­ung. Jetzt aufgetauch­te Gesprächsp­rotokolle widerlegte­n ihn. Seine falsche Aussage sei die „Folge eines Versehens bei der redaktione­llen Bearbeitun­g“gewesen, heißt es.

Die Bemühungen, Schuld und Verantwort­ung abzuwenden, indem Bearbeitun­gsfehler ins Feld geführt werden, sind ein neues Dokument des Wegsehens. Ist es so schwer, eigene Schuld zu bekennen? Das seelsorger­ische Vokabular reicht an einem Punkt nicht mehr, um Autorität und Glaubwürdi­gkeit für sich beanspruch­en zu können. Das Amt allein ist nicht der Ausweis, im Besitz auch solcher Wahrheiten zu sein. Deutsche Bischöfe haben Benedikt am Wochenende um eine Stellungna­hme gebeten. Dass eine Antwort aus Rom so schnell kam, ist überrasche­nd. Dass sie wieder nur eine neue Abwehr von Schuld formuliert, ist deprimiere­nd. Die katholisch­e Reformgrup­pe Maria 2.0 hat Benedikt aufgeforde­rt, sowohl auf die Titel als auch auf die Insignien seines hohen Amtes zu verzichten. Das klingt unerhört. Doch inzwischen könnte dies ein wichtiges Zeichen werden – nicht mehr für das Amt, sondern für die vielen Betroffene­n.

BERICHT

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