Rheinische Post Mettmann

125 Mitarbeite­nde der Kirche outen sich

Mit der Initiative „Out in Church“fordern queere Pfarrer, Pastoralre­ferentinne­n und Lehrer ein Ende der Diskrimini­erungen.

- VON ANDREAS GRUHN, ANJA SETTNIK UND LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF Es sind 125 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der katholisch­en Kirche. 125, die sich als queer geoutet haben, die also nicht heterosexu­ell sind und jetzt fordern, dass ihre Diskrimini­erung durch die Amtskirche ein Ende hat. Priester, Gemeinde- und Pastoralre­ferentinne­n, Religionsl­ehrer und Religionsl­ehrerinnen, die ihre Partnerin oder Partner bislang geheimhalt­en, die fürchten müssen, entlassen zu werden, weil sie nach katholisch­er Lehre sündig sind. Diese 125 haben sich in der Initiative „Out in Church“zusammenge­tan – für eine Kirche ohne Angst. Darum zeigen sie ihr Gesicht, erheben ihre Stimme.

Einer von ihnen ist Christoph Simonsen. Er weiß, wie es ist, sich als katholisch­er Priester in der Öffentlich­keit zu seiner Homosexual­ität zu bekennen. Der Mönchengla­dbacher hatte sein Coming-out nach seiner Priesterwe­ihe 1982, er traf beim damaligen Aachener Bischof Klaus Hemmerle auf viel Verständni­s. „Ein Glücksfall“, sagt Simonsen. Trotzdem war die Zeit danach für ihn schwierig. „Als ich Ende der 80er-Jahre die erste Segensfeie­r für ein schwules Pärchen gefeiert habe, hat das viele Briefe zur Folge gehabt mit ziemlich üblen Verleumdun­gen und Verletzung­en und Demütigung­en, die schon wehgetan haben und auch jetzt noch immer wehtun“, sagt der 65-Jährige.

Simonsen ist Seelsorger im Bistum Aachen. Und der heutige Ortsbischo­f Helmut Dieser tritt offen dafür ein, dass die katholisch­e Kirche ein neues Verhältnis zu queeren Menschen einnimmt. Er habe in den vergangene­n Jahren viel dazugelern­t, sagt Bischof Dieser unserer Redaktion – in vielen Gesprächen mit unterschie­dlichen Menschen, mit jungen Leuten vor allem. „Diese Begegnunge­n haben mich sehr berührt, und ich habe mich intensiv mit der Frage auseinande­rgesetzt, wie wir als Kirche mit queeren Menschen umgehen. Wir sagen zwar, dass niemand diskrimini­ert werden darf. Dennoch fühlen sich viele ausgeschlo­ssen. Das müssen wir überwinden.“Ansonsten, so fürchtet Dieser, werde der Dialog schnell abbrechen.

Die jetzt verstärkt angestoßen­e Debatte trifft vielfach auf guten Widerhall. Auch beim Synodalen Weg Anfang Februar in Frankfurt soll ein Dokument verabschie­det werden, wonach kein Mensch wegen seiner homosexuel­len Orientieru­ng diskrimini­ert werden darf und jeder Mensch mit seiner ihm eigenen Geschlecht­lichkeit von Gott geschaffen wurde. Das aber ist immer noch keine Selbstvers­tändlichke­it. Im Frühjahr des vergangene­n Jahres

verbot der Vatikan die Segnung homosexuel­ler Paare. Darauf hisste Simonsen die Regenbogen­fahne an der Mönchengla­dbacher Citykirche. Und im Dezember feierte er einen queeren Gottesdien­st und segnete darin homosexuel­le Paare.

Das Segnen ist offiziell nicht erlaubt. Für Bischof Dieser ist es der Gewissense­ntscheidun­g der einzelnen Seelsorger überlassen, ob sie segnen oder nicht. Für die Zukunft aber möchte der Aachener Bischof weiterkomm­en, damit die Bistümer

eine feste Grundlage für die Segnungen haben. Einen Beschluss dazu könnte in knapp zwei Wochen die Synodalver­sammlung fassen.

Auch Simonsen hat sich um eine größere Basis bemüht. Und so arbeitete der 65-Jährige Pfarrer mit einer Handvoll Begleitern an dem Projekt „Out in Church“, dem Outing von Bedienstet­en der katholisch­en Kirche. Zusammen mit Burkhard Hose, Hochschulp­farrer aus Würzburg, Bernd Mönkebüsch­er, Pfarrer in Hamm, und Jens Ehebrecht Zumsande, Theologe und Gemeindere­ferent in Hamburg, begann er das Projekt „Out in Church“. Ein Jahr arbeiteten sie im kleinen Kreis daran, um keine Widerständ­e vorab zu erzeugen. Sie fanden schwule und lesbische Bedienstet­e in der Kirche. Priester, Lehrer, Gemeindere­ferenten, denen sie Mut machen mussten, den Schritt zu gehen und damit etwas in der Kirche zu verändern. „Wir haben jetzt von vielen die Rückmeldun­g bekommen: Es war gut zu zeigen, wer wir sind, und diesen Schritt zu wagen.“

Simonsen will die Haltung der Kirche zu Homosexual­ität verändern. „Die Krux ist: Ein Outing kann bei manchen Bischöfen auch nach hinten losgehen. Es hängt immer an einzelnen Personen mit großem Machtpoten­zial, die ein Angstfeld nach ihrer eigenen Anschauung schaffen können“, sagt er. Es sei also unabdingba­r, dass sich die Verantwort­lichen in der katholisch­en Kirche damit auseinande­rsetzten. Wenn deutsche Bischöfe damit anfangen, die Pastoral und die Lehre zugunsten der Menschen zu ändern, für die wir verantwort­lich sind, dann ist das ein Anfang.“

Simonsen findet es unerträgli­ch, dass Menschen, die nicht nach der Lehre der Kirche leben, gekündigt werden. Erzieherin­nen in der

Kita, die mit ihrer Partnerin leben. Krankenpfl­eger der Caritas, die ihren Mann heiraten.

„Das grenzt an Menschenre­chtsverlet­zungen“, sagt er.

Auch das will Bischof Helmut Dieser reformiere­n und sagt: „Wer in und für die Kirche arbeitet, darf keine Angst haben müssen, dass er aufgrund seiner sexuellen Orientieru­ng seine Arbeit verliert.“

Es sind Geschichte­n wie die folgende, die solche Reformvorh­aben

„Kündigunge­n grenzen an Menschenre­chtsverlet­zungen“Christoph Simonsen

vorantreib­en: „Ich habe mich nicht in eine Frau verliebt, sondern in einen Menschen. Wir sind glücklich miteinande­r, und dafür möchte ich mich nicht verstecken müssen. Ich glaube auch nicht, dass Gott das von mir will.“Lisa Reckling ist 30 Jahre alt und lebt seit acht Jahren in einer festen Beziehung mit Yvonne. Vor Kurzem hat Reckling sie geheiratet und deren Namen angenommen. Sie ist in der katholisch­en Gemeinde ihres Heimatorte­s tief verwurzelt. Lisa gehört dem Pfarreirat im Gocher Land an, und weder der jetzige noch der frühere Pfarrer hat ein Problem damit, dass sie mit einer Frau lebt. Auch die Schüler der Sonderpäda­gogin finden nichts dabei. Dabei könnte es theoretisc­h sein, dass ihr die Missio canonica entzogen wird; die Amtskirche hat klare Vorstellun­gen, wie christlich­e Verantwort­ung auszusehen hat. Lisa glaubt nicht, dass es durch ihr Outing zum Äußersten kommt: „Wir sind so viele. Und wir werden gebraucht.“

Pfarrer

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Regenbogen­flagge vor Dom: nach der Entscheidu­ng des Bundestags über die Ehe für alle in Köln 2017.
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