Hoffnung für Assange
Der Wikileaks-Gründer kann wegen der drohenden Auslieferung in Berufung gehen.
LONDON Hoffnung für Julian Assange: Der Wikileaks-Gründer darf gegen seine drohende Auslieferung in die USA vor dem britischen Supreme Court, dem höchsten britischen Gericht, Berufung einlegen. Der Londoner High Court entschied am Montag, dass der gebürtige Australier eine Entscheidung vom Dezember anfechten kann. Damals hatte der High Court die Überstellung des 50-Jährigen gebilligt, weil das Gericht die Versicherungen der amerikanischen Behörden über die Zumutbarkeit der Haftbedingungen in den USA für glaubhaft hielt: Da somit ein Suizidrisiko ausgeschlossen werden könne, sei seine Auslieferung statthaft.
Assange wird vom amerikanischen Justizministerium der „unbefugten Enthüllung von Verteidigungsinformationen“beschuldigt. Er soll gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen haben. Dadurch habe man das Leben von US-Informanten gefährdet. Da Assange auf der Grundlage eines Spionagegesetzes angeklagt wird, drohen dem 50-Jährigen im Fall einer Auslieferung bis zu 175 Jahre Haft.
Der Spruch des High Court im Dezember hatte eine erstinstanzliche Entscheidung vom Januar 2021 aufgehoben, nach der eine Überstellung von Assange wegen dessen fragilen psychischen Gesundheitszustands nicht statthaft sei. Dieser Punkt ist noch strittig. Jetzt dürfen Assanges Anwälte in die letztmögliche Instanz des britischen Rechtswesens gehen und vor dem Supreme
Court Einspruch einlegen – das juristische Tauziehen geht weiter.
Die Causa Assange beschäftigt die Weltöffentlichkeit jetzt schon seit mehr als zehn Jahren. Julian Assange hatte auf der Enthüllungsplattform Wikileaks 2010 und 2011 rund eine Viertelmillion geheime diplomatische Depeschen des USAußenministeriums veröffentlicht. Berühmt geworden ist ein Video aus dem Cockpit eines Apache-Helikopters, das dokumentiert, wie die Piloten das Feuer auf einen Minibus eröffnen. In dem Video, das Assange „Collateral Murder“nannte, ist zu sehen, wie rund ein Dutzend unbewaffnete Zivilpersonen und Journalisten niedergeschossen und somit zu Opfern eines offensichtlichen Kriegsverbrechens werden. Die aus den Wikileaks-Veröffentlichungen resultierende Flut an kompromittierenden Enthüllungen machte Assange zu einer Hassfigur in den USA. Amerikanische Politiker verlangten die Todesstrafe für den gebürtigen Australier. In der übrigen Welt brachte ihm die Dokumentation
von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen durch US-Streitkräfte einen JournalismusPreis nach dem anderen ein.
Der Aktivist hatte sich stets gegen eine Auslieferung in die USA gewehrt und dafür ein Jahrzehnt in Unfreiheit in Kauf genommen. Im Juni 2012 flüchtete Assange in die ecuadorianische Botschaft in London und beantragte Asyl, um einer Auslieferung nach Schweden zu entgehen, wo man ihm Sexualdelikte vorwarf. Sieben Jahre lang verblieb Assange im selbst gewählten Hausarrest, bevor ihm Ecuador 2019 das Asyl entzog und der britischen Polizei erlaubte, ihn in der Botschaft festzunehmen.
Seitdem sitzt Assange im Londoner Belmarsh Prison ein, das von seiner früheren Anwältin, jetzigen Verlobten und Mutter seiner zwei Söhne, Stella Moris, als „britisches Guantánamo“bezeichnet wurde. Am Montag zeigte sich Moris überglücklich über die Entscheidung des High Court. „Das ist genau das, was wir wollten“, sagte sie.