Rheinische Post Mettmann

Tödliche Schüsse im Hörsaal

- VON WOLFGANG JUNG, MIRJAM UHRICH UND HENNING OTTE

Ein 18-Jähriger stürmt mit Waffen in eine Vorlesung der Universitä­t Heidelberg und eröffnet das Feuer. Eine junge Frau stirbt, auch der Täter ist tot. Flinte und Gewehr hat er selbst gekauft, im Ausland. Der Amoklauf erschütter­t die Stadt.

HEIDELBERG (dpa) Das Entsetzen nach dem Amoklauf in Heidelberg steht Polizeiprä­sident Siegfried Kollmar auch Stunden danach noch deutlich ins Gesicht geschriebe­n. Binnen 43 Sekunden seien am Mittag sieben Notrufe eingegange­n – „da wussten wir, dass das keine Fake News waren“. In einem Hörsaal seien Schüsse gefallen, hieß es. Minuten später waren Beamte auf dem Campus der renommiert­en Ruprecht-Karls-Universitä­t, insgesamt dann 400 Einsatzkrä­fte.

Sie finden den 18 Jahre alten mutmaßlich­en Täter, einen Studenten der Biowissens­chaft, tot auf dem Areal. Eine 23-jährige Frau stirbt später an ihren Schussverl­etzungen, drei Menschen werden verletzt. Warum der junge Mann mit zwei illegal im Ausland erworbenen Waffen, einer Schrotflin­te und einem Repetierge­wehr, in den Hörsaal stürmte, blieb zunächst unklar. Er habe seine Tat angekündig­t, sagt Kollmar. Er habe eine Whatsapp-Nachricht an „eine Person“geschickt und geschriebe­n, „dass Leute jetzt bestraft werden müssen“. Das Geschehene sei „an Tragik nicht zu überbieten“.

Am Mittag dieses sonnigen Januartags herrscht in Heidelberg Ausnahmezu­stand. Kurz nach dem Amoklauf grenzen rot-weiße Absperrbän­der auf dem riesigen Universitä­tsgelände den Tatort ab, die

Polizei kontrollie­rt die Zufahrten. In der Luft ist ein Polizeihub­schrauber, unweit kreuzt ein Patrouille­nboot der Wasserschu­tzpolizei.

„Den Ermittlung­en zufolge ist der Täter kurz vor halb eins in den Hörsaal gekommen und hat um sich geschossen“, sagt ein Polizeispr­echer. Die Einsatzkrä­fte seien durch einen Anruf alarmiert worden. „Der Täter ist geflüchtet und hat sich selbst gerichtet.“ Auf dem labyrintha­rtigen Gelände suchte ein Spezialein­satzkomman­do nach einem möglichen zweiten Täter – gegen 15.15 Uhr kommt dann die Entwarnung: Der Mann sei ein Einzeltäte­r gewesen. Er soll demnach keine politische­n oder religiösen Motive gehabt haben. Man gehe eher von einer Beziehungs­tat oder psychische­n Problemen aus. Die Ermittler machten noch keine Angaben zum Motiv. Dafür sei es noch zu früh, sagte Andreas Herrgen, Leiter der Staatsanwa­ltschaft Heidelberg.

Die Tatwaffe sei die Schrotflin­te gewesen. Die Waffen habe er nach bisherigen Erkenntnis­sen vor einigen Tagen selbst gekauft. Es gebe Belege. Zu klären sei nun, wer jemandem ohne Waffensche­in eine Waffe verkaufe. Zudem soll er noch mehr als 100 Schuss Munition im Rucksack gehabt haben. Warum er mit dem Schießen aufgehört habe, wisse man noch nicht, sagte Kollmar.

„Zuerst haben wir das gar nicht geglaubt, was da über Telegram und Whatsapp reinkam“, erzählt ein 32-Jähriger, der am benachbart­en Campus Bergheim Soziologie, Philosophi­e und Kunstgesch­ichte studiert. Doch die Helikopter hätten dann keinen Zweifel gelassen – etwas Schlimmes war passiert. Einige Studenten seien nach Hause gegangen, andere wie er selbst seien wegen der unklaren Situation in den Räumen geblieben. Ohnehin seien die Busse nicht mehr gefahren.

Eine Mitarbeite­rin des Unikliniku­ms war gerade auf dem Weg in die Mittagspau­se: „Eigentlich wollte ich nur kurz zum Bäcker, da sind mir schon richtig viele Streifenwa­gen entgegenge­kommen. Im ZehnSekund­en-Takt. Da dachte ich mir, dass irgendwas passiert sein muss.“

„So etwas im ruhigen Heidelberg“, sagt eine Frau, die am Nachmittag mit anderen Angestellt­en der Universitä­t unweit der Polizisten steht. Ihre Begleiteri­n schüttelt den Kopf. „Erst vor ein paar Jahren ist ein Mann hier in Heidelberg mit dem Auto Amok gefahren und hat einen Mann getötet“, sagt sie. „Alle waren schockiert. Das hier ist genauso schlimm.“Die Tat werde lange nachhallen, meinen Ermittler. „Da war Panik“, schildert Kollmar. „Die Studierend­en hatten Todesangst.“

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FOTO: MICHAEL PROBST/AP Polizeibea­mte bei der Spurensich­erung auf dem Gelände der Heidelberg­er Universitä­t.

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