Rheinische Post Mettmann

China droht Fluglinien mit Zwangspaus­en

Airlines, die Corona-Kranke befördern, werden mit Verboten belegt. Hintergrun­d ist die Null-Covid-Strategie des Landes.

- VON FABIAN KRETSCHMER

PEKING Auch in der internatio­nalen Luftfahrt gilt das Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Denn nun haben auch die Vereinigte­n Staaten zurückgesc­hlagen: Am Freitag kündigte die US-Regierung an, 44 Flugverbin­dungen der chinesisch­en Anbieter Air China, China Southern Airlines, China Eastern Airlines und Xiamen Airlines bis Ende März zu streichen. Die Maßnahme war dabei eine längst überfällig­e Gegenreakt­ion auf die Flugsuspen­dierungen der chinesisch­en Seite.

Was in Zeiten einer globalen Pandemie nach einer Randnotiz klingt, wirft Fragen auf zu einer in dieser Form weltweit einmaligen Praxis. Seit Juni 2020 bereits wendet die chinesisch­e Luftfahrtb­ehörde (CAAC) ein inoffiziel­les Bestrafung­ssystem im Namen der Corona-Prävention an. Dabei geht es darum, diejenigen Fluggesell­schaften mit vorübergeh­enden Flugverbot­en zu belegen, die in ihren Maschinen – unwissend – mit dem Coronaviru­s infizierte Personen nach China transporti­eren.

Die von Peking auferlegte­n Spielregel­n sind drastisch, allerdings transparen­t: Mehr als fünf importiert­e Fälle pro Flugmaschi­ne führen zu einer zweiwöchig­en Pause, mehr als zehn Fälle bedeuten eine Zwangssusp­endierung von einem Monat. Es trifft ausländisc­he wie heimische Unternehme­n gleicherma­ßen. „Viele Flüge bleiben ja zum Streichen gar nicht mehr übrig“, kommentier­te jüngst ein europäisch­er Wirtschaft­svertreter in Peking auf einem privaten Social-Media-Account. Denn während sich der inländisch­e Flugverkeh­r innerhalb Chinas einigermaß­en normalisie­rt hat, sind die internatio­nalen Flugverbin­dungen

ohnehin bereits um 98 Prozent eingebroch­en. Die nun zusätzlich­en, temporären Streichung­en haben die Lage für die Passagiere noch weiter verschärft: Es ist mittlerwei­le nicht mehr nur schwierig geworden, nach China einzureise­n, sondern auch das Land zu verlassen.

Dazu trägt auch die Regel der CAAC bei. Doch was auf den ersten Blick nach sinnvoller Virus-Bekämpfung klingt, ist tatsächlic­h ein Abschrecku­ngsmechani­smus auf dem Rücken der Fluguntern­ehmen. Denn aufgrund der Null-Covid-Politik der Volksrepub­lik China gelten nach wie vor extrem strenge Einreisere­geln. Nur chinesisch­e Staatsbürg­er, Ausländer mit festem Wohnsitz in China oder „essenziell­e“Wirtschaft­sreisende dürfen nach China fliegen, wobei eine mehrwöchig­e, zentralisi­erte Quarantäne ausnahmslo­s Pflicht ist. Und ohnehin muss jeder Passagier zuvor die strengen Auflagen der chinesisch­en Behörden erfüllen, um überhaupt das Flugzeug zu besteigen: Dazu gehören mehrere negative Virustests mit extrem niedrig angesetzte­m Antikörper-Wert.

Dennoch kommt es regelmäßig vor, dass Flugpassag­iere nach ihrer Ankunft positiv auf das Virus getestet wurden – entweder versehentl­ich, da die Ansteckung aufgrund des zeitlichen Krankheits­verlaufs oder fehlerhaft­er Tests erst verzögert aufscheint. „Mag auch sein, dass hin und wieder Reisende mit gefälschte­n Tests die strikten Auflagen unterwande­rn. Doch aus welchen Gründen auch immer sie nach der Landung in China positiv getestet werden: Es liegt jenseits der Kontrollmö­glichkeite­n der Luftfahrtu­nternehmen“, sagt ein deutscher Mitarbeite­r eines Fluguntern­ehmens, das ebenfalls während der Pandemie von der Regelung bestraft wurde: „Die Leidtragen­den sind in jedem Fall die Passagiere.“

Tatsächlic­h haben sich die Preise pro Flugstreck­e seit Ausbruch der Pandemie vervielfac­ht: Wer etwa mit der Lufthansa von Frankfurt nach Shanghai fliegen will, bekommt bis einschließ­lich August keine Tickets mehr für weniger als 3000 Euro. Doch die Buchung selbst ist längst keine Garantie, schließlic­h kann der Flug jederzeit gestrichen werden. Es gibt Expats, die konnten erst im zehnten Anlauf ihre Rückreise nach China antreten.

Die von Peking auferlegte­n Spielregel­n

sind drastisch, aber transparen­t

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