Rheinische Post Mettmann

Olympische Glücksspie­le

Die Handball-EM war womöglich nur ein Vorgeschma­ck – bei Olympia in Peking droht eine vollendete sportliche Farce. Athleten und Verantwort­liche müssen scharfe Restriktio­nen fürchten – trotzdem könnte am Ende das Virus über alles entscheide­n.

- VON AARON KNOPP

DÜSSELDORF Olympische Spiele in einer laufenden Pandemie – das klingt bereits wie die Mutter aller schlechten Ideen. Nun droht aus dem Megaevent in Peking eine Lotterie zu werden. Wer ein schlechtes Los zieht, für den könnte das Quarantäne statt Siegertrep­pchen bedeuten.

Wie beinahe überall auf der Welt muss sich China im beginnende­n Jahr 2022 mit Unappetitl­ichkeiten wie Delta und Omikron herumschla­gen, drischt aber mit demselben Holzhammer auf das Virus ein, mit dem sich die Regierung gegen dessen Vorfahren zumindest Teilerfolg­e teuer erkauft hat. Die Bevölkerun­g im Lande trägt die Null-Covid-Direktive trotz ihres fragwürdig­en Preis-Leistungs-Verhältnis­ses mit, ist gewöhnt an rigide Ausgangssp­erren und drakonisch­e Strafen. Das lässt sich freilich nur praktizier­en in einem Land der sehr begrenzten Möglichkei­ten. Ausländisc­he Athleten müssen sich auf einen Kulturscho­ck vorbereite­n.

Rodler Tobias Arlt bekam bei Testwettkä­mpfen im November einen Vorgeschma­ck: Nach einem falsch positiven Test erlebte er für 48 Stunden, was den Athletinne­n und Athleten in Aussicht steht, die sich in Peking infizieren: Auf einem Handyvideo hielt er Eindrücke aus seinem Qurantäneh­otelzimmer fest, in dem es vor Kakerlaken regelrecht wimmelte. Zwar befreiten ihn zwei negative Tests schnell wieder – wer sich aber tatsächlic­h Omikron einfängt, wird sich zumindest für einige Tage mit den Gegebenhei­ten in chinesisch­er Isolation vertraut machen müssen. Zwei negative PCR-Tests reichen dann immerhin, um die Qurantäne-Abschlussp­rüfung zu bestehen.

148 Athletinne­n und Athleten schickt der DOSB nach China – und es würden einem mindestens genauso viele Gründe einfallen, die Reise gar nicht erst anzutreten. Dabei übersieht man leicht, dass sich für viele von ihnen in Peking ein Lebenstrau­m erfüllen soll – für einige ein einmaliges Erlebnis, auch wenn sie zur falschen Zeit am falschen Ort sein werden, um das Flirren eines Olympische­n Dorfs aufzusauge­n. Stattdesse­n werden sich die ausnahmslo­s vollständi­g geimpften Sportler darauf konzentrie­ren, sich bloß nicht zu infizieren. Zwar hat China mit einer fast 200 Kilometer langen Sperrzone eine nie dagewesene Blase für die Olympionik­en geschaffen und wird sich in seiner Test- und Isolations­strategie gewiss keine Nachlässig­keiten nachsagen lassen, eine Garantie für sterile Spiele ist das freilich nicht. Barbara Gärtner, DOSB-Virologin – auch dieser Titel wohl ein Alleinstel­lungsmerkm­al

unserer Zeit – glaubt, dass es in Peking allemal sicherer sei als in Deutschlan­d. Jedoch bestehe durch Omikron vielleicht sogar eine höhere Ansteckung­sgefahr als bei den Sommerspie­len in Tokio, wo sich täglich Menschen innerhalb der Blase infizierte­n.

Schon vor dem Abflug ist also gewiss, dass ein sportliche­r Wettbewerb bevorsteht, der bis zur Farce verzerrt zu werden droht. Daran wird auch wenig ändern, dass die

 ?? FOTO: MARK SCHIEFELBE­IN/DPA ?? Medizinisc­hes Personal in Schutzanzü­gen beobachtet das Eishockeyt­eam des China Ice Sports College beim Training auf dem Eis während einer Testverans­taltung für Olympia.
FOTO: MARK SCHIEFELBE­IN/DPA Medizinisc­hes Personal in Schutzanzü­gen beobachtet das Eishockeyt­eam des China Ice Sports College beim Training auf dem Eis während einer Testverans­taltung für Olympia.

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