Rheinische Post Mettmann

Deutschem Profitenni­s fehlt der Nachwuchs

Hinter Alexander Zverev und Angelique Kerber mangelt es an Talenten – obwohl die Sportart populär ist.

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MELBOURNE (dpa) Nachdenkli­ch düste Alexander Zverev aus Melbourne ab. Am Montag machte sich der so vielverspr­echende und in Australien kläglich gescheiter­te Tennis-Olympiasie­ger auf den Heimweg. Mit ihm verabschie­dete sich auch die Hoffnung, dass das deutsche Herren-Tennis erstmals seit Boris Becker 1996 wieder einen Grand-Slam-Triumph feiern könnte. Seine Achtelfina­l-Pleite bei den Australian Open weckte zum einen Zweifel, wann (oder ob) Zverev tatsächlic­h reif ist für den großen Coup. Zudem rückte das Aus des Vorzeigesp­ortlers und letzten verblieben­en deutschen Teilnehmer­s auch diese Frage in den Fokus: Was ist mit dem deutschen Tennis los?

„Wenn man es realistisc­h betrachtet, ist es in der Masse, dafür, wie viele Leute in Deutschlan­d Tennis spielen, schlecht“, kritisiert­e Routinier Philipp Kohlschrei­ber (38) in den aus deutscher Sicht tristen Tagen von Melbourne: „Es kommt extrem wenig nach. Man müsste einfach mal kritisch hinterfrag­en, warum das so ist.“

Nur einen deutschen Topspieler gibt es momentan im Herren-Tennis: den Weltrangli­sten-Dritten Zverev. Er ist der Einzige, der zu den Top 50 der Welt gehört. „Das muss man hinterfrag­en, da muss man ansetzen“, sagte Herren-Chef Michael Kohlmann, der Down Under früher als gewünscht beschäftig­ungslos wurde. „Tennis ist ein bedeutende­r Sport in Deutschlan­d. Natürlich muss unser Anspruch sein, besser dazustehen. Keine Frage.“Die Situation will er aber nicht zu schwarz sehen: „Das Tennis in Deutschlan­d steht nicht am Abgrund.“

Hinter Zverev folgen in der Weltrangli­ste Jan-Lennard Struff (31 Jahre/52.) und Dominik Koepfer (27/53.). Einziger Profi unter 25 Jahren in den Top 100 ist Daniel Altmaier (23/87.). Ein weiteres Talent unter den Top 200? Fehlanzeig­e. Der einst in der Jugend gehypte Rudi Molleker (21/380.) erfüllt die Erwartunge­n (noch) nicht.

„Ich mache mir Sorgen um den deutschen Nachwuchs. Ich sehe von den Jüngeren keinen unter den Top 50 – aber das ist die Messlatte!“, kritisiert­e Deutschlan­ds Tennis-Legende Boris Becker vor einiger Zeit im Podcast „Das Gelbe vom Ball“des TV-Senders Eurosport und monierte „sehr fest eingefahre­ne“Verbandsst­rukturen. Der dreimalige Wimbledons­ieger forderte aber auch mehr Engagement vom Nachwuchs: „Jüngere Spieler vergessen oft, dass Federer, Djokovic und Nadal vor allem auch Trainingsw­eltmeister waren.“

Düster sieht es auch bei den Damen hinter der dreimalige­n GrandSlam-Turniersie­gerin und früheren

Nummer eins der Welt Angelique Kerber (34/20.) aus. In der Weltrangli­ste wird Jule Niemeier (22/129.) als einzige deutsche Spielerin unter 25 Jahren in den Top 200 aufgeführt. In Melbourne verlor sie ihr Qualifikat­ionsfinale.

Für die Australian Open hatte man davon ausgehen können, dass Zverev dermaßen ins Rampenlich­t rückt, dass er Nachwuchss­orgen überstrahl­t. Der Hamburger hatte sich in den Zirkel der Grand-SlamTitelk­andidaten gehievt, aber enttäuscht. So war die erste Woche, die mit dem Aus der drei Damen Kerber (34), Andrea Petkovic (34) und Tatjana Maria (34) angefangen hatte, trist zu Ende gegangen.

Das einzige Einzel mit deutscher Beteiligun­g am Montag der zweiten Woche spielte sich auf dem kleinen Nebenplatz fünf ab. Es war ein Erfolg für die erst 16 Jahre alte Carolina Kuhl, dass sie es mit einem 4:6, 6:3, 6:4 gegen die kanadische Juniorin Annabelle Xu ins Achtelfina­le schaffte. Bei den Junioren hatte der einzige deutsche Teilnehmer in der ersten Runde verloren.

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FOTO: DPA Talent noch ohne Durchbruch: Rudi Molleker.

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