„Die Freiheit, so zu sein, wie ich bin“
Georg Henkel (52) gehört zu den 125 Mitarbeitern im Dunstkreis der katholischen Kirche, die sich über die Initiative „#outinchurch“zu ihrer Homosexualität bekennen. Für seinen Beitrag erhält er sehr viel Zuspruch.
DÜSSELDORF Nein, gezögert hat Georg Henkel nicht, als er auf die Initiative „#OutInChurch“aufmerksam wurde. Endlich öffentlich zu sagen, dass er eine andere sexuelle Orientierung hat, dass er einen Mann liebt und auch geheiratet hat, hat für den 52-jährigen Referenten beim ASG-Bildungsforum viel mit Freiheit zu tun. „Der Freiheit, so zu sein, wie man tatsächlich ist“, sagt der Mann, der zehn Jahre als Religionslehrer an einer Düsseldorfer Gesamtschule gearbeitet hatte, bevor er in die Erwachsenenbildung wechselte. Und der nun hofft, mit dem bundesweiten Outing von 125 Frauen und Männern, die unter den Vorgaben der katholischen Kirche oft jahrelang gelitten haben, einen wichtigen Schritt nach vorne zu tun. „Ich möchte, dass Diskriminierung, Zurücksetzung und eine Kultur der Angst bald der Vergangenheit angehören und wir dazu einen Beitrag leisten“, sagt Henkel. Die Worte in seinem gut zweiminütigen Statement lassen ahnen, wie schwer es ihm gefallen ist, den Job als Religionslehrer aufzugeben. „Aber wir wollten heiraten, es ging nicht anders, denn bei Religionslehrern entscheidet die Kirche mit, wer unterrichten darf “, sagt er.
In seinem nun auch bundesweit aufrufbaren Statement spricht Henkel über die Belastungen der vergangenen Jahre. „Es wird viel über uns geredet, also Schwule, Lesben, Bisexuelle, Inter- und Transsexuelle, alles wird immer von außen kommentiert, aber wir sind Menschen, wir haben eine Geschichte, wir möchten uns zeigen, und wir haben was einzubringen, und das ist jetzt der
Beitrag der Stunde“, sagt er. Das Gefühl, er müsse Teile seines Lebens abschneiden und komplett raushalten, sei würdelos. „Das kann ich so nicht mittragen. Was das an Energien bindet, die vielleicht auch in der Beziehung und in der Arbeit mit Menschen fruchtbar werden könnten, das ist ein Preis, der auf Dauer zu hoch ist. Und ich glaube, dass die Kirche einen guten Lehrer verloren hat“, meint Henkel.
Das Echo auf sein Outing ist in Düsseldorf durchweg positiv. Volle Rückendeckung erhält er von Petra Budde, Vorständin des ASGBildungsforums,
bei dem er nun bereits seit einigen Jahren arbeitet. „Eigentlich ist es ein starkes Stück, dass Menschen für etwas Mut aufbringen müssen, was eigentlich längst selbstverständlich sein sollte“, sagt sie. Den Schritt von Henkel und seinen 124 Mitstreitern sieht sie als große Chance. „Wer wen liebt, hat einen Arbeitgeber nicht zu interessieren und es sollte schon gar nicht mit negativen Konsequenzen verbunden sein“, sagt Budde.
Das schätzt auch Düsseldorfs stellvertretender Stadtdechant Joachim Decker so ein. „Ich bin froh, dass es mit der Geheimnistuerei nun hoffentlich ein Ende haben wird“, sagt der Pfarrer für Eller und Lierenfeld. Eigentlich sei ja die Kirche der Wahrheit und der Offenheit verpflichtet. Praktisch habe das beim Thema Homosexualität aber immer anders ausgesehen. „Es wurde zu viel totgeschwiegen, verheimlicht und versteckt – das darf nicht so bleiben“, sagt der Seelsorger.
Auch Peter Krawczack, Leiter des Maxhauses, begrüßt den Schritt. Dass Mitarbeiter nun öffentlich machten „wie Gott sie schuf“stelle für die in ihrer Glaubwürdigkeit und moralischen Integrität am Boden liegende katholische Kirche mindestens zweierlei dar: Zum einen eine weitere Erschütterung einer eng geführten Sexualmoral. Zum anderen biete das Bekenntnis die Chance, dass die Botschaft der Liebe Gottes zu allen Geschöpfen wieder in den Mittelpunkt komme.
Der Journalist Hans-Joachim („Hajo“) Seppelt, einer der Autoren der gestern Abend in der ARD gezeigten Dokumentation, ist vor allem bekannt als Experte für die Dopingproblematik im deutschen und internationalen Sport. „Schon als ich mit 17 im Beichtstuhl saß, fand ich vieles schräg in dieser Organisation.“Ausgetreten aus der katholischen Kirche ist er 2013 – nach aus seiner Sicht frauenfeindlichen Äußerungen des damaligen Papstes Benedikt. Für ihn ist die ARD-Doku längst überfällig. „Die katholische Kirche und der internationale Sport haben einiges gemeinsam“, meint er. „Verkrustete Strukturen, und das Geschäft wird von Männern dominiert.“Nicht jeder der mehr als 100 Interviewten hätte sich getraut, sich vor der Kamera sichtbar zu machen. Diese Diskriminierung könne nicht von Gott gewollt sein, sagt Seppelt.
Auch Rainer Teuber, er gehört zum Presseteam der vor einem Jahr gegründeten Initiative „#outinchurch“hat sich auf der Webseite und in der Doku geoutet. Am Essener Dom leitet Teuber seit 25 Jahren die Museumspädagogik und den Besucherservice, seit 2004 ist er mit einem Mann verheiratet. Die Internetseite von „#outinchurch“war am Montag wegen der hohen Nachfrage zusammengebrochen, wie Teuber bestätigte. „Das zeigt eine unglaubliche Resonanz, es zeigt, wie gesellschaftlich relevant unsere Themen sind.“