Endstation Hanf-Hotel, Bismarckstraße
Prozessauftakt: Zwei Albaner hoffen auf das große Glück und landen stattdessen auf einer Cannabis-Plantage.
METTMANN/WUPPERTAL Im Heimatland unter Vorspiegelung falscher Tatsachen angeworben. Nach Deutschland gekarrt, in eine Cannabis-Plantage „verfrachtet“– und am Ende im Knast gelandet. Es sind die immer gleichen Geschichten, die man über diejenigen hört, die von der Polizei aus den Plantagen geholt werden. Meist sind sie die „Gärtner“– die eigentlichen Drahtzieher bleiben im Dunkeln. Weil sie keiner kennt, weil es dazwischen genug Strohmänner gibt und auch, weil die Angst vor üblen Folgen eines solchen Verrats groß sein dürften. Und so geht es immer weiter mit dem Drogenhandel in großem Stil, für den diejenigen den Kopf hinhalten, die – vorher meist ahnungslos – am Ende in Handschellen aus der illegalen Gärtnerei abgeführt werden.
So scheint es auch diesmal gelaufen zu sein, als am 5. November 2021 ein Einsatzkommando der Polizei am ehemaligen Hotel „Haus Bergmann“in der Bismarckstraße anrückte. Es sollen Nachbarn gewesen sein, die zuvor Alarm schlugen und offenbar schon ahnten, was sich hinter den mit Brettern vernagelten Fenstern abspielt. Vor Ort stießen die Beamten dann auch auf die beiden nun angeklagten Albaner, die in dem Gebäude eingeschlossen waren. Ohne Schlüssel und ohne irgendeine Möglichkeit, das Haus zu verlassen. Um frische Luft zu bekommen, hätten sie ein kleines Fenster öffnen können. „Es war eine Katastrophe“, beschrieben sie auf dem Umweg über die Dolmetscherin die Zustände, unter denen sie knapp zwei Wochen gehaust hatten.
Mit verdorbenem Essen im Kühlschrank und allerlei Ungeziefer im Haus. Sie hätten deshalb nicht schlafen können und auch nicht gewusst, womit sie sich hätten die freie Zeit totschlagen sollen. Einer der beiden Männer (32) war von Albanien aus mit dem Bus über Österreich nach Mönchengladbach eingereist, der andere (21) nach Düsseldorf. Der jüngere der beiden erzählte, er sei in Albanien in einem Café angesprochen worden. Ihm seien ein Job auf dem Bau für vier Wochen und 3000 Euro netto versprochen worden. Er habe Geld verdienen wollen, um in der Heimat die Ausbildung zum Friseur bezahlen zu können. Seine Eltern seien anfangs dagegen gewesen, dann aber hätten sie zugestimmt und ihn gehen lassen.
Dass er am Ende auf einer Cannabis-Plantage enden würde, sei ihm erst in Deutschland klar geworden.
Hier allerdings habe er nicht mehr gewusst, wie er aus der Sache noch hätte rauskommen können. Ohne Ortskenntnis, ohne Sprachkenntnisse und mit der Angst im Nacken, dass seiner Familie in Albanien etwas zustoßen würde, wenn er hier Ärger machen würde. Die Mittelsmänner in Albanien würden seinen Namen kennen und wissen, wo sie seine Eltern finden könnten. Ähnliches hat man als Prozessbeobachter auch schon von jungen Frauen gehört, die ebenfalls unter Vorspiegelung falscher Tatsachen nach
Deutschland geholt werden, um sie hier in einem Bordell „anschaffen“zu lassen.
Hier also waren es zwei Männer, die in Albanien auf das schnell verdiente Geld gehofft hatten, und die 40 Stunden später mit einer To-doListe in der Bismarckstraße standen. Eingeschlossen einerseits in eine hochprofessionell betriebene Plantage und andererseits in eine verdreckte Müllkippe: Zwei Betten, zwei Kühlschränke mit teils abgelaufenen Lebensmitteln und Duschwasser aus der Plantagen-Gieskanne. „Es hat entsetzlich gestunken“, sagte einer der Angeklagten.
Nachdem die Sache im vergangenen November „aufgeflogen“war, hatten LKA-Beamte 1400 Pflanzen aus dem Hotel getragen. Wäre die Plantage Weiterbetrieben worden, hätte man 125 Kilogramm Marihuana ernten können. Zusammen mit dem aufwendigen Equipment wurden die Pflanzen anfangs im Hinterhof in eigens dafür aufgestellten Containern sichergestellt. Die „Gärtner“waren den Beamten in einer der Etagen in die Arme gelaufen.
Gegen einen der Strohmänner, der das Hotel angemietet haben soll, wird bereits ermittelt. Weitere Hintermänner sind auch in diesem Fall nicht bekannt.