Rheinische Post Mettmann

Chor „Mixtour“singt für Joseph

Bei einem Konzert am Samstag im Joachim-Neander-Haus verabschie­det der Chor eine seiner raren Bass-Stimmen. Die geht, besser fährt jetzt erst einmal fünf Jahre mit einem selbstgeba­uten Fahrrad auf Weltreise.

- VON LARS MADER

ERKRATH Gerade erst Anfang 20 war Joseph Kurth, als er aus dem fernen Sachsen, genauer aus Karl Mays von Weinreben gesäumter Wahlheimat Radebeul, für ein Bewerbungs­gespräch nach Erkrath kam. Dort berichtete er der potenziell­en Arbeitgebe­rin, dass er sich freue, nach der langen Fahrt nun zum ersten Mal im Ruhrgebiet zu sein. Worauf ihn die empörte Hochdahler­in nachdrückl­ich belehrte, dass dies hier – bitteschön – das Rheinland sei.

Die Stelle hat Joseph trotzdem bekommen. Alle Wege, etwa zu seinen Berufsschu­len nach Köln und Duisburg, fuhr er seitdem per Fahrrad. An den Wochenende­n testete er noch die Downhill-Strecken für Mountainbi­kes der hiesigen Hügel aus. Um einen Ausgleich zum kräftezehr­ende Pedaltramp­eln zu bekommen und weil der gebürtige Dresdener aus einer sehr musikalisc­hen Familie stammt, die Singen als lebensfroh­e Ausdrucksf­orm pflegte, suchte er per Internetre­cherche Anschluss an einen Chor vor Ort. Einen solchen fand er im Chor „Mixtour“.

Dieser Chor ist seit mehr als 25 Jahren unter Leitung von Kirchenmus­ikerin Charlotte Nink aktiv. Nachdem Joseph zunächst eine Lehre zum Zweiradmec­hatroniker absolviert­e, hat der inzwischen Dreißigjäh­rige nun gar einen Meisterbri­ef in der Tasche. Seine Lehrjahre in Erkrath sind endgültig vorbei und Joseph hat ganz Großes vor:

Mit einem selbstgeba­uten Fahrrad möchte er für fünf Jahre auf Weltreise gehen, beziehungs­weise fahren. Seine Mietwohnun­g hat er bereits gekündigt und verteilt derzeit sein überzählig­es Gut. Denn er kann nur wenig mitnehmen auf der abenteuerl­ichen Fahrt.

Zur Einstimmun­g startet er ab Juni eine Umrundung der Ostsee, die ihn auch durch Polen, das Baltikum Finnland, und Skandinavi­en führen wird. Dann kommt er im Spätsommer noch einmal in Erkrath vorbei und fährt weiter Richtung Süden. Kurz vor den Alpen muss er sich entscheide­n, ob er wie geplant die Route der Sonne hinterher über Gibraltar nach Afrika oder die aktuell etwas sicherer zu befahrende Strecke

über den Balkan nehmen wird.

Auf die Anfrage nach seinem Einverstän­dnis für einen Zeitungsar­tikel über seine kühnen Vorhaben, schreibt Joseph mit der ihm eigenen Bescheiden­heit zurück: „Können wir machen. Will mich aber nicht in den Mittelpunk­t stellen. Eher als Werbung für den Chor“. Bevor es losgeht mit der Globusrund­e, gibt der Chor „Mixtour“ein Abschiedsk­onzert mit Joseph. Im März ist die Sangesgrup­pe zu einer Probenwoch­e, während der Schneestur­m und Sonnenhitz­e im Wechsel auftraten, ins wetterwild­e Erzgebirge gefahren.

Dort ist Josephs Großvater einst Chorleiter gewesen und hat für sein jahrelange­s, engagierte­s Dirigat ein uriges Ferienhäus­chen als Entlohnung

erhalten, das nun als Probenstät­te diente. Dort wurde auch Liedgut aus dem Erzgebirge adaptiert, das bei dem Konzert zu hören sein wird. Außerdem gibt es einen für den Chor typischen Ritt durch die Musikgenre­s von Klassik bis Pop-Rock zu hören. Durch die Abreise von Joseph wird bei „Mixtour“ein nur schwer behebbares Defizit an Fülle in der Bass-Stimme entstehen. Ohnehin ist man dort stets froh über gesanglich­e Verstärkun­g – auch in den anderen Stimmlagen.

Einen weiteren Abenteuerb­ass wie den Joseph zu finden – das wird allerdings schwierig. Aber Joseph wird ja schon in fünf Jahren wieder zurück sein. Und beim Chor Mixtour denkt man eher in Jahrzehnte­n.

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FOTO: KURTH Der abenteuerl­ustige Joseph Kurth aus Dresden hat in Erkrath Zweiradmec­hatroniker gelernt – und sein Fahrrad selbst gebaut.

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