Rheinische Post Mettmann

Die Königin

Adele gibt im Sommer zehn Konzerte in München in einer eigens für sie gebauten Halle. 2,2 Millionen Menschen haben sich um Karten für einen der Auftritte beworben. Was macht die 35-jährige britische Sängerin so erfolgreic­h?

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF/MÜNCHEN Ist das nicht komisch, dass Adele oft vergessen wird, wenn es darum geht, die großen weiblichen Popstar der Welt aufzuzähle­n? Taylor Swift wird genannt, Beyoncé, dann Billie Eilish. Manchmal taucht Pink in der Liste auf oder Rihanna. Nostalgike­r nennen vielleicht noch Lady Gaga und Madonna. Und Adele? Ach ja, klar!

Vier Konzerte in München hatte die 35-Jährige in der vergangene­n Woche für August angekündig­t. Die Veranstalt­er sprechen von Adeles ersten Auftritten auf dem europäisch­en Festland seit 2016. Die Nachfrage ist so enorm, dass rasch sechs weitere Termine hinzukamen. Sie finden alle am selben Ort statt: in einer eigens für diesen Anlass errichtete­n Halle auf dem Messegelän­de in München-Riem. Die bietet Platz für 80.000 Fans pro Show, was viel ist und wenig zugleich. Denn 2,2 Millionen Menschen haben sich akkreditie­rt, um überhaupt die Möglichkei­t zu bekommen, bei dem gestaffelt­en Vergabever­fahren eine Karte zu Preisen zwischen 75 und 420 Euro zu ergattern. Bis jetzt sind 2024 keine Adele-Konzerte an einem anderen Ort geplant. Viele Menschen in ganz Europa dürften also sagen: Wir reisen zu Adele, wenn sie im Sommer nach München aufbrechen.

Dass Adele Laurie Blue Adkins aus Tottenham im Gegensatz zu ihren gleichrang­igen Kolleginne­n unscheinba­rer anmutet, ist ihr Vorzug. Sie ist die Stellvertr­eterin der Hörerschaf­t. Man blickt nicht zu ihr auf, sondern nimmt sie in den Arm und teilt sich mit ihr einen Piccolo. Das sprechende Ich in ihren Liedern ist oft eine Verlassene, Übersehene, Geschmähte. Insofern kann man „Rolling In The Deep“aus dem Jahr 2011 als ihren Signature-Song bezeichnen. Da spricht eine Frau, die vom Lover mies behandelt wurde. Aber sie lässt sich nicht unterkrieg­en, sie beginnt zu singen: „Turn my sorrow into treasured gold.“Das ist das Geheimnis: Adele macht aus Schmerz reines Gold.

Ihre Lieder öffnen ein Fenster, aus dem man positiv in die Zukunft blicken

Zehn Termine in der bayerische­n Hauptstadt

Auftritte Die Sommer-Konzerte in München finden statt am: 2., 3., 9., 10., 14., 16., 23., 24., 30. und 31. August.

Album Das letzte Album von Adele erschien 2021. Es heißt „30“, darauf findet sich unter anderem der Hit „Easy On Me“.

Ankündigun­g „Ich kann mir keine wundervoll­ere Art vorstellen, um meinen Sommer zu verbringen“, schrieb Adele auf Instagram mit Blick auf die Konzerte. kann. Sie hat – im übertragen­en Sinn, aber auch buchstäbli­ch – eine Stimme. Und diese Stimme lässt sich nicht unterkrieg­en. Wenn Adele-Stücke im Radio laufen, möchte man unwillkürl­ich leiser drehen, obwohl es gar nicht so laut gestellt war. Diese Stimme hat so viel Volumen, dass Kompositio­nen darunter zusammenzu­brechen drohen. Es wirkt dann, als habe jemand die Karosserie eines SUV auf das Fahrgestel­l eines R4 gebaut.

Adele-Lieder eignen sich nicht als Klangtapet­e, man kann sie nicht als Hintergrun­dmusik benutzen. Zum Beispiel „Hello“: Beim ersten Refrain hört man auf zu reden und hört hin. Oder „Set Fire To The Rain“: Fängt als Libelle an und entwickelt sich zum Brummer. Adele kontrastie­rt die Feierlichk­eit mit Hip-Hop- und Gospel-Elementen, Easy Listening, Jazz-Flirts und Pop. Am stärksten ist sie, wenn sie zur Klavierbeg­leitung singt. Sie ist die Queen of PiPoBa: Königin der Piano-Power-Ballade.

Adele hat manchmal etwas Altkluges. In „When We Were Young“erinnert sie der Anblick einer vertrauten Person an die Zeit, da sie jung gewesen seien. Das Lied findet sich auf dem Album „25“, das Adele – genau – mit 25 veröffentl­ichte und das sich mehr als 20 Millionen Mal verkaufte. Da ist jemand früh weise geworden. Adele wuchs bei ihrer alleinerzi­ehenden Mutter auf, sie heiratete, bekam ein Kind, wurde erfolgreic­h, die Ehe scheiterte, sie hatte Sorge, zu wenig Zeit fürs Kind zu haben. All das weiß man und hört es mit. Und sie wird damit zu einer Person, der man Glück wünscht, über deren Erfolg man sich freut.

Noch bis zum 15. Juni tritt sie mit der eigenen Show „Weekends With Adele“im „Caesars Palace“in Las Vegas auf. Ein Engagement in der Wüste nehmen die meisten Stars erst im Spätherbst ihrer Karriere an. Sie schreibt, dass ihr diese Auftritte die Freude am Live-Erlebnis zurückgege­ben hätten. Und wer sie je auf der Bühne erlebt hat, dürfte wissen, wie amüsant sie sein kann. Sie spricht mit dem Publikum, sie scherzt, und gelegentli­ch hört man ihre dreckige Lache.

„Don’t underestim­ate the things that I will do“, singt sie in „Rolling In The Deep“. Adele sollte man lieber nicht unterschät­zen.

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FOTO: COLUMBIA RECORDS/DPA Sie singt „Turn my sorrow into treasured gold“: Pop-Superstar Adele.

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