Die Königin
Adele gibt im Sommer zehn Konzerte in München in einer eigens für sie gebauten Halle. 2,2 Millionen Menschen haben sich um Karten für einen der Auftritte beworben. Was macht die 35-jährige britische Sängerin so erfolgreich?
DÜSSELDORF/MÜNCHEN Ist das nicht komisch, dass Adele oft vergessen wird, wenn es darum geht, die großen weiblichen Popstar der Welt aufzuzählen? Taylor Swift wird genannt, Beyoncé, dann Billie Eilish. Manchmal taucht Pink in der Liste auf oder Rihanna. Nostalgiker nennen vielleicht noch Lady Gaga und Madonna. Und Adele? Ach ja, klar!
Vier Konzerte in München hatte die 35-Jährige in der vergangenen Woche für August angekündigt. Die Veranstalter sprechen von Adeles ersten Auftritten auf dem europäischen Festland seit 2016. Die Nachfrage ist so enorm, dass rasch sechs weitere Termine hinzukamen. Sie finden alle am selben Ort statt: in einer eigens für diesen Anlass errichteten Halle auf dem Messegelände in München-Riem. Die bietet Platz für 80.000 Fans pro Show, was viel ist und wenig zugleich. Denn 2,2 Millionen Menschen haben sich akkreditiert, um überhaupt die Möglichkeit zu bekommen, bei dem gestaffelten Vergabeverfahren eine Karte zu Preisen zwischen 75 und 420 Euro zu ergattern. Bis jetzt sind 2024 keine Adele-Konzerte an einem anderen Ort geplant. Viele Menschen in ganz Europa dürften also sagen: Wir reisen zu Adele, wenn sie im Sommer nach München aufbrechen.
Dass Adele Laurie Blue Adkins aus Tottenham im Gegensatz zu ihren gleichrangigen Kolleginnen unscheinbarer anmutet, ist ihr Vorzug. Sie ist die Stellvertreterin der Hörerschaft. Man blickt nicht zu ihr auf, sondern nimmt sie in den Arm und teilt sich mit ihr einen Piccolo. Das sprechende Ich in ihren Liedern ist oft eine Verlassene, Übersehene, Geschmähte. Insofern kann man „Rolling In The Deep“aus dem Jahr 2011 als ihren Signature-Song bezeichnen. Da spricht eine Frau, die vom Lover mies behandelt wurde. Aber sie lässt sich nicht unterkriegen, sie beginnt zu singen: „Turn my sorrow into treasured gold.“Das ist das Geheimnis: Adele macht aus Schmerz reines Gold.
Ihre Lieder öffnen ein Fenster, aus dem man positiv in die Zukunft blicken
Zehn Termine in der bayerischen Hauptstadt
Auftritte Die Sommer-Konzerte in München finden statt am: 2., 3., 9., 10., 14., 16., 23., 24., 30. und 31. August.
Album Das letzte Album von Adele erschien 2021. Es heißt „30“, darauf findet sich unter anderem der Hit „Easy On Me“.
Ankündigung „Ich kann mir keine wundervollere Art vorstellen, um meinen Sommer zu verbringen“, schrieb Adele auf Instagram mit Blick auf die Konzerte. kann. Sie hat – im übertragenen Sinn, aber auch buchstäblich – eine Stimme. Und diese Stimme lässt sich nicht unterkriegen. Wenn Adele-Stücke im Radio laufen, möchte man unwillkürlich leiser drehen, obwohl es gar nicht so laut gestellt war. Diese Stimme hat so viel Volumen, dass Kompositionen darunter zusammenzubrechen drohen. Es wirkt dann, als habe jemand die Karosserie eines SUV auf das Fahrgestell eines R4 gebaut.
Adele-Lieder eignen sich nicht als Klangtapete, man kann sie nicht als Hintergrundmusik benutzen. Zum Beispiel „Hello“: Beim ersten Refrain hört man auf zu reden und hört hin. Oder „Set Fire To The Rain“: Fängt als Libelle an und entwickelt sich zum Brummer. Adele kontrastiert die Feierlichkeit mit Hip-Hop- und Gospel-Elementen, Easy Listening, Jazz-Flirts und Pop. Am stärksten ist sie, wenn sie zur Klavierbegleitung singt. Sie ist die Queen of PiPoBa: Königin der Piano-Power-Ballade.
Adele hat manchmal etwas Altkluges. In „When We Were Young“erinnert sie der Anblick einer vertrauten Person an die Zeit, da sie jung gewesen seien. Das Lied findet sich auf dem Album „25“, das Adele – genau – mit 25 veröffentlichte und das sich mehr als 20 Millionen Mal verkaufte. Da ist jemand früh weise geworden. Adele wuchs bei ihrer alleinerziehenden Mutter auf, sie heiratete, bekam ein Kind, wurde erfolgreich, die Ehe scheiterte, sie hatte Sorge, zu wenig Zeit fürs Kind zu haben. All das weiß man und hört es mit. Und sie wird damit zu einer Person, der man Glück wünscht, über deren Erfolg man sich freut.
Noch bis zum 15. Juni tritt sie mit der eigenen Show „Weekends With Adele“im „Caesars Palace“in Las Vegas auf. Ein Engagement in der Wüste nehmen die meisten Stars erst im Spätherbst ihrer Karriere an. Sie schreibt, dass ihr diese Auftritte die Freude am Live-Erlebnis zurückgegeben hätten. Und wer sie je auf der Bühne erlebt hat, dürfte wissen, wie amüsant sie sein kann. Sie spricht mit dem Publikum, sie scherzt, und gelegentlich hört man ihre dreckige Lache.
„Don’t underestimate the things that I will do“, singt sie in „Rolling In The Deep“. Adele sollte man lieber nicht unterschätzen.