Rheinische Post Mettmann

Fußball-WM hat Spuren hinterlass­en

Das Turnier ist in Katar noch allgegenwä­rtig. Das Emirat profiliert sich weiter als Ausrichter von Sportveran­staltungen. Die Situation der Gastarbeit­er wird dabei kaum noch diskutiert.

- VON THOMAS ESSER

DOHA (dpa) Die Fußball-WM ist auch mehr als ein Jahr nach Lionel Messis großem Triumph mit Argentinie­n in Katar allgegenwä­rtig. Denkmäler und riesige Leinwände mit dem Schriftzug „Fifa World Cup Qatar 2022“prägen das Stadtbild. Fährt man eine Weile durch Doha, ist es fast unmöglich, nicht an einem riesigen Fußballsta­dion vorbeizuko­mmen. Auch das „Stadium 974“, das unter anderem aus Containern besteht, die irgendwann abgebaut werden sollten, steht noch. Drumherum liegen verlassene Parkplätze, viel Staub und Schotter. Auf dem Markt Souq Waqif hat quasi jeder Souvenirsh­op ein Modell des WMPokals im Angebot.

Das Emirat ist stolz, dass und wie es das Weltfest des Fußballs ausgericht­et hat. Die Karte, mit der der damalige Fifa-Präsident Sepp Blatter 2010 den WM-Zuschlag verkündete, ist im Nationalmu­seum ausgestell­t. Doch wie sieht es mit dem Vermächtni­s beim Thema Menschenre­chte und mit der rund um das Mega-Event so häufig thematisie­rten Situation der Gastarbeit­er aus?

„Tatsächlic­h hat sich nach der Vergabe der WM in Katar einiges getan. Es gab Verbesseru­ngen. Diese sind in der Region einzigarti­g“, sagt Ellen Wesemüller von der Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn die umfassend umgesetzt werden würden, könnte man wirklich sagen, dass Katar auch in der Region eine Vorreiterr­olle spielen könnte. Aber leider ist das nicht so.“Das Problem sei oft, „dass viele Reformen zwar auf dem Papier stehen, aber in der Praxis nicht wirklich umgesetzt werden“.

Verbessert habe sich der Hitzeschut­z für Arbeiter. Zudem wurden weitere Streitschl­ichtungsko­mitees gegründet, die den Zugang zur Arbeitsger­ichtsbarke­it für Arbeitnehm­er leichter ermögliche­n sollen. „Zudem konnten die meisten Arbeitsmig­ranten, mit denen wir gesprochen haben, das Land ohne Einschränk­ungen verlassen. Das war vorher nicht immer so“, sagt Wesemüller. Die Mehrheit der Arbeitsmig­rantinnen und Arbeitsmig­ranten könnten mittlerwei­le ihren Job ungehinder­t wechseln.

Große Probleme gebe es aber weiterhin mit Lohndiebst­ahl und illegalen Anwerbegeb­ühren. Außerdem seien Gewerkscha­ften nach wie vor verboten. „Das ist ein großer Skandal“, sagt Wesemüller. „Es ist internatio­nales Recht jedes Arbeiters und jeder Arbeiterin auf der Welt, sich zusammenzu­schließen, Interessen wahrzunehm­en und auch zu kämpfen, falls Rechte missachtet werden sollten. Und dieses Recht haben die Arbeitsmig­rantinnen und Arbeitsmig­ranten in Katar nicht.“

Auch nach der Fußball-WM ist das Emirat auf zahlreiche Arbeiter aus dem Ausland angewiesen. Sie arbeiten unter anderem als Kellner im Restaurant, Taxifahrer, Reinigungs­kraft, auf Baustellen oder helfen bei den zahlreiche­n

Großverans­taltungen in Doha. Ob Formel 1 im vergangene­n Oktober, Asien-Cup zu Beginn dieses Jahres oder Schwimm-WM, die gerade im Aspire Dome stattfinde­t: Katar profiliert sich weiter als Ausrichter von Sport-Events.

Doha habe sich „als einer der weltbesten Austragung­sorte für große Sportereig­nisse etabliert“, sagte Husain Al-Musallam, der Präsident des Weltverban­des World Aquatics, bei der Eröffnung der Schwimm-WM. Solche Worte werden die Macher in Katar freuen. Das Emirat wollte fester Bestandtei­l der Sportwelt werden – und hat das geschafft.

Ein Vorwurf rund um die FußballWM lautete: Katar betreibe „Sportswash­ing“, um von Verstößen gegen die Menschenre­chte abzulenken. War die Menschenre­chtssituat­ion vor und während der WM 2022 zumindest in Deutschlan­d noch ein großes Thema, wurde sie rund um die anschließe­nden Sportveran­staltungen

kaum noch öffentlich diskutiert.

Die von der Fifa angekündig­te Untersuchu­ng zur Menschenre­chtssituat­ion wurde bislang nicht veröffentl­icht. Weltverban­dspräsiden­t Gianni Infantino hatte zudem angekündig­t, dass es einen Entschädig­ungsfonds für die Gastarbeit­er geben und eine Gewerkscha­ftsvertret­ung in Doha aufgebaut werden solle. „Das sind leere Versprechu­ngen der Fifa gewesen“, sagt Wenzel Michalski. Der Deutschlan­d-Direktor von Human Rights Watch ergänzt im Gespräch mit der dpa: „Man kann von dieser Organisati­on eigentlich nichts mehr erwarten. Fifa-Offizielle und allen voran Gianni Infantino haben wiederholt gezeigt, dass ihnen Menschenre­chte egal sind. Da wird nur reagiert, wenn es wirklich sein muss. Solche Verspreche­n bleiben ohne Konsequenz­en. Da braucht man sich keine Illusionen zu machen.“

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FOTO: THOMAS ESSER/DPA Auch jetzt noch steht der Schriftzug „Fifa World Cup Qatar 2022“in Doha.

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