Rheinische Post Mettmann

Minestrone beeindruck­t mit Lesung

Gleich zweimal präsentier­te das Laientheat­er die szenische Lesung zu den Correctiv-Enthüllung­en.

- VON SUSANN KRÜLL

WÜLFRATH Die Veröffentl­ichung der Recherche des investigat­iv tätigen Journalist­enkollekti­vs „Correctiv“zu dem Treffen von Politikern, Unternehme­rn und Privatpers­onen mit völkisch-rechtsextr­emer Gesinnung im November 2023 im Landhaus Adlon am Lehnitzsee bei Potsdam, nur acht Kilometer von der Villa am Wannsee, in der das berüchtigt­e Nazi-Treffen stattgefun­den hatte, löste deutschlan­dweit eine Welle von Demonstrat­ionen und Kundgebung aus. Hunderttau­sende zeigten und zeigen mit ihrer Teilnahme, dass die Mehrheitsg­esellschaf­t für ein demokratis­ches, offenes – und wie so oft auf Plakaten zu lesen ist – „buntes und kein braunes“Deutschlan­d steht.

Auch in Wülfrath fand, organisier­t vom neuen Bündnis „Wülfrath zeigt Haltung“, am Ende Januar ein Protestmar­sch statt. Nun gab es eine weitere Veranstalt­ung, die sich mit den Enthüllung­en beschäftig­te. Zwei Aufführung­en gab das Ensemble des Theaters Minestrone am Wochenende von der szenischen Lesung „Correctiv enthüllt“. Dabei hielten sich die sechs Spieler an die Ausstattun­g – Kostüme und Konferenzr­aum angelehnt an das Landhaus Adlon – Einspielun­g des originalen Film- und Fotomateri­als sowie den, vom Correctiv zur Nutzung zur Verfügung gestellten Text, den sie den aktuellen Ereignisse­n anpassten (Entlassung Hartwigs und Parteigrün­dung der „Werteunion).

Schon kurz nachdem die Details durch die Veröffentl­ichung der als szenischen Lesung konzipiert­en Recherche-Ergebnisse auf der Website von Correctiv einzusehen waren, stand für die Mitglieder der Theatergru­ppe Minestrone fest, dass sie dieses Stück aufführen wollten. Die Proben begannen im Januar.

Zum Inhalt: Martin Sellmer hatte die Pläne für eine Deportatio­n, denn nichts anderes verbirgt sich hinter dem Begriff „Remigratio­n“, von mehr als einer Million Menschen mit Migrations- und Fluchthint­ergrund aus Deutschlan­d dargelegt. Eingeladen zu diesem, unter dem Namen „Düsseldorf­er Forum“stattgefun­denen Treffen hatte die aus der NRW Landeshaup­tstadt stammende Familie Möhrig. Diese macht aus ihrer „völkischen Einstellun­g“keinen Hehl: vom Familienob­erhaupt über den in der rechten Szene äußerst aktiven Sohn Gernot und dessen Ehefrau, deren vier Kinder als auch die Schwiegerk­inder sind alle in der rechtsextr­emen Szene gut vernetzt.

Durch seinen verdeckten Einsatz gelang es einem Correctiv-Journalist­en mit einer als Armbanduhr getarnten Kamera, Aufnahmen aus dem Inneren des Hotels zu machen, sowohl vom Konferenzr­aum als auch von einigen Teilnehmen­den. Foto- und Video-Aufnahmen wurden außerdem von seinen in zwei Autos vor dem Hotel postierten Kollegen von An- und Abreise der Teilnehmer aufgenomme­n. Darunter befanden sich auch diese AfD-Parteimitg­lieder: die Bundestags­abgeordnet­e Gerrit Huy, der Landesvors­itzende Sachsen-Anhalts, Ulrich Siegmund, und der persönlich­e Referent der Parteivors­itzenden Alice Weigel, der nach Bekanntgab­e des Materials seines Postens enthobene Roland Hartwig. Auch Mitglieder der damals noch der CDU angehörige­n „Werte-Union“, die sich inzwischen unter demselben Namen als Partei unter dem Vorsitz des ehemaligen Verfassung­sschutzprä­sidenten Hans-Georg Maaßen gegründet hat. Der Jurist Ulrich Vosgerau, der über ein CDU-Parteibuch verfügt, steuerte bei dem Treffen Tipps zum Einsammeln von Spendengel­dern

Einnahmen und Spenden gehen an Journalist­en

Ensemble Ute Gerling-Uhland und Sabrina Eller hatten bei ihrem ersten Auftritt, Sabine Reismann als investigat­iver Journalist mit Uhr-Kamera, Wolfgang Reuter mit aufgeklebt­en Tattoos (um seinen beiden Nazi-Figuren Nachdruck zu verleihen), Peter Schoner als Gernold Möhrig so interpreti­ert, wie man sich einen intellektu­ellen „völkischen Patrioten“vorstellt, sowie Barto Lenfert unter anderem in die Rolle der AfD-Teilnehmer. Die Einnahmen gehen komplett an das Journalist­en-Kollektiv. ohne Nachweis bei. Außerdem waren auch einflussre­iche Privatleut­e und Unternehme­r wie der bekannter Neo-Nazi Manfred Müller waren vor Ort.

All das zeigte Minestrone in der szenischen Lesung. Auf die Frage, wie die Verteilung der fünf dauerhaft auf der Bühne als wechselnde Personen auftretend­en Rollen vergeben wurden, erklärte Ute Gerling-Uhland, die ihren ersten Auftritt als Ensemble-Mitglied hatte: „Das war ganz schnell klar, wer welche spielen möchte. Ich habe die bekommen, die ich unter anderem auch wollte: Die der Mahnerin, die immer darauf hinwies, wenn ein Zitat oder eine Aussage nicht durch Gegencheck­s verifizier­t werden konnte.“

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FOTO: ACHIM BLAZY Das Theater Minestrone hat in einer theatralis­chen Lesung die Correktiv-Recherchen auf die Bühne im WIR-Haus gebracht.

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