Minestrone beeindruckt mit Lesung
Gleich zweimal präsentierte das Laientheater die szenische Lesung zu den Correctiv-Enthüllungen.
WÜLFRATH Die Veröffentlichung der Recherche des investigativ tätigen Journalistenkollektivs „Correctiv“zu dem Treffen von Politikern, Unternehmern und Privatpersonen mit völkisch-rechtsextremer Gesinnung im November 2023 im Landhaus Adlon am Lehnitzsee bei Potsdam, nur acht Kilometer von der Villa am Wannsee, in der das berüchtigte Nazi-Treffen stattgefunden hatte, löste deutschlandweit eine Welle von Demonstrationen und Kundgebung aus. Hunderttausende zeigten und zeigen mit ihrer Teilnahme, dass die Mehrheitsgesellschaft für ein demokratisches, offenes – und wie so oft auf Plakaten zu lesen ist – „buntes und kein braunes“Deutschland steht.
Auch in Wülfrath fand, organisiert vom neuen Bündnis „Wülfrath zeigt Haltung“, am Ende Januar ein Protestmarsch statt. Nun gab es eine weitere Veranstaltung, die sich mit den Enthüllungen beschäftigte. Zwei Aufführungen gab das Ensemble des Theaters Minestrone am Wochenende von der szenischen Lesung „Correctiv enthüllt“. Dabei hielten sich die sechs Spieler an die Ausstattung – Kostüme und Konferenzraum angelehnt an das Landhaus Adlon – Einspielung des originalen Film- und Fotomaterials sowie den, vom Correctiv zur Nutzung zur Verfügung gestellten Text, den sie den aktuellen Ereignissen anpassten (Entlassung Hartwigs und Parteigründung der „Werteunion).
Schon kurz nachdem die Details durch die Veröffentlichung der als szenischen Lesung konzipierten Recherche-Ergebnisse auf der Website von Correctiv einzusehen waren, stand für die Mitglieder der Theatergruppe Minestrone fest, dass sie dieses Stück aufführen wollten. Die Proben begannen im Januar.
Zum Inhalt: Martin Sellmer hatte die Pläne für eine Deportation, denn nichts anderes verbirgt sich hinter dem Begriff „Remigration“, von mehr als einer Million Menschen mit Migrations- und Fluchthintergrund aus Deutschland dargelegt. Eingeladen zu diesem, unter dem Namen „Düsseldorfer Forum“stattgefundenen Treffen hatte die aus der NRW Landeshauptstadt stammende Familie Möhrig. Diese macht aus ihrer „völkischen Einstellung“keinen Hehl: vom Familienoberhaupt über den in der rechten Szene äußerst aktiven Sohn Gernot und dessen Ehefrau, deren vier Kinder als auch die Schwiegerkinder sind alle in der rechtsextremen Szene gut vernetzt.
Durch seinen verdeckten Einsatz gelang es einem Correctiv-Journalisten mit einer als Armbanduhr getarnten Kamera, Aufnahmen aus dem Inneren des Hotels zu machen, sowohl vom Konferenzraum als auch von einigen Teilnehmenden. Foto- und Video-Aufnahmen wurden außerdem von seinen in zwei Autos vor dem Hotel postierten Kollegen von An- und Abreise der Teilnehmer aufgenommen. Darunter befanden sich auch diese AfD-Parteimitglieder: die Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy, der Landesvorsitzende Sachsen-Anhalts, Ulrich Siegmund, und der persönliche Referent der Parteivorsitzenden Alice Weigel, der nach Bekanntgabe des Materials seines Postens enthobene Roland Hartwig. Auch Mitglieder der damals noch der CDU angehörigen „Werte-Union“, die sich inzwischen unter demselben Namen als Partei unter dem Vorsitz des ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen gegründet hat. Der Jurist Ulrich Vosgerau, der über ein CDU-Parteibuch verfügt, steuerte bei dem Treffen Tipps zum Einsammeln von Spendengeldern
Einnahmen und Spenden gehen an Journalisten
Ensemble Ute Gerling-Uhland und Sabrina Eller hatten bei ihrem ersten Auftritt, Sabine Reismann als investigativer Journalist mit Uhr-Kamera, Wolfgang Reuter mit aufgeklebten Tattoos (um seinen beiden Nazi-Figuren Nachdruck zu verleihen), Peter Schoner als Gernold Möhrig so interpretiert, wie man sich einen intellektuellen „völkischen Patrioten“vorstellt, sowie Barto Lenfert unter anderem in die Rolle der AfD-Teilnehmer. Die Einnahmen gehen komplett an das Journalisten-Kollektiv. ohne Nachweis bei. Außerdem waren auch einflussreiche Privatleute und Unternehmer wie der bekannter Neo-Nazi Manfred Müller waren vor Ort.
All das zeigte Minestrone in der szenischen Lesung. Auf die Frage, wie die Verteilung der fünf dauerhaft auf der Bühne als wechselnde Personen auftretenden Rollen vergeben wurden, erklärte Ute Gerling-Uhland, die ihren ersten Auftritt als Ensemble-Mitglied hatte: „Das war ganz schnell klar, wer welche spielen möchte. Ich habe die bekommen, die ich unter anderem auch wollte: Die der Mahnerin, die immer darauf hinwies, wenn ein Zitat oder eine Aussage nicht durch Gegenchecks verifiziert werden konnte.“