Bitte mal verbal herunterfahren
ANALYSE Streits in Serie über internationale Krisen gibt es gerade in Düsseldorfs politischem Raum zu beobachten. Da werden Botschaften geschrieben und gelöscht und harte Gegenattacken geritten. Was gerade gehörig schief läuft.
DÜSSELDORF Wenn es angesichts internationaler Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten eines sicher nicht braucht, dann ist das ein Überbietungswettbewerb von verbalen Attacken zu diesen Themen im politischen Raum Düsseldorfs. Auf dem Feld der sozialen Medien waren allerdings zuletzt mehrfach solche Fehltritte zu beobachten, die wiederum zu harten Gegenangriffen führten. An den Kontroversen beteiligten sich vor allem öffentliche Personen aus dem Parteienspektrum der Stadt, aber auch aus der wirtschaftlichen Interessenvertretung.
Erste Schwierigkeit: Dem Betrachter kann sich da gar nicht erschließen, wie da persönliche Meinungsäußerung und Botschaften von Amtsträgern zu trennen wären. Zudem verhebt sich da mancher Experte für kommunale Themen sichtbar. Doch was einmal rausgehauen wurde, lässt sich schwer wieder einfangen, wenn die Botschaft einmal öffentlich wirkte.
Da distanzierte sich zwar Altstadtwirtesprecher Walid El Sheikh von seinem bei Instagram veröffentlichten Genozid-Vorwurf an Israel und konnte so im Amt bleiben. Dennoch hat diese Distanzierung sicher nicht jeder von denen mitbekommen, die El Sheikh zuvor bereits als Meinungsmacher in dieser Frage wahrgenommen hatten.
Und so stiftet auch die SPD in Düsseldorf Verwirrung, wenn sie plötzlich bei Facebook Zuspruch für den „Düsseldorfer Appell gegen Hochrüstung und Krieg“äußert, obwohl dort Thesen weitab von der Linie der Bundespartei vertreten werden. Der versehentlich für den Beitrag platzierte Like wurde dann zwar wieder entfernt, hatte aber bereits einen Angriff der CDU in Düsseldorf ermöglicht. Dazu später noch mehr.
Und am vergangenen Wochenende löschte SPD-Ratsfrau Marina Spillner eine zuvor von ihr bei Facebook geteilte Karikatur, die eine zur Hässlichkeit entstellte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) zeigt, mit erhobenem Zeigefinger und bösem Blick, und dem untergeschobenen Zitat: „Wir werden alles liefern... auch eure Männer und Söhne“. Offenbar als Satire gedacht, wurde der Beitrag nicht nur im FDP-Umfeld vor allem als verletzend empfunden. Und nicht nur zwischen den Zeilen drang die Diffamierung durch, da mache eine Kriegsbesessene Politik. Spillner betont, die Karikatur inzwischen selbst als zu harsch zu empfinden. El Sheikh steht unterdessen weiter zu seiner Aussage, wie bei Instagram nachzulesen, StrackZimmermann
sei eine „MöchteGern-Kriegsministerin“.
Richtig ist: Angesichts der grausamen Kriege können Emotionen schon einmal Überhand gewinnen. Doch helfen persönliche Attacken in der Sache überhaupt nicht weiter. Vielmehr erschweren sie den sachlichen, argumentativen Dialog, der es angesichts des Trends zum nur schwarz-weiß gedachten Gemecker der Populisten sowieso schon schwer hat.
Anstatt nun aber zumindest bei den Reaktionen auf solche digital publizierten Fehlleistungen Sachlichkeit walten zu lassen, treiben übertriebene Vorwürfe das Ganze noch auf die Spitze. Strack-Zimmermanns Büroleiter Cord Schulz wirft der SPD sogar eine „stilistisch antisemitische“Karikatur vor und erhebt damit einen harten Vorwurf, den Spillner weit von sich weist.
Die CDU in Düsseldorf in Person ihres Chefs Thomas Jarzombek warf der SPD vor, diese nehme angesichts ihres Like-Irrläufers in Kauf, dass der Düsseldorfer Appell Schaden nehme. Denn die Organisation gegen Rassismus, Antisemitismus und Extremismus ähnelt dem Namen nach dem „Düsseldorfer Appell gegen Hochrüstung und Krieg“ja tatsächlich sehr.
Dennoch drängt sich der Verdacht auf, dass die CDU nicht vor allem aus Sorge um den Düsseldorfer Appell handelt, sondern schlicht Kapital aus einer fehlerhaften und ungeschickten Kommunikation des Rivalen schlagen wollte – auch wenn dort Einzelne wie Marina Spillner Waffenlieferungen tatsächlich sehr kritisch gegenüber stehen. Noch bevor jedenfalls eine Aufklärung des einzelnen Social-Media-Klicks möglich war, war die Pressemitteilung samt Mutmaßungen über eine mögliche Abkehr der Düsseldorfer SPD vom Kurs der Bundespartei verschickt. Und Mitteilungen gab es übrigens in den letzten Monaten nur selten von Jarzombek zu Düsseldorfer Themen.
Erstaunlich also, wie sehr hier die Repräsentanten des demokratischen Diskurses in Düsseldorf – der Machart des Populismus ähnlich – immer wieder auf direkte Attacken setzen, während Sachargumente, Differenzierung und – ja auch – Defensiv-Künstler zusehends auf der Strecke bleiben. Es ist also höchste Zeit, verbal herunterzufahren. Denn zu bestehen gilt es derzeit auf dem Feld der Glaubwürdigkeit.