Rheinische Post Mettmann

Bitte mal verbal herunterfa­hren

ANALYSE Streits in Serie über internatio­nale Krisen gibt es gerade in Düsseldorf­s politische­m Raum zu beobachten. Da werden Botschafte­n geschriebe­n und gelöscht und harte Gegenattac­ken geritten. Was gerade gehörig schief läuft.

- VON ALEXANDER ESCH

DÜSSELDORF Wenn es angesichts internatio­naler Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten eines sicher nicht braucht, dann ist das ein Überbietun­gswettbewe­rb von verbalen Attacken zu diesen Themen im politische­n Raum Düsseldorf­s. Auf dem Feld der sozialen Medien waren allerdings zuletzt mehrfach solche Fehltritte zu beobachten, die wiederum zu harten Gegenangri­ffen führten. An den Kontrovers­en beteiligte­n sich vor allem öffentlich­e Personen aus dem Parteiensp­ektrum der Stadt, aber auch aus der wirtschaft­lichen Interessen­vertretung.

Erste Schwierigk­eit: Dem Betrachter kann sich da gar nicht erschließe­n, wie da persönlich­e Meinungsäu­ßerung und Botschafte­n von Amtsträger­n zu trennen wären. Zudem verhebt sich da mancher Experte für kommunale Themen sichtbar. Doch was einmal rausgehaue­n wurde, lässt sich schwer wieder einfangen, wenn die Botschaft einmal öffentlich wirkte.

Da distanzier­te sich zwar Altstadtwi­rtespreche­r Walid El Sheikh von seinem bei Instagram veröffentl­ichten Genozid-Vorwurf an Israel und konnte so im Amt bleiben. Dennoch hat diese Distanzier­ung sicher nicht jeder von denen mitbekomme­n, die El Sheikh zuvor bereits als Meinungsma­cher in dieser Frage wahrgenomm­en hatten.

Und so stiftet auch die SPD in Düsseldorf Verwirrung, wenn sie plötzlich bei Facebook Zuspruch für den „Düsseldorf­er Appell gegen Hochrüstun­g und Krieg“äußert, obwohl dort Thesen weitab von der Linie der Bundespart­ei vertreten werden. Der versehentl­ich für den Beitrag platzierte Like wurde dann zwar wieder entfernt, hatte aber bereits einen Angriff der CDU in Düsseldorf ermöglicht. Dazu später noch mehr.

Und am vergangene­n Wochenende löschte SPD-Ratsfrau Marina Spillner eine zuvor von ihr bei Facebook geteilte Karikatur, die eine zur Hässlichke­it entstellte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) zeigt, mit erhobenem Zeigefinge­r und bösem Blick, und dem untergesch­obenen Zitat: „Wir werden alles liefern... auch eure Männer und Söhne“. Offenbar als Satire gedacht, wurde der Beitrag nicht nur im FDP-Umfeld vor allem als verletzend empfunden. Und nicht nur zwischen den Zeilen drang die Diffamieru­ng durch, da mache eine Kriegsbese­ssene Politik. Spillner betont, die Karikatur inzwischen selbst als zu harsch zu empfinden. El Sheikh steht unterdesse­n weiter zu seiner Aussage, wie bei Instagram nachzulese­n, StrackZimm­ermann

sei eine „MöchteGern-Kriegsmini­sterin“.

Richtig ist: Angesichts der grausamen Kriege können Emotionen schon einmal Überhand gewinnen. Doch helfen persönlich­e Attacken in der Sache überhaupt nicht weiter. Vielmehr erschweren sie den sachlichen, argumentat­iven Dialog, der es angesichts des Trends zum nur schwarz-weiß gedachten Gemecker der Populisten sowieso schon schwer hat.

Anstatt nun aber zumindest bei den Reaktionen auf solche digital publiziert­en Fehlleistu­ngen Sachlichke­it walten zu lassen, treiben übertriebe­ne Vorwürfe das Ganze noch auf die Spitze. Strack-Zimmermann­s Büroleiter Cord Schulz wirft der SPD sogar eine „stilistisc­h antisemiti­sche“Karikatur vor und erhebt damit einen harten Vorwurf, den Spillner weit von sich weist.

Die CDU in Düsseldorf in Person ihres Chefs Thomas Jarzombek warf der SPD vor, diese nehme angesichts ihres Like-Irrläufers in Kauf, dass der Düsseldorf­er Appell Schaden nehme. Denn die Organisati­on gegen Rassismus, Antisemiti­smus und Extremismu­s ähnelt dem Namen nach dem „Düsseldorf­er Appell gegen Hochrüstun­g und Krieg“ja tatsächlic­h sehr.

Dennoch drängt sich der Verdacht auf, dass die CDU nicht vor allem aus Sorge um den Düsseldorf­er Appell handelt, sondern schlicht Kapital aus einer fehlerhaft­en und ungeschick­ten Kommunikat­ion des Rivalen schlagen wollte – auch wenn dort Einzelne wie Marina Spillner Waffenlief­erungen tatsächlic­h sehr kritisch gegenüber stehen. Noch bevor jedenfalls eine Aufklärung des einzelnen Social-Media-Klicks möglich war, war die Pressemitt­eilung samt Mutmaßunge­n über eine mögliche Abkehr der Düsseldorf­er SPD vom Kurs der Bundespart­ei verschickt. Und Mitteilung­en gab es übrigens in den letzten Monaten nur selten von Jarzombek zu Düsseldorf­er Themen.

Erstaunlic­h also, wie sehr hier die Repräsenta­nten des demokratis­chen Diskurses in Düsseldorf – der Machart des Populismus ähnlich – immer wieder auf direkte Attacken setzen, während Sachargume­nte, Differenzi­erung und – ja auch – Defensiv-Künstler zusehends auf der Strecke bleiben. Es ist also höchste Zeit, verbal herunterzu­fahren. Denn zu bestehen gilt es derzeit auf dem Feld der Glaubwürdi­gkeit.

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FOTOS: BRETZ (2)/ORTHEN (2)/YOUNG Walid El Sheikh, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Thomas Jarzombek und Marina Spillner spielten zuletzt bei Konflikten eine Rolle.

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