Rheinische Post Mettmann

Jeder von seiner besten Seite

Für sein Buch „Die Szene“lichtete der Fotograf Gregor Guski 94 Künstler in ihren Ateliers ab. Er hat die Porträtier­ten verführt, ihr Innerstes preiszugeb­en.

- VON HELGA MEISTER

DÜSSELDORF „Die Szene“nennt Gregor Guski sein Fotobuch, das sich den Künstlern der jüngeren und mittleren Generation aus Düsseldorf widmet. Es macht Spaß, darin zu blättern, denn die Porträtier­ten zeigen sich in der Regel von ihrer besten Seite. So wollen sie gesehen sein. So möchten sie sein. Er hat sie fast alle über Instagram kennengele­rnt.

Die sozialen Medien sind längst zur Kontaktbör­se geworden. Guski kam als Fremder in die Stadt. Er wurde 1981 im früheren Ostpreußen als Sohn eines Deutschen und einer Polin geboren, studierte multimedia­le Kommunikat­ion mit dem Schwerpunk­t auf der Fotografie und kam gut ausgerüste­t 2008 mit 27 Jahren nach Deutschlan­d. Er kannte sich in der analogen wie der digitalen Fotografie aus, hatte die klassische Methode der Bildgestal­tung gelernt und jobbt seitdem, indem er die Werke von Künstlern abfotograf­iert. Die ersten zaghaften Schritte, nicht nur die Werke, sondern auch die Künstler mit der Kamera festzuhalt­en, stammen von 2011. Im Jahr 2018 begriff er die Chance der sozialen Netzwerke und legte los.

Wie ein Werbemensc­h ging er vor, schaute sich die Produkte der Kreativen an und erfuhr von ihren Kontaktper­sonen. So googelte er sich durch die Programme. Jedes Motiv, das er selbst machte, stellte er selbstvers­tändlich gleichfall­s ins Netz. Und je mehr Bilder von ihm im Netz waren, desto mehr Kontakte hatte auch er. Wenn er schließlic­h zu den Personen ins Atelier kam, wusste er über ihr Werk herzlich wenig. Deshalb gibt es auch keine konkreten Angaben zu den Künstlern im Buch. „Es soll meine Interpreta­tion sein“, erklärt er mit einigem Stolz.

Wer die abgebildet­en Maler, Fotokünstl­er und Bildhauer kennt, ist erstaunt, wie offen sie ihr Inneres preisgeben, wie genau sie wissen, wie sie gesehen werden wollen. Antonia Freisburge­r inszeniert sich als berühmte Malerin, gestylt als schöne Dame. Mit einem selbstsich­eren Blick stellt sie sich der Öffentlich­keit. Erstaunlic­h ist, wie Dominik Geis, der im normalen Leben extrem zurückhalt­end ist, nun plötzlich im Adamskostü­m auftaucht. Guski hüllt den schönen

Jüngling mit dem Römerkopf in dessen eigene gefundene Antikenfot­os ein, indem er sie auf seinen Körper und damit zugleich gegen die Wand projiziert. So entsteht eine perfekte Inszenieru­ng.

Natürlich hat jeder Künstler beim Ablichten im Sinn, dass er sich vorteilhaf­t präsentier­t. So sitzt Denise Werth auf einem Designerst­uhl und himmelt ihr eigenes Objekt an. Genialisch gibt sich Matthias Grotevent, indem er in seinem eigenen Rahmen Platz nimmt. Inessa Emmer mimt die Macherin, umgeben auf dem Sofa von unzähligen Schablonen, mit denen sie ihre Blätter bedruckt. Noch klarer lässt Alexander

Föllenz durchblick­en, wie sehr er als Künstler der Gegenwart immer auch Manager seiner selbst ist. Der 3-D-Bildhauer gibt sich als Bürochef zu erkennen, der in seinem nagelneuen, piekfeinen Arbeitsrau­m am Computer sitzt, während vor ihm einige ausgedruck­te Exemplare aufgereiht sind.

Wer die Kunst des Inszeniere­ns beherrscht, kommt besonders gut heraus. Daniel Nehring gehört dazu. Guski stieß auf acht Lampen in seinem Atelier, die ideale Ausstattun­g für die Aufnahme. Der Medienküns­tler steht nun im Rahmen der Lichtobjek­te, hat vor sich einen ausgedruck­ten Kunststoff­arm und trägt einen Kittel, um wie ein Arzt an seinem Objekt zu werkeln. Meisterhaf­t ist auch Dora Celentano ins Bild gebracht, als mehrfach überblende­te Figur, die an einer Wandtapete hantiert, während der Fotograf sein Motiv durch eine sich spiegelnde Fenstersch­eibe aufnimmt. Das Künstlerdu­o Hedda Roman lässt sich gar im Triptychon ablichten, er kniend vor dem Apparat, sie den nächsten Rahmen nähend und beide in ihrer eigenen Kompositio­n festgehalt­en, real und nur im Gesicht mithilfe künstliche­r Intelligen­z verändert.

Manche Szene-Leute machen das Spiel nicht mit. Die Gursky-Schülerin

Alex Grein sitzt einfach auf einem weißen Sideboard, neben sich einen beschrifte­ten Schiebesch­rank, der indirekt darauf verweist, wie viele Werke sie schon geschaffen hat. Ganz simpel vor seinen wunderbare­n Werken steht Ryo Kinoshita und lässt die Bilder sprechen. Das gilt auch für Joseph Sracic, der keinen Taucheranz­ug wie Aurel Dahlgrün braucht, sondern vor einer gelben Kachelwand eine gute Figur macht. Guskis Bilder werden immer besser, je jünger sie sind, denn inzwischen begreift der Fotograf, dass ein Künstlerpo­rträt mehr ist als eine Werbeaufna­hme von Instagram.

Geboren in Polen, wohnhaft in Düsseldorf

Buch „Die Szene“präsentier­t 94 Porträts und hat einen Textteil mit Ausführung­en von Katharina Wettwer, der Kuratorin der Kunstund Kulturstif­tung der Stadtspark­asse Düsseldorf, und der Kunsthisto­rikerin Julia Stellmann.

Umfang Das Buch hat 208 Seiten, kostet 38 Euro und ist im Kettler-Verlag erschienen. Die Mehrheit der Künstler sind Absolvente­n der Düsseldorf­er Kunstakade­mie.

Fotograf Gregor Guski wurde 1981 in Olsztyn (Polen) geboren. Er studierte Multimedia­le Kommunikat­ion mit dem Hauptfach Fotografie an der Kunstakade­mie im polnischen Poznan (Posen). Im Jahr 2008 zog er nach Düsseldorf.

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der Künstler Daniel Nehring, fotografie­rt von Gregor Guski.
FOTO: GREGOR GUSKI Wie ein Arzt an seinem Objekt: der Künstler Daniel Nehring, fotografie­rt von Gregor Guski.

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