Junge Ärzte schließen Versorgungslücke
In Wülfrath gab es eine Mangelversorgung im Bereich der Hausarztpraxen. Aber ab dem 1. April übernimmt Dr. Julia Weber offiziell die Praxis ihres verstorbenen Vaters Dr. Ingo Winkelmann.
WÜLFRATH Sie bleibt in der Familie und das hätte ihn sicher auch gefreut: Zum 1. April übernimmt Dr. Julia Weber offiziell die Praxis ihres im Juni 2023 verstorbenen Vaters, Dr. Ingo Winkelmann. Als sie mit dem Medizinstudium anfing, wollte sie Intensivmedizinerin werden. Heute ist für sie das Dasein als Hausärztin nicht mehr wegzudenken. Ähnlich geht es ihrem Kollegen, Dr. Klaus Ingerfurth, der seit November 2023 in der Praxis als Arzt angestellt ist.
Die beiden Mediziner sind 33 Jahre alt. Damit übernimmt eine ganz junge Generation eine wichtige Funktion: Sie schließt eine Lücke in der medizinischen Versorgung in einer Kleinstadt. Denn es gab in Wülfrath eine Mangelversorgung. Für eine 100-prozentige Versorgung fehlen im Kreis Mettmann aktuell etwa 20 Hausarzt-Zulassungen, davon jetzt noch vier in Wülfrath. Unterversorgt sei aber keine Stadt im Kreis, so die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) auf RP-Nachfrage. Dennoch, gerade in ländlichen Bereichen ist die Suche nach Praxisnachfolgern für Hausärzte langwierig und oft nicht von Erfolg gekrönt, sagt KVNO. Praxen schließen ohne Nachfolger. Und es könnten mehr werden, im Kreis sind rund 30 Prozent der Allgemeinmediziner, also etwa 220, über 60 Jahre alt Sie werden bald Nachfolger brauchen.
Die Übernahme von Weber ist also ein wahrer Glücksfall für alle Seiten: Für die Patienten in Wülfrath, die nun wissen, es geht weiter. Und auch neue Patienten werden in der Gemeinschaftspraxis
aufgenommen. Zum anderen auch für die beiden Ärzte selbst. „Die Praxis war das Herz meines Vaters. Ich bin froh, dass ich sie übernehmen kann“, sagt Weber.
Sie tritt nicht nur in seine Fußstapfen, sondern kann damit auch besser Job und Familienleben mit zwei kleinen Kindern (1 und 3 Jahre alt) kombinieren. In der Intensivstation eines Kölner Krankenhauses mit Nacht- und 80 Stunden-Schichten undenkbar. Gefallen gefunden am Hausarztdasein hat sie, als sie parallel zum Krankenhaus zwei Tage die Woche mit ihrem Vater in der Praxis gearbeitet hat. „Ich bin froh, dass ich diese Zeit gemeinsam mit ihm hatte, weil ich da viel von ihm lernen konnte“, sagt die Ärztin.
Damit sie die Praxis führen kann, musste sie zunächst ihren Facharzt zur Allgemeinmedizinerin machen. Deshalb gab es in der Zwischenzeit einen Vertretungsarzt, damit der Betrieb weiterlaufen konnte. Schon alleine diese Suche sei schwierig gewesen. Hürden seien aber auch die ganzen rechtlichen und wirtschaftlichen Faktoren zum Schritt in die Selbstständigkeit – bis dato Neuland für Weber als angestellte Medizinerin. Sie ist deshalb dankbar, dass sie die Niederlassungsberater der KVNO unterstützt haben. „Dass es nun auch offiziell ist, ist auch gut für die Patienten, die unsicher waren, wie es weitergeht“, sagt sie.
Kollege Klaus Ingerfurth hat ebenfalls die Vorteile als Hausarzt zu schätzen gelernt. Der Facharzt für Innere Medizin hatte zuletzt den Weg in die Kardiologie eingeschlagen, arbeitete in einem Krankenhaus in Krefeld, war auf dem Weg zum Oberarzt. Weil er mit dem Mann von Weber befreundet ist, erfuhr er von der Suche nach einem Kollegen. Denn klar war: Alleine will Weber die Praxis nicht betreiben. Sie sei ein Teamplayer, sagt Weber, die auch den gegenseitigen Austausch schätzt. Ingerfurth beschloss, es einmal auszuprobieren. „Meine Eltern waren auch beide Hausärzte. Eigentlich wollte ich das nicht machen“, gesteht der Internist, der in Düsseldorf wohnt, gebürtig aus Nordhorn kommt. „Aber es ist ein schönes Arbeiten. Man begleitet die Patienten viel länger“, erklärt er, warum er sich gegen die Karriere als Kardiologe entschied. Sein Chef sei schockiert gewesen, als er ihm die Entscheidung mitteilte. Leicht gemacht hat er sich das nicht. Jetzt ist er aber sicher, es war richtig.
Die Nähe zum Patienten gefällt auch seiner Chefin Weber gut. Und die Bandbreite dessen, was man können muss, sei viel größer. Das Vertrauen der Patienten müsse man sich erst erarbeiten. Aber: „Man erfährt eine unheimliche Wertschätzung von den Patienten“, sagen die Mediziner. Dennoch wurden sie am Anfang von ihren Kollegen im Krankenhaus für ihre Entscheidung ein wenig belächelt. Eine Hausarztpraxis – gerade im ländlicheren Bereich – sei bei vielen jungen Medizinern nicht beliebt und klischeebehaftet. Die beiden bereuen ihren Schritt nicht, erhalten inzwischen Anerkennung
Die Praxis bleibt in der Familie
Historie Dr. Ingo Winkelmann öffnete seine Praxis 1991 und führte sie bis zu seinem Tod im Jahr 2023. Tochter Julia Weber hat eineinhalb Jahre mit ihrem Vater gemeinsam dort gearbeitet. In der Zwischenzeit gab es einen Vertretungsarzt, damit der Betrieb aufrechterhalten werden konnte. Zum 1. April übernimmt Julia Weber gemeinsam mit Dr. Klaus Ingerfurth offiziell die Praxis.
Kontakt Unter www.hausaerzte-wuelfrath.de ist die Hausarztpraxis von Dr. Julia Weber und Dr. Klaus Ingerfurth digital erreichbar. Hier können Termine vereinbart oder Rezepte vorbestellt werden. Telefonisch ist die Praxis unter 02058 913328 erreichbar.
dafür von ehemaligen Krankenhauskollegen. Manche, so Ingerfurths Eindruck, seien sogar fast ein wenig neidisch, weil er so von seinem Job schwärme.
Zudem wurden die „Neuen“vom Rest der Ärzteschaft in Wülfrath sehr gut aufgenommen. Ziel der Hausarztpraxis ist es, auch eng mit den anderen sowie den umliegenden Krankenhäusern im Wohl der Patienten zusammenzuarbeiten.
Eine gewisse Skepsis, weil beide Ärzte so jung seien, spüren sie manchmal bei den Patienten. Da helfe es enorm, das bewährte Team zu haben. Die fünf medizinischen Fachangestellten sind auch weiterhin da. Dennoch wollen sie der Praxis künftig gerne ihren eigenen „Stempel aufdrücken.“Das heißt, es soll etwas moderner werden in den Räumen. Auch neuere Geräte sind geplant und eine Ausweitung des Leistungsspektrums. Denn Ingerfurths Erfahrung als Kardiologe soll auch im Praxisalltag zum Einsatz kommen.