Rheinische Post Mettmann

Urteile um umstritten­en Polizeikes­sel

Stundenlan­g hatte die Polizei 338 Demonstran­ten festgehalt­en. Nun hat das Verwaltung­sgericht drei unterschie­dliche Urteile gesprochen.

- VON VERENA KENSBOCK

DÜSSELDORF Auf den Videoaufna­hmen ist zu sehen, wie sich schwarz gekleidete Demonstran­ten mit Bannern und Regenschir­men abschirmen, wie Flaschen fliegen und roter Rauch aus der Menge steigt. Man hört die Rufe: „Alle Bullen raus aus der Demo“. Es ist zu sehen, wie Demonstran­ten und Polizisten immer wieder aneinander­geraten, die einen hinter, die anderem vor dem Banner, wie Gerangel entstehen. Aber es ist auch zu sehen, wie der Demonstrat­ionszug friedlich vorbeizieh­t und plötzlich Dutzende Einsatzkrä­fte zwischen zwei Blöcke grätschen. Oder wie sich eine Gruppe von Demonstran­ten irritiert umdreht, als plötzlich eine Reihe von Einsatzkrä­ften hinter ihnen steht.

Diese Aufnahmen waren bei drei Verhandlun­gen um einen umstritten­en Polizeiein­satz zu sehen. Bei der Demonstrat­ion „Versammlun­gsgesetz stoppen“im Juni 2021 hatte die Polizei einen Antifa-Block mit 338 Teilnehmer­n eingekesse­lt. Darunter auch Menschen, die nicht zu der Gruppierun­g gehörten. Mehrere Personen hatten gegen das Land NRW geklagt – sie seien rechtswidr­ig eingekesse­lt, von der Versammlun­g ausgeschlo­ssen und über Stunden festgehalt­en worden, so der Vorwurf. Nach fast drei Jahren hat das Verwaltung­sgericht in Düsseldorf am Donnerstag schließlic­h drei unterschie­dliche Urteile gesprochen.

Zwei Kläger, darunter die Sprecherin des Bündnisses „Versammlun­gsgesetz NRW stoppen“, haben Recht bekommen. Laut Gericht wurden sie rechtswidr­ig von der Demonstrat­ion ausgeschlo­ssen und von der Polizei festgehalt­en. Sie hatten sich am Rand des Geschehens aufgehalte­n und seien nicht als Störer aufgetrete­n. Das hätten die Einsatzkrä­fte erkennen müssen, so die Richterin. Die Klagen von vier weiteren Personen hingegen wurden abgewiesen. Sie hatten sich mitten im strittigen Block aufgehalte­n, auch in der Nähe zu Auseinande­rsetzungen, und hätten sich nicht davon distanzier­t. Es sei für die Polizisten nicht erkennbar gewesen, dass sie nicht zu der Gruppe gehörten.

Die Entscheidu­ng stützt sich unter anderem auf umfangreic­hes Videomater­ial der Polizei. So unterschie­dlich die Eindrücke der Aufnahmen sind, die an diesem Tag im Gerichtssa­al gezeigt werden, so unterschie­dlich sind auch die Interpreta­tionen. Die Kläger sprechen von „massiver Polizeiprä­senz“, gar von Drangsalie­rung. „Die Demo sollte eskalieren“, sagt Martin Behrsing, einer der Kläger vor Gericht. Die Teilnehmer seien von den Einsatzkrä­ften „eingequets­cht“und „bedrängt“worden, so Kläger Peter Bastian. Die Polizei habe das Chaos selbst verursacht, so die einhellige Meinung.

Vertreter des Landes hingegen argumentie­rten, die Polizei habe sich an alle gesetzlich­en Vorgaben gehalten. Und die Einsatzkrä­fte hätten guten Grund gehabt, derart in die Versammlun­g einzugreif­en. Aus dem Block heraus seien Straftaten verübt worden und man wollte weitere verhindern. Auch aus Sicht des Verwaltung­sgerichts war der Polizeiein­satz per se rechtmäßig. Es sei auch hinzunehme­n, dass beim Einkesseln Nicht-Störer eingeschlo­ssen würden.

Mehrere Tausend Teilnehmer waren am 26. Juni 2021 nach Düsseldorf gekommen, um gegen das Landesgese­tz zu demonstrie­ren. Die Versammlun­g war, auch wegen der Corona-Regeln, in zehn unterschie­dliche

Blöcke aufgeteilt, etwa Jugend, Klimaschüt­zer, Fußballfan­s. Der umstritten­e Block sieben war als Antifa-Block deklariert. Im Laufe des Demonstrat­ionszuges hatten sich die Antifa-Anhänger mit Kapuzen und Sonnenbril­len vermummt und Banner zusammenge­bunden. Die Stimmung heizte sich auf, es flogen Flaschen und Pyrotechni­k wurde gezündet, das zeigen die Aufnahmen der polizeilic­hen Kameras. Immer wieder kam es zum Gerangel zwischen Teilnehmer­n und Polizisten.

24 Mal habe die Polizei die Versammlun­gsleitung zum Einschreit­en aufgeforde­rt, doch es sei nichts passiert. Um die Straftaten zu verfolgen und weitere zu verhindern, habe man sich schließlic­h dazu entschloss­en, Block acht einzukesse­ln und auszuschli­eßen. Es dauerte mehrere Stunden, bis die Identitäte­n aller Teilnehmer festgestel­lt waren.

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FOTO: ROBERTO PFEIL/DPA 338 Personen wurden bei der Demo vor drei Jahren eingekesse­lt. Nicht alle waren Teil des Antifa-Blocks.

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