Rheinische Post Mettmann

Freispruch im Stalking-Prozess

Eine Erkratheri­n hatte ihren Ex-Partner wegen Stalkings angezeigt. Der gründete eine Selbsthilf­egruppe.

- VON SABINE MAGUIRE

ERKRATH/WUPPERTAL Sie zeigt ihn wegen Stalkings an. Er sieht sich als Opfer einer „toxischen Beziehung“und gründet eine Selbsthilf­egruppe. Nun sahen sich eine Erkratheri­n und ihr Ex-Partner vor Gericht wieder und dort musste nun vor allem eine Frage geklärt werden: War es Stalking, also im juristisch­en Sinne eine Nachstellu­ng, mit strafrecht­lichen Konsequenz­en für den Angeklagte­n? Oder ist hier eher ein „Rosenkrieg“aus dem Ruder gelaufen, mit dem sich üblicherwe­ise Familienge­richte befassen. Nun hat es in der Sache ein Urteil gegeben: Der Angeklagte wurde vom Vorwurf der Nachstellu­ng freigespro­chen.

Eines stand von Beginn an fest: Die Gemengelag­e in dieser Sache ist komplizier­t. Dass es eine OnOff-Beziehung war, sagen beide. Man habe sich „gefühlt 100 Mal getrennt“, sagt er. Sie zeigt ihn erstmals wegen Stalkings an, als eine Visitenkar­te mit Liebesbots­chaften an ihrem Scheibenwi­scher klemmt. Blumen hat er ihr auch noch geschickt. Er sagt, da seien die Gefühle mit ihm durchgegan­gen. Es folgen E-Mails von ihm an ihren Arbeitgebe­r, in denen er sie bezichtigt, Büromateri­al geklaut zu haben. Später stellt sich heraus: Das Büro wurde aufgelöst, sie durfte die Sachen mitnehmen. Dass sie sich habe rechtferti­gen und ihren Kollegen und Vorgesetzt­en ihr Privatlebe­n habe ausbreiten müssen? Das, so sagt sie, habe es zuvor noch nie gegeben. Irgendwann will sie nach Holland in den Urlaub fahren, wegen einer Lebensmitt­elvergiftu­ng schickt sie ihre Mutter und ihre Schwester mit dem Sohn an den Strand. Dort soll dann der Angeklagte aufgetauch­t sein, sie zeigt ihn ein weiteres Mal wegen Nachstellu­ng an.

Die dritte Anzeige folgt kurz darauf: Sie will zu einer Lesung in Köln, als ihr Ex „zufällig“im Parkhaus neben ihr einparkt. Sie bekommt noch im Saal eine Panikattac­ke. „Ich dachte, ich müsste sterben“, sagte sie nun vor Gericht. Sie geht zum „Weißen Ring“und holt sich Hilfe beim Verein „Frauen helfen Frauen“. Dort rät man ihr, die letzte Anzeige am Tag vor der Abreise zu einer Mutter-Kind-Kur zu stellen, damit er sie nicht mehr belästigen kann. Wirklich getroffen habe sie aber, dass ihr Ex eine Selbsthilf­egruppe gegründet hat, um sich mit Opfern

„toxischer Beziehunge­n“auszutausc­hen.

Der Angeklagte erzählte dem Gericht nun eine andere Geschichte, er spricht von stetigen Kontaktauf­nahmen durch seine Ex, auch noch nach der ersten Anzeige. Er legt E-Mails und Chat-Protokolle vor, aus denen unter anderem hervorgehe­n soll, dass seine Ex-Partnerin eifersücht­ig gewesen sein soll, weil er mit einer Bekannten im Urlaub gewesen sei. Als er sich ein Tattoo mit drei Ringen für seinen Sohn, seine Tochter und seine Mutter habe stechen lassen, soll sie sich darüber beschwert haben, dass sie auf seiner Prioritäte­nliste erst danach kommen würde.

Richter Markus Adams liest aus ihren E-Mails an den Ex vor, an das Geschriebe­ne will sich die Frau nicht mehr erinnern können. „Ich war damals richtig krank“, sagt sie. Sie habe nicht schlafen können, noch immer sei sie wegen einer posttrauma­tischen Belastungs­störung in Behandlung.

Den Freispruch des Angeklagte­n begründet Adams so: „Wenn es nach der Anzeige wegen Stalking noch gegenseiti­ge Kontaktauf­nahmen gegeben hat, in denen es nicht um das gemeinsame Kind ging, kann man nicht von Nachstelle­n sprechen.“

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FOTO: DPA Wer anderen nachstellt und zum Beispiel immer wieder ungebeten vor der Tür steht, kann sich strafbar machen.

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