Freispruch im Stalking-Prozess
Eine Erkratherin hatte ihren Ex-Partner wegen Stalkings angezeigt. Der gründete eine Selbsthilfegruppe.
ERKRATH/WUPPERTAL Sie zeigt ihn wegen Stalkings an. Er sieht sich als Opfer einer „toxischen Beziehung“und gründet eine Selbsthilfegruppe. Nun sahen sich eine Erkratherin und ihr Ex-Partner vor Gericht wieder und dort musste nun vor allem eine Frage geklärt werden: War es Stalking, also im juristischen Sinne eine Nachstellung, mit strafrechtlichen Konsequenzen für den Angeklagten? Oder ist hier eher ein „Rosenkrieg“aus dem Ruder gelaufen, mit dem sich üblicherweise Familiengerichte befassen. Nun hat es in der Sache ein Urteil gegeben: Der Angeklagte wurde vom Vorwurf der Nachstellung freigesprochen.
Eines stand von Beginn an fest: Die Gemengelage in dieser Sache ist kompliziert. Dass es eine OnOff-Beziehung war, sagen beide. Man habe sich „gefühlt 100 Mal getrennt“, sagt er. Sie zeigt ihn erstmals wegen Stalkings an, als eine Visitenkarte mit Liebesbotschaften an ihrem Scheibenwischer klemmt. Blumen hat er ihr auch noch geschickt. Er sagt, da seien die Gefühle mit ihm durchgegangen. Es folgen E-Mails von ihm an ihren Arbeitgeber, in denen er sie bezichtigt, Büromaterial geklaut zu haben. Später stellt sich heraus: Das Büro wurde aufgelöst, sie durfte die Sachen mitnehmen. Dass sie sich habe rechtfertigen und ihren Kollegen und Vorgesetzten ihr Privatleben habe ausbreiten müssen? Das, so sagt sie, habe es zuvor noch nie gegeben. Irgendwann will sie nach Holland in den Urlaub fahren, wegen einer Lebensmittelvergiftung schickt sie ihre Mutter und ihre Schwester mit dem Sohn an den Strand. Dort soll dann der Angeklagte aufgetaucht sein, sie zeigt ihn ein weiteres Mal wegen Nachstellung an.
Die dritte Anzeige folgt kurz darauf: Sie will zu einer Lesung in Köln, als ihr Ex „zufällig“im Parkhaus neben ihr einparkt. Sie bekommt noch im Saal eine Panikattacke. „Ich dachte, ich müsste sterben“, sagte sie nun vor Gericht. Sie geht zum „Weißen Ring“und holt sich Hilfe beim Verein „Frauen helfen Frauen“. Dort rät man ihr, die letzte Anzeige am Tag vor der Abreise zu einer Mutter-Kind-Kur zu stellen, damit er sie nicht mehr belästigen kann. Wirklich getroffen habe sie aber, dass ihr Ex eine Selbsthilfegruppe gegründet hat, um sich mit Opfern
„toxischer Beziehungen“auszutauschen.
Der Angeklagte erzählte dem Gericht nun eine andere Geschichte, er spricht von stetigen Kontaktaufnahmen durch seine Ex, auch noch nach der ersten Anzeige. Er legt E-Mails und Chat-Protokolle vor, aus denen unter anderem hervorgehen soll, dass seine Ex-Partnerin eifersüchtig gewesen sein soll, weil er mit einer Bekannten im Urlaub gewesen sei. Als er sich ein Tattoo mit drei Ringen für seinen Sohn, seine Tochter und seine Mutter habe stechen lassen, soll sie sich darüber beschwert haben, dass sie auf seiner Prioritätenliste erst danach kommen würde.
Richter Markus Adams liest aus ihren E-Mails an den Ex vor, an das Geschriebene will sich die Frau nicht mehr erinnern können. „Ich war damals richtig krank“, sagt sie. Sie habe nicht schlafen können, noch immer sei sie wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in Behandlung.
Den Freispruch des Angeklagten begründet Adams so: „Wenn es nach der Anzeige wegen Stalking noch gegenseitige Kontaktaufnahmen gegeben hat, in denen es nicht um das gemeinsame Kind ging, kann man nicht von Nachstellen sprechen.“