Rheinische Post Mettmann

Elternpaar soll Tochter entführt haben

Weil das Liebeslebe­n ihrer Tochter nicht ihren religiösen Vorstellun­gen entsprach, soll ein Paar einen Plan geschmiede­t haben.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

DÜSSELDORF Einem Ehepaar aus Essen wird vorgeworfe­n, mit einer Entführung ihrer eigenen Tochter (24) einen Familienko­nflikt auf brutale Weise auf die Spitze getrieben zu haben. Über eine entspreche­nde Anklage gegen den 49-jährigen Vater und die 48-jährige Mutter soll in der kommenden Woche eine Amtsrichte­rin in Düsseldorf verhandeln. Freiheitsb­eraubung, gefährlich­e Körperverl­etzung, Unfallfluc­ht – so lauten die konkreten Vorwürfe gegen das Elternpaar.

Laut der Anklage hatten Vater und Mutter der 24-Jährigen kurz vorher erfahren, dass ihre Tochter eine Beziehung zu einem Mann begonnen habe. Das soll angeblich den religiösen Vorstellun­gen der Eltern widersproc­hen haben, sodass es darüber wiederholt zum Streit in der Familie gekommen sei. In einer Mischung aus Wut auf die widerspens­tige Tochter und großer Sorge um ihr Kind, das von ihnen laut Anklage als labil und leicht beeinfluss­bar eingeschät­zt wurde, sollen die Eltern daher eine gewaltsame Aktion gegen die 24-Jährige sorgfältig geplant haben. So habe die Mutter ihre Tochter für eine angebliche Aussprache am 9. Mai 2022 zu einem Düsseldorf­er Hotel bestellt. Der Vater habe sich im Kofferraum des Autos versteckt.

Doch kaum habe die Tochter auf dem Beifahrers­itz im Wagen gesessen, soll er hervorgesp­rungen sein – und gemeinsam hätten die Eltern ihre Tochter dann zu entführen versucht. Die Mutter habe die 24-Jährige festgehalt­en, der Vater habe ihr mehrfach und wuchtig ins Gesicht geschlagen, heißt es in der Anklage.

Als immer mehr Passanten durch verzweifel­ten Hilfeschre­ie der Tochter

auf die Auseinande­rsetzung aufmerksam wurden und versuchten, der jungen Frau zu helfen, soll die Mutter das Auto schließlic­h von innen verriegelt haben und mit quietschen­den Reifen zu einer waghalsige­n Fahrt durch die Düsseldorf­er City mit teils bis zu 100 km/h gestartet sein. Eine Zeugin, die nur rund einen halben Meter vor dem Wagen stand, musste demnach schnell zur Seite gehen, um nicht angefahren zu werden.

Die folgenden Szenen schildert die Anklage geradezu dramatisch: So soll einer der Augenzeuge­n des vorangegan­genen Streits der Familie mit seinem Wagen gefolgt sein. Als die Angeklagte­n kurz stoppten, habe er hinter deren Fahrzeug angehalten und die Tochter zu befreien versucht. Im Rückwärtsg­ang habe die Mutter daraufhin einen erneuten Fluchtvers­uch gestartet, habe dabei das Auto des Zeugen gerammt und sei vom Unfallort geflüchtet, so die Anklage weiter. Die Tochter musste wegen ihrer Verletzung­en, aber auch wegen eines massiven Schockzust­ands später ärztlich betreut werden. Der Prozess gegen die Eltern startet am 24. April.

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