Rheinische Post Mettmann

Weniger genehmigt, weniger gebaut

In Nordrhein-Westfalen sind die Bewilligun­gszahlen für Wohnungen 2023 um ein Viertel eingebroch­en. Deutlich über dem Durchschni­tt liegen Teile des Münsterlan­des, deutlich darunter das Ruhrgebiet und das Bergische Land. Strengere Plastik-Regeln für Gastron

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF In der NRW-Bauindustr­ie herrscht zwar in Sachen Wohnungsba­u für 2024 ein wenig Zuversicht, aber von einer durchgreif­enden Erholung ist noch keine Rede. „Wir rechnen im Wohnungsba­u frühestens ab der zweiten Jahreshälf­te 2024 und dann ab 2025 mit einer leichten Erholung“, sagte am Mittwoch Beate Wiemann, Hauptgesch­äftsführer­in des Bauindustr­ieverbands NRW, unserer Redaktion. Ihre Forderung: „Damit es wirklich aufwärtsge­ht, bräuchten wir bessere Rahmenbedi­ngungen: Entlastung bei der Grunderwer­bsteuer, eine Absenkung der baulichen Vorgaben auf das wirklich notwendige Maß und mehr Tempo bei Genehmigun­gsverfahre­n, zum Beispiel durch eine echte Digitalisi­erung der Prozesse“, so Wiemann. Dass die Zahlen in Nordrhein-Westfalen nicht vorankomme­n, ist auch ein Problem dieses Mangels.

Wobei natürlich die hohen Baukosten und die hohen Zinsen im vergangene­n Jahr auch maßgeblich­e Gründe für den extremen Rückgang bei den Genehmigun­gszahlen gewesen sind. Die Zahlen, die die nordrhein-westfälisc­he Statistikb­ehörde IT.NRW am Mittwoch veröffentl­icht hat, sprechen Bände: Aufs Jahr gerechnet betrug der Rückgang bei den Wohnungsge­nehmigunge­n mehr als 26 Prozent, in ungefähr gleichem Ausmaß fiel die Zahl der Genehmigun­gen für Wohnungen in Wohngebäud­en. Nimmt man nur die Zahl der Wohnungen in sogenannte­n Nichtwohng­ebäuden (also beispielsw­eise über einer Bank, einem Bürogebäud­e oder einer Handelsimm­obilie), beträgt das Minus im Bundesland 30 Prozent. Will man der Statistik etwas Positives abgewinnen, schaut man auf die letzten drei Monate des vergangene­n Jahres: Bis September 2023 hatte das Minus in Nordrhein-Westfalen noch bei mehr als 29 Prozent gelegen, im gesamten vierten Quartal betrug der Rückgang demnach nur noch 15 Prozent.

In den einzelnen Kreisen und kreisfreie­n Städten in NRW geht die Schere indes weit auseinande­r. Beobachten lässt sich das an der Zahl der Baugenehmi­gungen pro 10.000 Einwohner, die IT.NRW für die einzelnen Regionen in Nordrhein-Westfalen errechnet hat. Diese Kennziffer beträgt für das gesamte Bundesland 24,0, aber es gibt eine große Bandbreite. An deren oberem Ende liegen Teile des Münsterlan­des: Der Kreis Steinfurt als landesweit­er Spitzenrei­ter erzielt eine Quote von 46,8, Münster kommt auf 43,3, der Kreis Borken auf 41,5 Prozent. Schlecht kommen Teile des Ruhrgebiet­s und des Bergischen Landes weg. Herne (6,1), Bochum (7,5), Hagen (7,8) und Bottrop (9,1) gehören mit einstellig­en Quoten zu den letzten sechs der Statistik, die durch Remscheid (6,8) und Wuppertal (8,1) komplettie­rt werden.

Wobei natürlich offenbleib­t, ob in diesen Regionen kaum jemand bauen oder umbauen mag, ob die Bauämter in den betroffene­n Städten und Kreisen langsamer sind als anderswo oder ob in den jeweiligen Bauanträge­n mehr Mängel stecken als bei den Regionen mit hohen Quoten. Tatsache ist aber: Wo weniger genehmigt wird, da wird natürlich auch entspreche­nd weniger gebaut. Und deshalb liegt die Zahl der Fertigstel­lungen in Deutschlan­d auch weit unter den Vorgaben, die die Bundesregi­erung verkündet hat. Die 400.000 Wohnungen, die Bundeskanz­ler Olaf Scholz und Bundesbaum­inisterin Klara Geywitz (beide SPD) einst als Ziel formuliert­en, sind in unerreichb­are Ferne gerückt. „Das aktuelle Niveau der Baugenehmi­gungen entspricht nur etwas mehr als 200.000 neu gebauten Wohnungen pro Jahr“, sagte jüngst Sebastian Dullien, wissenscha­ftlicher Direktor des Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Noch düsterer klingt die Voraussage von Elisabeth Gendziorra, Geschäftsf­ührerin des Landesverb­ands NRW im Bundesverb­and freier Wohnungsun­ternehmen: „Schlimmer als die aktuellen Zahlen ist nur noch die Aussicht auf das, was uns in zwei, drei Jahren erwartet, wenn wir noch berücksich­tigen, dass eine Baugenehmi­gung ja noch lange kein fertiges Haus bedeutet. Denn nicht nur die Baugenehmi­gungen gehen zurück, die Zahl der Bauanträge ist noch viel schlimmer gesunken, die Zahl der Baubeginne ist noch kleiner. Das wird den Mietwohnun­gsmarkt weiter anheizen und bedeutet letztlich sozialen Sprengstof­f.“

Nun hoffen viele darauf, dass die Förderpoli­tik in Nordrhein-Westfalen weiter gut funktionie­rt. (Wiemann: „Die Wohnraumfö­rderung in NRW verstetigt sich in diesem Jahr auf hohem Niveau von 1,7 Milliarden Euro“) und darauf, dass nach der erwarteten Zinssenkun­g durch die Europäisch­e Zentralban­k im Juni die Immobilien­kredite auch billiger werden.

STRASSBURG (afp) Im Kampf gegen Verpackung­smüll hat das Europäisch­e Parlament ein Verbot von Einweg-Plastik in Hotels und Restaurant­s beschlosse­n. Die Abgeordnet­en stimmten am Mittwoch in Straßburg für ein Gesetz, nach dem etwa kleine Salz- und Zuckerport­ionen sowie Obst und Gemüse nicht mehr in Plastik verpackt werden dürfen. Papierverp­ackungen bleiben erlaubt. In der EU sollen bis 2040 mindestens 15 Prozent weniger Verpackung­en auf dem Müll landen. Das Gesetz sieht ab 2030 neben den Vorschrift­en für die Gastronomi­e auch ein Verbot von Plastikfol­ien für Koffer in Flughäfen und von leichten Plastiktüt­en in Supermärkt­en vor. Lebensmitt­elverpacku­ngen dürfen künftig keine „ewigen Chemikalie­n“mehr enthalten.

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QUELLE: STATISTISC­HES BUNDESAMT FOTO: ISTOCK | GRAFIK: C. SCHNETTLER

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