Rheinische Post Mettmann

Terrorgrup­pe wollte laut Anklage die Regierung stürzen

In Stammheim hat der erste Prozess gegen mutmaßlich­e „Reichsbürg­er“begonnen. Zwei weitere Verfahren in Frankfurt und München folgen.

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STUTTGART-STAMMHEIM (afp/epd) Gegen 10 Uhr werden die neun Angeklagte­n einzeln in Saal 1 des Oberlandes­gerichts Stuttgart geführt. Einer verdeckt sein Gesicht, ein anderer grüßt lächelnd ins Publikum. Nach Feststellu­ng der Personalie­n durch den Vorsitzend­en Richter Joachim Holzhausen beginnt die Bundesanwa­ltschaft, die Anklagesch­rift zu verlesen. Den Angeklagte­n wird vorgeworfe­n, einen politische­n Umsturz

mit Gewalt geplant zu haben. Sie sollen dem „militärisc­hen Arm“der mutmaßlich­en Verschwöre­rgruppe rund um den Frankfurte­r Geschäftsm­ann Heinrich XIII. Prinz Reuß angehört haben.

Was die Bundesanwä­lte vortragen, klingt teils bizarr – gleichwohl soll die Gruppe ein „erhebliche­s Gefährdung­spotenzial“gehabt haben. Ihre Mitglieder sollen laut Anklage an verschiede­ne Verschwöru­ngsmythen

geglaubt und die demokratis­che Ordnung abgelehnt haben. Sie seien davon überzeugt gewesen, dass Deutschlan­d von einer „verschwöre­rischen Sekte pädophiler Eliten“beherrscht werde, deren Gegenspiel­er eine sogenannte Allianz sei – ein Geheimbund von Regierunge­n, Geheimdien­sten und Militärs verschiede­ner Staaten wie Russlands und der USA. Von dieser – in Wirklichke­it nicht existieren­den

– „Allianz“sollen sie sich die Befreiung Deutschlan­ds erhofft haben.

Dabei soll die Gruppe zunächst geplant haben, den Umsturz mit einem Angriff auf den Bundestag und der Festnahme von Abgeordnet­en zu erreichen. Sie sei davon überzeugt gewesen, dass die Bevölkerun­g „aufwachen“und sich hinter sie stellen werde. Nach dem Umsturz habe der als provisoris­ches Staatsober­haupt vorgesehen­e Heinrich

XIII. Prinz Reuß mit den Siegermäch­ten des Zweiten Weltkriegs die neue staatliche Ordnung Deutschlan­ds verhandeln sollen.

Später habe die Gruppe geplant, auf ein Zeichen der „Allianz“hin Institutio­nen und Amtsträger auf den Ebenen von Bundesländ­ern, Kreisen und Kommunen zu beseitigen. Der Anklage zufolge begann die Gruppe mit dem Aufbau sogenannte­r Heimatschu­tzkompanie­n, die den Umsturz auf regionaler Ebene hätten durchsetze­n sollen.

Das Stuttgarte­r Oberlandes­gericht hat vorläufig Verhandlun­gstage bis Januar 2025 angesetzt. Ein weiterer Prozess in Frankfurt, in dem Reuß selbst sowie die frühere AfD-Bundestags­abgeordnet­e Birgit Malsack-Winkemann vor Gericht stehen, beginnt am 21. Mai, ein dritter in München am 18. Juni. Insgesamt sind 26 Menschen angeklagt.

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