Mutmaßlicher Schütze winkte der Polizei zu
Nach den tödlichen Schüssen auf einen Gastwirt sitzt der Schock bei den Anwohnern an der Herzogstraße tief. Ein Nachbar beschreibt, wie er die Szenen nach der Tat erlebt hat.
FRIEDRICHSTADT Zwei Tage nach den tödlichen Schüssen, die auf den Wirt eines Lokals in Friedrichstadt abgegeben wurden, sieht man vor der Gaststätte noch immer die Spuren der Tat. Blumen und Kerzen liegen am Montagmittag vor dem Eingang. Auf dem Bürgersteig davor sieht man sogar noch die gelben Markierungen der Polizei, die Tür ist mit blauem Klebeband versiegelt. Währenddessen sucht die Spurensicherung im Umfeld nach weiteren Hinweisen. Auch einige Angehörige sind vor Ort, die von einem Polizisten befragt werden. Eine Frau kniet weinend vor dem Eingang der Gaststätte. Mit der Presse reden möchte von den Angehörigen niemand. Zu tief sitzt der Schock über das Geschehene.
Immer wieder fragen vorbeilaufende Passanten, ob es hier gewesen sei, wo in der Nacht zu Sonntag ein Mann erschossen worden war. Der Tat war dem Polizeibericht zufolge ein Streit vorausgegangen, der sich vor die Gaststätte verlagert hatte. Dabei soll ein Mann eine Waffe gezogen und mehrere Schüsse auf den Gastronomiebetreiber abgegeben haben. Noch am Tatort wurde der mutmaßliche Täter von der Polizei festgenommen. Das Opfer erlag trotz der Reanimationsmaßnahmen durch Polizeibeamte und Rettungskräfte seinen Verletzungen.
Ein Nachbar sagt, ihm werde immer noch schwindelig, wenn er jetzt an dem Lokal vorbeilaufe. Das passiert jedoch zwangsläufig: Denn der junge Mann wohnt in dem Haus, in dem sich die Gaststätte befindet – er muss hier also vorbei, um in seine Wohnung zu gelangen. In der Tatnacht schlief er bereits, als ihn drei laute Schüsse aufschreckten.
Von seinem Fenster aus habe er die Szenen direkt beobachten können. Zuerst habe er das Opfer in einer Blutlache auf dem Bürgersteig liegen sehen. „So etwas kannte ich sonst nur aus Filmen. Aber doch nicht vor der eigenen Haustür. Das ist ja eigentlich eine ganz normale Gegend hier“, sagt er.
Auf dem Video, das er mit seinem
Handy gefilmt hat, sieht man auch den mutmaßlichen Täter. Bekleidet mit einem roten Trainingsanzug, steht er vor dem Opfer. Die Pistole hält er dabei noch immer in seiner Hand. „Er stand da ganz reglos und hat erst einmal sein Wasserglas ausgetrunken“, sagt der Anwohner. Passanten und Gäste des Lokals hätten währenddessen laut geschrien und die Polizei gerufen. Der Polizei zufolge hatte der Täter die Gaststätte anschließend noch einmal betreten, ehe er sich vor der Tür widerstandslos festnehmen ließ. „Als die Polizei anrückte, hat er ihnen sogar noch zugewunken“, sagt der Nachbar.
Das Lokal und sein Wirt haben eher unscheinbar gewirkt, erzählen einige Nachbarn. Auch ein junger Mann, der in der Luisenstraße wohnt, kannte das Lokal. Zwar sei er selber nie drin gewesen, habe aber öfter einmal von außen reingeschaut, wenn er Pakete zum Kiosk daneben brachte oder einen Termin beim benachbarten Zahnarzt hatte. Es sei zwar keine Gaststätte gewesen, die er aufsuchen würde: „Aber auch keine verruchte Bar.“
Das bestätigt auch der Betreiber eines nahen Getränkehandels, von dem dem der Wirt seine Getränke bezogen habe: Pils, Alt-Bier und vor allem viele Soft-Drinks. „Das Lokal sah eigentlich ziemlich ordentlich aus. Alles war neu gemacht“, sagt er. „Und der Wirt war ein freundlicher Typ. Ziemlich korrekt.“Ein anderer Anwohner mutmaßt, dass die Tat mit Glücksspiel zu tun haben könnte. „Hier gibt es doch so einige Bars, die bestimmt einen Spieltisch in irgendeinem Hinterzimmer stehen haben.“Konkrete Anhaltspunkte dafür hat er aber nicht.
Für den jungen Nachbarn aus dem Haus wirken die Erlebnisse unterdessen auch zwei Tage danach noch deutlich nach. Er müsse das Gesehene erst einmal verarbeiten. „Schlafen fällt mir derzeit schwer. Ich wache bei jedem kleinsten Geräusch auf.“Vor allem dann, wenn die Sirenen der Einsatzfahrzeuge aus der nahen Feuerwache losgehen. Sein Sicherheitsgefühl habe sich in dieser Ecke Friedrichstadts, in der viele Studenten und junge Familien wohnen, seitdem etwas gewandelt. Bis zu der Tat am Wochenende habe er eigentlich gerne hier gewohnt, trotz des vielen Verkehrs an der belebten Kreuzung an der Herzogstraße. „Aber jetzt würde ich liebend gerne umziehen.“