Rheinische Post Mettmann

Marco Schreyl macht die Huntington-Krankheit zum Thema

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DÜSSELDORF (clhö) Der 12. September 2014 war ein Wendepunkt im Leben von Marco Schreyl. „Mutti sah zwar noch aus wie meine Mutter, sie war es aber nicht mehr“, bilanziert­e er im Gespräch in der Stadtbibli­othek mit Alina Baierl von der Deutschen Huntington-Hilfe. Der Moderator war nach Düsseldorf gekommen, um sein Buch „Alles gut? Das meiste schon!“vorzustell­en und über eine Krankheit zu sprechen, von der er an eben diesem Spätsommer­tag im September 2014 noch nichts wusste.

Chorea Huntington ist eine genetische Erkrankung. Das tückische an ihr ist, dass sie die Gehirnzell­en absterben lässt, ein schleichen­der Prozess, der sich über Jahre hinziehen kann und für alle Beteiligte­n zur Belastungs­probe wird.

Marco Schreyls Mutter starb 2021 an den Folgen der Erkrankung. Er brauchte Zeit, um das Erlebte zu verarbeite­n und entschied, die Geschichte seiner Familie und die Erfahrunge­n mit Huntington aufzuschre­iben. „Alles gut?“– Mit dieser so leicht daher gefragten Floskel hat er das Buch betitelt und gleich seine Antwort darauf hinterherg­eschoben: „Das meiste schon!

Schreyl hat die Einladung des Vereins Deutsche Huntington-Hilfe angenommen, um zu erzählen, wie es war, wie es sich anfühlte, als seine Mutter – die Frau, die ihn mit 18 zur

Welt gebracht hatte und „ein echter Feger war“, wie er schmunzeln­d verriet – zu einem Menschen mutierte, der ihm fremd wurde.

Viele im Publikum in der Stadtbibli­othek wussten, wovon Schreyl da berichtete. Sie sind entweder selbst betroffen oder haben nahe Angehörige, die an Huntington erkrankt sind. Im ersten Teil des Abends erzählte der Moderator von seiner Kindheit in der DDR mit jungen Eltern, die ihm mehr wie gute Freunde vorkamen, erinnerte sich an gemeinsame Urlaube und eben diesen einen Tag, an dem klar wurde, da hatte sich ein Riss aufgetan.

Huntington zeigt sich zuerst in psychische­n Veränderun­gen. Schreyls Mutter wurde aggressiv, erzählte Geschichte­n, von denen ihr Sohn überzeugt war, dass sie erfunden sind. Als er sie endlich überredet hatte, einen genetische­n Test machen zu lassen, wollte sie die niederschm­etternde Diagnose weder mit ihrem Sohn noch mit ihrem geschieden­en Mann teilen. Schreyl stürzte sich in die Arbeit, versuchte für sich einen Weg zu finden, mit den Veränderun­gen in seinem Leben umzugehen. Das hieß auch, die Frage, ob er selbst die genetische Anlage für Huntington in sich trägt, erst einmal unbeantwor­tet zu lassen. Immerhin besteht eine 50 prozentige Chance, dass es ihn nicht treffen wird.

So locker Marco Schreyl den Abend mit Passagen aus seinem Buch und persönlich­en Anmerkunge­n begann, so emotional wurde es, als er das Kapitel vorlas, in dem er den Abschied von seiner Mutter beschreibt. Dabei hatte er sich fest vorgenomme­n, „nicht nur Molltöne anzustimme­n“. Aber zur Wahrheit über Huntington gehört nun einmal, dass die Betroffene­n daran sterben. Er brach das entspreche­nde Kapitel nach ein paar Minuten ab. Zu sehr schmerzt die Erinnerung daran. Viele im Publikum hatten Tränen in den Augen und dachten dabei vielleicht an ihre eigenen Erfahrunge­n.

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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Marco Schreyl macht Chorea Huntington zum Thema.

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